OGH 3Ob233/22v

OGH3Ob233/22v15.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* GmbH, *, vertreten durch Breitenfeld Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, c/o KommAustria, 1060 Wien, Mariahilfer Straße 77–79, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 1.060.065,80 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichtvom 17. Oktober 2022, GZ 12 R 63/22f‑48, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. März 2022, GZ 60 Cg 72/20d‑41, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00233.22V.0315.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.351 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte verteilt durch die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung die Mittel zur Presseförderung nach dem PresseFG.

[2] Die Klägerin ist seit September 2006 Herausgeberin und Verlegerin der Tageszeitung „Ö*“, die von Anfang an überwiegend als Gratiszeitung vertrieben wurde. Seit 29. Juni 2018 vertreibt sie ihre Gratiszeitung unter dem Titel „o*“ (im Folgenden kurz: „o*“), während sie die Kaufzeitung (wie bisher) unter dem Titel „Ö*“ vertreibt. Ab diesem Zeitpunkt meldete sie beide Titel getrennt an die Österreichische Auflagenkontrolle (ÖAK) und die Daten wurden seither von der ARGE Media Analyse getrennt erhoben und getrennt ausgewiesen. Von 2010 bis 2018 war die Tageszeitung „Ö*“ von der ÖAK als reine Gratiszeitung geführt worden.

[3] Im Jahr 2020 suchte die Klägerin um Vertriebsförderung nach dem II. Abschnitt des PresseFG und um Besondere Förderung nach dem III. Abschnitt des PresseFG für die Tageszeitung „Ö*“ an. Dieses Förderansuchen wurde von der KommAustria abgelehnt.

[4] Die Klägerin ist jeweils 100 %‑ige Eigentümerin der M* GmbH und der o* GmbH. Bei letzterer waren im Beobachtungszeitraum 2019 die sechs für die Gratiszeitung „o*“ tätigen Mitarbeiter (mit den Funktionen: 1. Chefredaktion, 2. Chef vom Dienst und Artdirektion, 3. Produktion und Schlussredaktion, 4. Produktion und aktueller Sport, 5. Redaktion Politik und Chronik und 6. Redaktion Bundesländer) angestellt. Hingegen beschäftigte die erstgenannte GmbH 67 vollzeitbeschäftigte Journalisten. Eine räumliche Trennung der Mitarbeiter am Standort Wien fand allerdings nicht statt, dort arbeiteten sämtliche Mitarbeiter, egal ob sie für „Ö*“, „o*“, den von der Klägerin betriebenen Fernsehsender oder sonstige Medienunternehmungen der Klägerin tätig waren, in einem gemeinsamen „Redaktionsroom“.

[5] Die Gratiszeitung „o*“ erschien im Jahr 2019 werktags (Monat bis Freitag), „Ö*“ wurde hingegen täglich (Montag bis Sonntag), und zwar überwiegend (zu 52,2 %) als Kaufzeitung, vertrieben. Der Vertrieb der kostenlosen Zeitung „o*“ erfolgte überwiegend über Gratisentnahmeboxen und ‑taschen sowie durch Handverteilung. Unter Hinzurechnung der Auflage der Gratiszeitung „o*“ betrug der Kaufanteil von „Ö*“ im Jahr 2019 nur 7,10 %. „Ö*“ erschien im Jahr 2019 bundesweit, „o*“ hingegen nur in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Graz.

[6] Im Jahr 2019 produzierte „Ö*“ im Coldset 21.734 Seiten, wovon 16.020 Seiten redaktionellen Inhalt hatten und 5.714 Seiten Anzeigen darstellten. Zusätzlich wurden in diesem Jahr Magazine – teils in Hochglanz – im Umfang von 22.188 Seiten veröffentlicht und in das Coldset eingelegt. Hinsichtlich dieser Magazine entfielen 2.189 Seiten auf Anzeigen und 19.999 Seiten auf redaktionellen Inhalt. „o*“ produzierte im Jahr 2019 insgesamt 8.676 Seiten, wovon 3.649 Anzeigen darstellten und 5.027 redaktionellen Inhalt hatten.

[7] Die Bundesländerausgaben der Tageszeitung „Ö*“ unterschieden sich im Jahr 2019 inhaltlich, sei es wegen regionaler, aber auch übergreifender Themen. Hintergrund war, dass die regionalen Ausgaben zu unterschiedlichen Zeitpunkten gedruckt und an die Distributoren versendet wurden. So wurde die für Tirol und Vorarlberg veröffentlichte Ausgabe wegen des langen Transportwegs bereits um 17:00 Uhr gedruckt, während die Wien-Ausgabe als letzte gedruckt wurde und damit stets die aktuellste war. Zwischen 17:30 Uhr und 23:30 Uhr wurde „Ö*“ zur Aktualisierung jeweils laufend mutiert. „o*“ ging erst nach Mitternacht in Druck.

