OGH 4Ob44/23h

OGH4Ob44/23h28.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. (FH) M*, vertreten durch die Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch die Goldsteiner Rechtsanwalt GmbH in Wiener Neustadt, wegen Unterlassung, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 5. Jänner 2023, GZ 58 R 135/22h‑29, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 26. September 2022, GZ 4 C 73/22h‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00044.23H.0328.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist seit 2014 Eigentümerin von nach Osten ausgerichteten Hanggrundstücken, auf denen eine mittelalterliche Burg errichtet ist. Die Klagsgrundstücke sind von Grundstücken der Beklagten umgeben, die unstrittig seit jeher von (bis in die 1970er Jahre vorwiegend Nadel-, nunmehr Misch‑)Wald bestanden sind. Der Rechtsvorgänger der Beklagten hatte die Burggrundstücke in den 1960er Jahren an den Rechtsvorgänger der Klägerin verkauft, der in der Folge die Burg wieder aufbaute. Die Grundstücksgrenzen verlaufen teils in unmittelbarer Nähe der Burgmauern, teils in mehreren Metern Abstand.

[2] In der Vergangenheit war die unmittelbare Umgebung der Burg von Baumbestand frei gehalten worden. Jedenfalls seit Mitte bis Ende der 1980er Jahre wuchs aber der Waldbestand bis an die Burgmauern heran. Die heute rund um die Burg vorhandenen Bäume wachsen dort seit zumindest dreißig Jahren; als die Klägerin die Liegenschaft im Jahr 2014 kaufte, waren die Bäume, die auch heute die Burg umgeben, bereits vorhanden. Der überwiegende Teil der auf den Grundstücken der Beklagten in der Nähe der Burg wachsenden Bäume hat heute eine Höhe von dreißig Metern oder mehr. Seit die Klägerin Eigentümerin ist, ist der umliegende Waldbestand aufgrund des natürlichen Wachstums höher geworden.

[3] Die Vorinstanzen wiesen übereinstimmend das Klagebegehren ab, die Beklagte habe es zu unterlassen, in einer das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitenden und die Benützung des Grundstücks der Klägerin „wesentlich“ beeinträchtigenden Weise dieses „zu beschatten oder ähnliche Handlungen zu setzen, dies insbesondere durch Aufzucht von sehr hohen Bäumen an der unmittelbaren [Grundstücks-]Grenze“.

[4] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage der Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit durch „Entzug von Licht bei Burganlagen“ zu.

[5] Damit wird jedoch keine erhebliche Rechtsfrage angesprochen. Da auch die Klägerin in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist ihr Rechtsmittel entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, zumal auch der Umstand, dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, für sich nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage begründet (vgl RS0107773; RS0122015). Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[6] 1.1. Die Vorinstanzen haben die nachbarrechtlichen Grundsätze zum am 1. 7. 2004 in Kraft getretenen § 364 Abs 3 ABGB und die hierzu ergangene Rechtsprechung vollständig und richtig dargelegt. Demnach kann ein Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das (im Sinne des Abs 2 leg cit) nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen; eine – wie hier begehrt und von der Klägerin auch vorgebracht – bloß „wesentliche“ Beeinträchtigung im Sinne des Abs 2 leg cit reicht hingegen nicht (vgl 9 Ob 84/17v).

[7] Die auf den konkreten Umständen des Einzelfalls beruhende Auslegung der vom Gesetz verwandten unbestimmten Begriffe der Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit und die dabei nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab anzustellende Interessenabwägung (vgl RS0121873) begründet – vom Fall einer (hier nicht vorliegenden) korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0122902 [T2, T3], RS0121872 [T1, T3, T4]; RS0121873 [T9], RS0014685, RS0010558).

[8] 2. Dass sich neu hinzukommende Nachbarn mit der im Gebiet vorherrschenden Immission abfinden müssen, entspricht ständiger Rechtsprechung; das Berufungsgericht hat etwa bereits erkannt, dass jemand, der ein Grundstück samt Gebäude mitten im Wald erworben hat, nicht – gestützt auf § 364 Abs 3 ABGB – die Beseitigung des Waldes fordern kann (vgl RS0112502 [insb T9]). Warum dies in einem Fall wie hier, bei dem es sich beim Gebäude um eine Burganlage handelt, grundsätzlich anders beurteilt werden sollte, ist nicht ersichtlich; die Revision geht auf die Zulassungsfrage des Berufungsgerichts auch gar nicht ein.

[9] 3.1. Die Klägerin legt das Schwergewicht ihrer Argumentation darauf, dass sie nicht mit dem „unbegrenzten Wachstum“ der Bäume bis zur „maximalen Wuchshöhe“ in Burgnähe habe rechnen müssen. Warum dies in einem seit jeher bestehenden Wald so sein sollte, legt sie allerdings nicht nachvollziehbar dar. Insbesondere wird in der Revision weder konkret begründet noch ist es ersichtlich, dass der Klägerin besondere Umstände zugute kämen, die ihren Unterlassungsanspruch begründen könnten. Solche Umstände wurden in der Rechtsprechung etwa in Fällen bejaht, in denen die Gefährdung von Personen und Sachen begründende Starkastüberhänge infolge mangelhafter Pflege des Baumbestands (vgl 4 Ob 43/11v) oder unbegrenzte waldwuchsartige Verwilderung in einem zuvor mit Jungbäumen gartenmäßig gestalteten geschlossenen Siedlungsgebiet (vgl 8 Ob 59/15g) feststanden.

[10] Eine diesen Fällen vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor; der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen die Beschattung eines seit jeher in einem Wald liegenden Bauwerks durch schon bei Erwerb des Grundstücks 2014 bereits jahrzehntelang (seit Mitte bis Ende der 1980er Jahre) dort wachsender Waldbäume, die – wie die Revision selbst in Erwägung zieht – beim Ankauf der Liegenschaft wohl bereits zwanzig Meter und mehr hoch waren.

[11] Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass unter solchen Gegebenheiten der Entzug von Licht durch einen unmittelbar angrenzenden Wald – mit hohen Bäumen – ortsüblich ist, ohne dass es weiterer Vergleiche bedürfte, ist zumindest vertretbar; welchen Vergleich zur Ortsüblichkeit die Revision in diesem Zusammenhang vermisst, ist nicht nachvollziehbar.

[12] Unter solchen Umständen zusammengefasst weder Ortsunüblichkeit noch (auch in der Revision nicht einmal erwähnte) Unzumutbarkeit erkennen zu können, hält sich vielmehr im Rahmen der Rechtsprechung und des den Gerichten im konkreten Einzelfall notwendigerweise zukommenden Ermessensspielraums.

[13] 3.2. In Ansehung des Kaufzeitpunkts liegt schon im Hinblick auf die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen zum damaligen Baumbestand kein rechtlicher Feststellungsmangel vor.

[14] Warum der Baumbestand und insbesondere die konkrete Wuchshöhe in den 1970er Jahren im Lichte der dargelegten Rechtslage von Relevanz sein sollten, lässt die Revision nicht erkennen; auch hier liegt kein sekundärer Feststellungsmangel vor.

[15] 3.3. Die sonst keine weiteren Argumente ins Treffen führende Revision zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage auf; sie war daher zurückzuweisen.

[16] 4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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