European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00050.23D.0522.001
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Grundrechte
Spruch:
* W* wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde der * W* gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 13. März 2023, GZ 18 HR 165/22w-99, nicht Folge und setzte die über die Genannte mit Beschluss vom 28. November 2022 verhängte (ON 17) und mit Beschluss vom 13. März 2023 (zuletzt) verlängerte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fort.
[2] Nach den Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts (BS 5 ff) ist W* dringend verdächtig,
I./ von Anfang September 2022 bis zum 22. November 2022
a./ einer ihrer Fürsorge und Obhut unterstehenden
Person, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nämlich ihrem * 2010 geborenen Sohn P* W* körperliche und seelische Qualen zugefügt zu haben, indem sie diesen wiederholt – zuletzt täglich – mit den Fäusten schlug, es unterließ, seine Verletzungen medizinisch versorgen zu lassen, ihm durch Zerren und gewaltsames Festhalten Hämatome zufügte, ihn auf einem Hundenest schlafen ließ, ihn hungern ließ und ihn in zahlreichen Angriffen mit kaltem Wasser übergoss;
b./ P* W* widerrechtlich gefangen gehalten und auf andere Weise die persönliche Freiheit entzogen zu haben, indem sie diesen fesselte und knebelte und ihn wiederholt über Stunden in eine ca 57 x 83 x 50 cm große Hundebox einsperrte, die sie mit Gegenständen beschwerte und mit der Öffnung gegen die Wand schob, sodass der Unmündige nicht entkommen konnte, und ihn im Winter in der stark ausgekühlten Wohnung teilweise in der Box mit kalten Wasser übergoss, wodurch sie dem Festgehaltenen besondere Qualen bereitete;
II./ vom 20. bis zum 23. November 2022 P* W* zu töten versucht zu haben, indem sie ihn täglich mehrfach mit kaltem Wasser übergoss und währenddessen für mehrere Stunden bei Minusgraden die Fenster der Wohnung öffnete, wodurch sie bei dem – durch ihr Verschulden massiv unterernährten Unmündigen – eine Absenkung der Körpertemperatur auf 26,8 Grad und ein dadurch bedingtes Koma, sohin einen akut lebensbedrohlichen Zustand, herbeiführte und keine medizinische Versorgung veranlasste, wobei es beim Versuch blieb, weil auf Zutun einer Sozialarbeiterin noch rechtzeitig die Rettung verständigt werden konnte.
[3] Diesen Sachverhalt unterstellte das Beschwerdegericht dem Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB (I./a./), den Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./b./) und dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (II./).
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen gerichtete, die Annahme der Tatbegehungsgefahr bekämpfende Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten ist nicht berechtigt.
[5] Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren (nur) dahin, ob sie aus den im angefochtenen Beschluss angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durften, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806, RS0118185; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 49).
[6] Die Prognose zur Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO stützte das Beschwerdegericht auf die unzähligen schweren Angriffe gegen das unmündige Opfer samt Bewirkung seines letztendlich akut lebensbedrohlichen Zustands (BS 10 f).
[7] Die Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO bejahte das Oberlandesgericht wegen der Vielzahl der schweren Angriffe gegen die Rechtsgüter Leib und Leben sowie Freiheit über einen mehrmonatigen Tatzeitraum in Verbindung mit der laut Akteninhalt indizierten gravierenden psychischen Störung der Beschwerdeführerin, jedenfalls aber wegen ihrer nach dem Akteninhalt offensichtlich vorliegenden sadistischen Persönlichkeit (BS 11).
[8] Darüber hinaus berücksichtigte das Beschwerdegericht, dass der Beschuldigten der Zugriff auf ihren Sohn zwar nicht mehr möglich sei. Es zog aber (unter Hinweis auf eine Zeugenaussage) in Erwägung, dass sich zukünftige Aggressionshandlungen auch gegen andere Personen richten könnten (BS 11 f).
[9] Indem die Beschwerdeführerin diesem vom Oberlandesgericht in vernetzter Betrachtung in den Blick genommenen Gefahrenradius bloß gegenteilige eigene Auffassungen entgegensetzt, zeigt sie eine willkürliche Begründung im oben dargelegten Sinn nicht auf.
[10] * W* wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
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