[8] Der redaktionelle Teil der Tageszeitung „Ö*“ wurde fast zur Gänze in eigener Redaktion erstellt, überwiegend (jedenfalls zu mehr als 50 %) wurden von den Journalisten dieser Zeitung verfasste Beiträge veröffentlicht. Die in „o*“ veröffentlichten Inhalte wurden dagegen fast zur Gänze (im Ausmaß von rund 4.500 der insgesamt 5.027 Seiten) von der Zeitung „Ö*“ übernommen. Die Entscheidung, welche Inhalte übernommen wurden, trafen die Mitarbeiter von „o*“. Diese waren auch für die Aktualisierung der Inhalte verantwortlich.

[9] „o*“ finanzierte sich ausschließlich aus Werbeeinschaltungen, „Ö*“ aus dem Verkauf und den Anzeigen. Die betrieblichen Ausgaben von „Ö*“ überstiegen im Jahr 2019 die Umsatzerlöse aus dem Zeitungs- und Anzeigenvertrieb.

[10] Die Mitarbeiter der KommAustria prüften bei allen zwölf im Jahr 2020 gestellten Förderansuchen (darunter jenem der Klägerin) das Vorliegen der Fördervoraussetzungen gemäß § 2 Abs 1 und Abs 7 PresseFG. So wurde auch geprüft, wie viele der von der S*gesellschaft mbH & Co KG verlegten Tageszeitung „D*“ in Kompaktversion als „S*“ verkauft bzw gratis vergeben wurde. Die Auflagenzahl des „S*“ wurde bei der Beurteilung des Verkaufsanteils der Tageszeitung „D*“ iSd § 2 Abs 1 PresseFG miteingerechnet. Bei der „T*“, die einen sehr hohen Verkaufsanteil aufwies, fiel der im Vergleich sehr geringe Anteil der kostenlos verteilten Version „T*“ bei der Beurteilung des Verkaufsanteils der Kaufzeitung nicht ins Gewicht. Alle Förderwerber mit Ausnahme der Klägerin erhielten Mittel aus der Presseförderung zugewiesen.

[11] Die Klägerin begehrte letztlich den Betrag von 1.060.065,80 EUR sA mit dem wesentlichen Vorbringen, die KommAustria habe ihr Förderansuchen zu Unrecht abgelehnt. Beim PresseFG handle es sich um ein Selbstbindungsgesetz, weshalb einem Förderwerber bei im Kern gleichen Voraussetzungen nicht etwas verweigert werden dürfe, was anderen gewährt werde. Bei „Ö*“ und „o*“ handle es sich um jeweils eigenständige Zeitungstitel. Die in § 2 Abs 1 PresseFG genannten Fördervoraussetzungen müssten (nur) von der (jeweiligen) periodischen Druckschrift – hier also von „Ö*“ – erfüllt werden. Es sei daher verfehlt, die vertriebene Auflage von „o*“ bei der Ermittlung, ob „Ö*“ iSd § 2 Abs 1 Z 2 PresseFG überwiegend als Kaufzeitung erhältlich sei, heranzuziehen.

[12] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, bis Juni 2019 sei es völlig eindeutig gewesen, dass „Ö*“ mehrheitlich eine Gratiszeitung sei. Da „Ö*“ und „o*“ im Förderjahr 2020 (Beobachtungszeitraum 2019) aber vermeintlich getrennt gewesen seien, habe die KommAustria das Vorliegen der Fördervoraussetzungen detailliert überprüft und ihn letztlich abgelehnt, weil „Ö*“ und „o*“ zwingend zusammenzurechnen seien und daher das Kriterium des § 2 Abs 1 PresseFG, dass der Großteil der Auflage von „Ö*“ vorwiegend im freien Verkauf oder im Abonnementbezug erhältlich sei, nicht erfüllt sei. Durch § 2 Abs 7 PresseFG solle zwar primär verhindert werden, dass eine Zeitung unter mehreren Titeln um Förderung ansuche. Die konsequente Auslegung dieser Bestimmung verlange aber, dass von der Förderstelle auch solche Fälle einbezogen würden, in denen die Fördervoraussetzungen nur nach „künstlicher Trennung“ der Zeitung vorlägen. „o*“ sei eine andere Druckschrift iSd § 2 Abs 7 PresseFG, die überwiegend von derselben Redaktion gestaltet werde. Folglich seien die Auflagezahlen von „o*“ und „Ö*“ von der Förderstelle zusammenzurechnen. Auch in den Jahren vor der Trennung in „Ö*“ und „o*“ habe die Kaufausgabe von „Ö*“ eine wesentlich geringere Auflagezahl gehabt und sei inhaltlich umfangreicher gewesen als die „abgespeckte“ Gratisausgabe. Die wesentlichen Änderungen im Jahr 2020 (gemeint: im Beobachtungszeitraum 2019) seien lediglich gewesen, dass die Klägerin der Gratisausgabe von „Ö*“ nun den eigenen Titel „o*“gegeben und die Redaktionen formaljuristisch getrennt habe. Im Ergebnis werde durch diese Konstruktion versucht, den Normzweck des § 2 Abs 1 Z 2 PresseFG (Ausschluss von Gratiszeitungen) zu vereiteln. Ein direkter Leistungsanspruch der Klägerin könnte nur bei einer willkürlichen Weigerung der Förderstelle bestehen, wenn anderen in äußerlich gleicher Situation eine Förderung gewährt werde. Eine sachliche Differenzierung, wie sie hier erfolgt sei, sei aber selbstverständlich zulässig.

