European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00035.23W.0321.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Erblasser war zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung 2019 ansprechbar, konnte Fragen aber nur durch Nicken oder Augenkontakt beantworten. Der Notar las ihm den Entwurf des vorliegenden Testaments vor und erklärte dem Erblasser die Konsequenzen des Testaments. Dieser bejahte nickend die Frage, ob es sich dabei um seinen letzten Willen handle, und setzte mit dem Mund ein schriftliches Zeichen bei, weil er aufgrund der bestehenden Lähmung nicht in der Lage war, mit der Hand eine Unterschrift oder ein Handzeichen beizusetzen. Diese mit dem Mund auf dem Notariatsakt beigesetzte Unterschrift wurde auf dem Testament angebracht und mit einem von der Zeugin * errichteten handschriftlichen Beisatz, der auf die Person des Erblassers hinweist, bekräftigt. In weiterer Folge unterschrieben Dr. * als Notar (mit dem maschingeschriebenen Unterschriftszusatz „öffentlicher Notar als Zeuge des letzten Willens“) sowie * und * als Zeuginnen (jeweils mit den maschingeschriebenen Unterschriftszusätzen „als Aktszeugin und Zeugin des letzten Willens“) das Testament. Die Unterfertigung erfolgte noch im Krankenzimmer. In Punkt Viertens des Notariatsakts findet sich der Satz: „Dieser Notariatsakt wurde in Anwesenheit der Aktszeugen beziehungsweise Zeugen des letzten Willens der Partei vorgelesen, von ihm als ihrem Willen entsprechend genehmigt und mit dem Handzeichen versehen.“
[2] Die Vorinstanzen hielten dieses notarielle Testament für gültig.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Rechtsmittelwerberin (als gesetzliche Erbin) bestreitet die Gültigkeit, zeigt aber keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Zum maschinschriftlichen Hinweis auf die Zeuginneneigenschaft:
[4] 1.1. Der erkennende Fachsenat hat in der Entscheidung 2 Ob 63/22m ausgesprochen, dass der generelle Verweis in § 67 Abs 1 NO bei verständiger Würdigung keinen solchen auf § 579 ABGB, sondern nur einen solchen auf § 583 ABGB umfasst (Rz 28). Er kam daher aus systematischen und teleologischen Erwägungen zum Ergebnis, dass bei Errichtung einer notariellen letztwilligen Verfügung – unabhängig davon, ob diese in Form eines Notariatsakts, bei dem das Rechtsgeschäft unmittelbar als solcher errichtet wird, oder eines notariellen Protokolls nach §§ 70 ff NO erfolgt – keine eigenhändige Nuncupatio des Erblassers iSd § 579 ABGB erforderlich ist (Rz 35; RS0134006).
[5] 1.2. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auch im vorliegenden Fall eines Testaments in Form eines Notariatsakts, bei dem der auf ihre Zeuginneneigenschaft hinweisende Zusatz bei den Unterschriften der zwei Aktszeuginnen nicht von ihnen eigenhändig geschrieben wurde, anzuwenden: Auch insoweit umfasst der generelle Verweis in § 67 Abs 1 NO keinen solchen auf § 579 ABGB. Ebenso besteht aus teleologischen Gründen kein Bedarf, den in § 579 Abs 2 ABGB von den Zeugen geforderten eigenhändig geschriebenen Zusatz auf ihre Zeugeneigenschaft für ein in Form eines Notariatsakts errichtetes Testament zu verlangen. Bei einem Testiervorgang vor dem Notar ist gewährleistet, dass die Zeugen bei ihrer Unterschriftsleistung auch ohne eigenhändig geschriebenen Zeugenzusatz über ihre Eigenschaft als Testamentszeugen Bescheid wissen (2 Ob 63/22m Rz 32).
[6] 1.3. Aus § 589 ABGB ergibt sich schon deshalb nichts anderes, weil die in dieser Bestimmung angesprochene Fähigkeit und Unbefangenheit der Zeugen nichts mit der Frage zu tun hat, ob der auf die Zeugeneigenschaft hinweisende Zusatz eigenhändig geschrieben werden muss.
2. Zum Schriftzug des Erblassers:
[7] 2.1. § 68 Abs 1 lit g NO sieht für den – hier vorliegenden – Notariatsakt unter anderem vor, dass er bei Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde die Unterschrift der Parteien enthalten muss. Kann eine Partei nicht schreiben, so muss sie bei der Fertigung auf Papier ihr Handzeichen beifügen.
[8] Diese Bestimmung sieht somit ebenso wie § 580 Abs 1 ABGB für ein fremdhändiges Testament im Fall eines letztwillig Verfügenden, der nicht schreiben kann, das „Handzeichen“ vor.
[9] Die Vorinstanzen haben das „schriftliche Zeichen“ des Erblassers als seine Unterschrift angesehen.
[10] Ihrer Auffassung, mangels Vorhandenseins einer entgegenstehenden Vorschrift könne eine Unterschrift auch so geleistet werden, dass das Schreibgerät mit dem Mund oder auch mit den Zehen gehalten wird, setzt das Rechtsmittel nichts entgegen.
[11] Warum der Schriftzug des Erblassers ungeachtet fehlender Zweifel an seiner Identität (vgl § 55 NO) die Anforderungen an eine Unterschrift iSv § 68 Abs 1 lit g NO nicht erfüllt, zeigt die Revisionsrekurswerberin ebenfalls nicht auf.
[12] 2.2. Wenn man den Erblasser wegen seiner körperlichen Behinderung als des Schreibens nicht fähig iSv § 68 Abs 1 lit g NO bzw § 580 Abs 1 ABGB ansieht (Wagner/Knechtel, NO6 § 79 Rz 5; SZ 2/139 = RS0015396; 4 Ob 237/04p), würde sein Schriftzug zudem die Voraussetzungen eines Handzeichens erfüllen: Ungeachtet des Ausdrucks „Handzeichen“ in § 68 Abs 1 lit g NO und § 580 Abs 1 ABGB kommt es nach dessen Zweck nicht darauf an, dass der Erblasser mit der Hand agiert, sondern darauf, dass er seinen letzten Willen nach außen sinnfällig so betätigt, dass er auf der die letztwillige Verfügung enthaltenden Urkunde seinen Niederschlag findet. Dafür ist es unerheblich, mit welchem Körperteil der Erblasser das Schreibgerät führt.
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