OGH 2Nc26/23f

OGH2Nc26/23f6.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. U*, und 2. C*, beide vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B*, vertreten durch die Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, und die auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1. O*, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Linz, und 2. B*, vertreten durch die Dr. Robert Briem Rechtsanwalts-GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Feststellung, über die Befangenheitsanzeige der * im Verfahren zu AZ * den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020NC00026.23F.0406.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die von der * im Verfahren zu AZ * angezeigten Gründe sind nicht geeignet, die Besorgnis ihrer Befangenheit zu begründen.

 

Begründung:

[1] In dem im Spruch genannten Verfahren hat der* Senat des Obersten Gerichtshofs, dessen Mitglied * ist, über die Revision der Klägerin zu entscheiden.

[2] * gibt zusammengefasst an, dass sie im Zuge des Erwerbs einer Eigentumswohnung in einem neu errichteten Komplex mit mehr als fünfhundert Objekten der im vorliegenden Verfahren als Klagevertreterin einschreitenden Rechtsanwälte‑GmbH (dort als Vertragserrichterin und Treuhänderin) sowie einem Partner derselben Vollmacht erteilt und diese später widerrufen habe. Dass dieser Widerruf wegen einer angeblichen Schlechtvertretung durch die Rechtsanwälte-GmbH bzw deren Partner erfolgt sei, behauptet die Richterin nicht. Sie fühle sich – schon angesichts der Abwicklung eines baulichen Großprojekts über eine „Großkanzlei“ – in ihrer Entscheidungsfreiheit subjektiv nicht beeinträchtigt, es könnte jedoch allenfalls der Anschein der Befangenheit bestehen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Befangenheitsanzeige ist nicht begründet:

[4] 1. Ein zureichender Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSv § 19 Z 2 JN in Zweifel zu ziehen, liegt nach ständiger Rechtsprechung zwar schon dann vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2, T6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich (subjektiv) unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Dabei ist zur Wahrung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl RS0045949). Zu beachten ist jedoch, dass die Vermutung für die Unparteilichkeit des Richters spricht, solange nicht Sachverhalte dargetan werden, die das Gegenteil annehmen lassen (RS0046129 [T1, T2]).

[5] 2. Der bloße Umstand, dass die hier als Klagevertreterin einschreitende Rechtsanwälte‑GmbH bzw deren Partner * zeitweilig als Vertragserrichterin und Treuhänderin beim Erwerb einer Eigentumswohnung vertreten hat, ist auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs nicht geeignet, den Anschein der Voreingenommenheit zu begründen (vgl 2 Nc 21/22v). Es war daher auszusprechen, dass die angezeigten Gründe nicht geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (§ 22 Abs 3 GOG iVm § 19 Abs 2 JN).

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