[13] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die Tageszeitung „Ö*“ erfülle unter Außerachtlassung der Gratiszeitung „o*“ die durch die Förderrichtlinien konkretisierten Voraussetzungen des § 2 PresseFG. „o*“ erfülle zwar als Gratiszeitung diese Fördervoraussetzungen nicht. Dies begründe allerdings keinen Versagungsgrund, weil sich weder aus dem Gesetz noch aus den Förderrichtlinien ergebe, dass die Kriterien des § 2 Abs 7 PresseFG auch im Rahmen der Beurteilung nach § 2 Abs 1 Z 2 PresseFG heranzuziehen seien. Mit der Zurechnung nach § 2 Abs 7 PresseFG solle die Doppelförderung verhindert werden, diese Bestimmung ziele aber nicht darauf ab, dass der Verleger einer an sich förderbaren Tageszeitung nur deshalb keine Förderung erhalte, weil er zusätzlich auch andere, nicht förderwürdige Produkte verlege. Es liege auch keine Umgehungskonstruktion vor. Daher sei der eingeklagte Anspruch zu bejahen, weil von einer unsachgemäßen Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu anderen Förderwerbern auszugehen sei.

[14] Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren in Stattgebung der Berufung der Beklagten ab. Auf die Gewährung einer Subvention bestehe im Allgemeinen kein Rechtsanspruch. Im Fall einer willkürlichen Verweigerung der Forderung stehe dem Benachteiligten allerdings nach der Rechtsprechung ein direkter Leistungsanspruch zu. Für „Ö*“ allein sei die in § 2 Abs 1 Z 2 PresseFG normierte allgemeine Fördervoraussetzung erfüllt. Es sei daher zu prüfen, ob „o*“ und „Ö*“ zueinander im Verhältnis des § 2 Abs 7 PresseFG stünden. Nach den Förderrichtlinien komme es auf das wirtschaftliche und journalistische Naheverhältnis zu der als Stammblatt in Frage kommenden Tageszeitung an. Dabei sei zu berücksichtigen, dass „o*“ im Jahr 2019 fast zur Gänze von „Ö*“ übernommene Inhalte veröffentlicht habe, die Mitarbeiter beider Redaktionen in einem gemeinsamen „Redaktionsroom“ säßen, beide Zeitungen unter demselben Impressum erschienen und sich inhaltlich im Wesentlichen dadurch unterschieden, dass „Ö*“ sieben statt fünf Mal pro Woche erscheine und durch das Einfügen täglich variierender Journale bzw Magazine weitere Leseinhalte zur Verfügung stelle und es auch nur in „Ö*“ Kreuzworträtsel und Extra‑Beilagen zu aktuellen Sonderthemen und Hochglanzmagazine gebe. Ausgehend davon könne von einer wirtschaftlichen und journalistischen Unabhängigkeit von „o*“ nicht gesprochen werden. Vielmehr liege es auf der Hand, dass es sich um eine reduzierte (und im Gegenzug kostenlos erhältliche) Version von „Ö*“ handle, worauf nicht zuletzt der volle Titel „o*“ hindeute. Dass der Großteil der Inhalte von „o*“ von der um das Zehnfache größeren Redaktion von „Ö*“ geschaffen worden sei, belege auch die wirtschaftliche Abhängigkeit. Es handle sich bei „o*“ daher um eine Mutation iSd § 2 Abs 7 PresseFG. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung lasse sich eine Beschränkung des Regelungsgehalts auf die Vermeidung von Doppelförderungen nicht ableiten. Im Gegenteil sprächen gewichtige systematische und teleologische Erwägungen für eine darüber hinausgehende Bedeutung der Bestimmung. Wäre es dem Gesetzgeber nur darum gegangen, die Doppelförderung hintanzuhalten, hätte es der Passage „sondern sind dem Stammblatt zuzurechnen“ nicht bedurft. Nach dem System des PresseFG sei eine Tageszeitung entweder eine „Gratiszeitung“, für die eine Förderung von vornherein ausscheide, oder sie sei es nicht; in letzterem Fall könne sie Anspruch auf einen Kopfteil an der Vertriebsförderung haben. Ausschlaggebend für die Einordnung in eine der beiden Kategorien sei der Anteil der Verkaufsexemplare. Auch das lege in Bezug auf § 2 Abs 7 PresseFG eine restriktive Auslegung nahe. Die Entscheidung der KommAustria sei daher richtig, jedenfalls aber vertretbar gewesen, weshalb der geltend gemachte direkte Leistungsanspruch jedenfalls ausscheide. Der Klägerin sei es auch nicht gelungen, eine Diskriminierung gegenüber anderen Förderungswerbern nachzuweisen. Im Übrigen komme das Verhalten der Klägerin einer Umgehung der gesetzlichen Regelungen gleich; auf eine darauf gerichtete (vom Erstgericht in seinen Feststellungen explizit verneinte) Absicht komme es nach der Rechtsprechung nicht an.

