European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00039.23F.0418.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Zweit- und Drittkläger sind als Wohnungseigentumspartner Mehrheitseigentümer einer Liegenschaft, auf der ein Zinshaus errichtet ist. Ihnen sind im Grundbuch die unter B-LNR 24, 25 sowie B-LNR 30 bis 49 einverleibten Mindestanteile zugeordnet. Der Erstkläger ist deren Vater. Zu seinen Gunsten ist an den Mindestanteilen B‑LNR 30 bis 49 das Fruchtgenussrecht sowie ein Veräußerungs- und Belastungsverbot einverleibt.
[2] Den Erst- und Zweitbeklagten sind als Wohnungseigentumspartner die unter B-LNR 26 bis 29 einverleibten Mindestanteile zugeordnet. Zugunsten der Drittbeklagten, ihrer Mutter, ist an diesen Anteilen das Fruchtgenussrecht sowie ein Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch eingetragen.
[3] Alle drei Kläger begehrten, den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten als Wohnungseigentümer aus der Gemeinschaft des Eigentums an der Liegenschaft auszuschließen, das zugunsten der Drittbeklagten einverleibte Fruchtgenussrecht aufzuheben und dessen Löschung im Grundbuch einzuverleiben.
[4] Das Erstgericht wies mit seinem Teilurteil das Begehren der Kläger, soweit es sich gegen die drittbeklagte Fruchtnießerin richtete, und das Begehren des Erstklägers, den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten aus der Gemeinschaft auszuschließen, ab.
[5] Der dagegen von allen drei Klägern erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Passiv legitimiert im Fall einer Ausschlussklage sei jeder Mit- und Wohnungseigentümer (Wohnungseigentumsbewerber) und nicht auch ein Fruchtgenussberechtigter. Dessen Verhalten sei dem Eigentümer des mit einem solchen Recht belasteten Mindestanteils zuzurechnen, der ausgeschlossen werden könne, wenn er es unterlasse, Abhilfe zu schaffen. Für eine Klage der Mehrheit der (übrigen) Wohnungseigentümer auf Aufhebung des Fruchtgenussrechts bestehe daher keine gesetzliche Grundlage. Das Fruchtgenussrecht verdränge den Eigentümer des damit belasteten Mindestanteils zwar hinsichtlich der Gebrauchs- und Verwaltungsbefugnisse; zur Erhebung der Ausschlussklage nach § 36 WEG sei er jedoch nicht legitimiert.
[6] Die außerordentliche Revision der Kläger ist zurückzuweisen, weil sie darin keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO ansprechen. Das ist kurz zu begründen:
Rechtliche Beurteilung
[7] 1. Ein Wohnungseigentümer ist nach § 36 Abs 1 WEG auf Klage der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer aus der Gemeinschaft auszuschließen, wenn einer, der in Z 1 bis 3 dieser Bestimmung aufgezählten Ausschlussgründe vorliegt. Der Fachsenat hat dazu bereits klargestellt, dass (nur) die – nach Anteilen zu berechnende – Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer zur Einbringung der Ausschlussklage (und nicht auch die Eigentümergemeinschaft) aktiv legitimiert ist (5 Ob 193/18w; RIS‑Justiz RS0113761).
[8] 2. Die Ausschlussklage nach § 36 WEG ist – wie die Teilungsklage – auf eine Rechtsgestaltung gerichtet: Die Gemeinschaft wird aufgehoben oder durch das Ausscheiden eines Wohnungseigentümers bzw im Fall der Realteilung durch (zusätzliche) Begründung von Wohnungseigentum geändert (5 Ob 193/18w).
[9] 3. Für den Fall, dass ein Miteigentumsanteil, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, mit einem Fruchtgenussrecht belastet ist, gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Eigentümer einer derart belasteten Wohnung kein Recht auf die Benutzung (und Verwaltung) des Wohnungseigentumsobjekts selbst hat (RS0011841). Erstreckt sich das Fruchtgenussrecht auf den gesamten, mit dem Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung verbundenen Mindestanteil, kommen dem Fruchtgenussberechtigten nach außen hin – und auch im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern – die Rechte eines Wohnungseigentümers zu (5 Ob 50/20v mwN).
[10] 3.1 Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Fruchtgenussberechtigte nur in den Angelegenheiten der Verwaltung an die Stelle des Wohnungseigentümers tritt, steht daher im Einklang mit der Rechtsprechung des Fachsenats (vgl RS0011841). In der Rechtsprechung ist auch geklärt, dass die Ausübung des Gestaltungsrechts durch den oder die (bei der Ausschlussklage mehrheitlich) klagenden Teilhaber keine Verwaltungsmaßnahme ist (5 Ob 193/18w). Dass die Vorinstanzen übereinstimmend zum Ergebnis gelangten, dem Erstkläger als Fruchtgenussberechtigten komme keine Legitimation zur Klage nach § 36 WEG zu, ist damit ebensowenig zu beanstanden, wie deren Schlussfolgerung, dass gegen die Drittbeklagte als Fruchtnießerin eine darauf gestützte Klage nicht erhoben werden könne, weil die Aktiv- bzw Passivlegitimation in beiden Fällen mit dem Mit- bzw Wohnungseigentum verbunden ist, und mit der Einräumung des dinglichen Fruchtgenussrechts nicht übertragen wird.
[11] 3.2 Bedenken gegen diese Ansicht vermögen die Kläger nicht zu erwecken. Jede Analogie (und damit auch ein Lückenschluss, wie ihn die Kläger offenbar vor Augen haben) setzt eine planwidrige Unvollständigkeit voraus (RS0008931). Eine solche ist schon in Anbetracht des klaren Gesetzeswortlauts nicht zu erkennen; § 36 Abs 1 WEG stellt zur Klageberechtigung ausschließlich auf die (Mehrheit der) Wohnungseigentümer ab. Die Klage ist gegen den auszuschließenden Wohnungseigentümer zu richten, sodass das Gesetz sowohl zur Aktiv- als auch zur Passivlegitimation ausschließlich auf die dingliche Stellung als Miteigentümer abzielt. Mit ihrer Argumentation, dass bei einem Ausschluss des Erstbeklagten und des Zweitbeklagten aus der Gemeinschaft der Miteigentümer das Fruchtgenussrecht an den damit belasteten Anteilen bestehen bliebe, sodass keine Bereinigung erreicht werden könnte, gingen die Störungen von der Fruchtnießerin aus, zeigen sie keine planwidrige Lücke des Gesetzes auf. Auch ein neuer Wohnungseigentümer sehe sich der Gefahr einer Klage nach § 36 Abs 1 WEG ausgesetzt, wenn er es unterließe Abhilfe zu schaffen. Zudem bliebe es ihnen unbenommen, gegen die störende Fruchtnießerin selbst vorzugehen.
[12] 3.3 Inwieweit jene Rechtsprechung, nach der ein einverleibtes Veräußerungsverbot weder der Ausschließung noch der Durchsetzung des Ausschließungsanspruchs entgegenstehe (3 Ob 30/86), dem von den Vorinstanzen gewonnen Ergebnis entgegenstehen soll, vermögen die Kläger nicht schlüssig darzulegen.
[13] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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