[15] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Frage, ob Presseförderung auch für Tageszeitungen gebühre, deren Mutation als Gratiszeitung vertrieben werde, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[17] 1. Die Klägerin geht zutreffend (und von der Beklagten unbestritten) davon aus, dass es sich beim PresseFG um ein Selbstbindungsgesetz handelt (vgl dazu 3 Ob 36/14m mwN). Die sogenannte „Fiskalgeltung der Grundrechte“ für Gebietskörperschaften ist allgemein anerkannt; demnach steht die öffentliche Hand auch bei privatrechtlicher Tätigkeit und gerade bei Subventionsvergaben unter weitgehenden Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes (RS0038110). Der Bund ist daher (wie auch die anderen Gebietskörperschaften) insbesondere an das aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitende Sachlichkeitsgebot (vgl RS0058455; RS0053981) gebunden. Werden daher Subventionen bei Vorliegen bestimmter typischer Voraussetzungen gewährt, darf davon nur aus besonderen, sachlichen, am Förderungszweck orientierten Gründen abgegangen werden (vgl RS0038110 [T8]). Im Fall einer willkürlichen Weigerung – wenn die Förderung eines Antragstellers abgelehnt wird, obwohl eine andere, mit ihm in äußerlich gleicher Situation befindliche Person gefördert wird – steht dem Benachteiligten ein direkter Leistungsanspruch zu (vgl RS0038110 [T3]).

[18] 2. Gemäß § 1 Abs 1 PresseFG unterstützt der Bund die österreichischen Tages‑ und Wochenzeitungen durch finanzielle Zuwendungen, um die Vielfalt der Presse in Österreich zu fördern. Um eine Förderung zu erhalten, müssen Tageszeitungen gemäß § 2 Abs 1 Z 2 PresseFG unter anderem zumindest 240mal jährlich erscheinen und der Großteil der Auflage muss in Österreich, vorwiegend im freien Verkauf oder im Abonnementbezug, erhältlich sein. Den Förderrichtlinien der Beklagten zufolge bedeutet die Formulierung „vorwiegend im freien Verkauf oder Abonnementbezug“, dass der Anteil der unentgeltlich verbreiteten Auflage an der verbreiteten Auflage jedenfalls weniger als 50 % betragen muss. Da der Anteil der unentgeltlich verbreiteten Auflage bei der Tageszeitung „Ö*“ im maßgeblichen Beobachtungszeitraum (2019) knapp unter 50 %, unter Einrechnung der Gratisausgabe „o*“ jedoch deutlich über 50 % lag, kommt es für die Beantwortung der Frage, ob der Klägerin Presseförderung zustand, entscheidend darauf an, ob die verbreitete Auflage von „o*“ mit jener von „Ö*“ zusammenzurechnen ist.

[19] 3. Gemäß § 2 Abs 7 PresseFG sind Kopfblätter, Mutationen sowie andere Druckschriften, die von demselben Verleger unter dem gleichen Namen oder unter einem nur durch eine regionale Bezeichnung abweichenden Namen herausgebracht oder überwiegend von derselben Redaktion gestaltet werden, nicht gesondert zu fördern, sondern sind dem Stammblatt zuzurechnen.

[20] 4. Ob es sich bei „o*“, wie vom Berufungsgericht angenommen und von der Klägerin bestritten, um eine Mutation von „Ö*“ handelt, muss hier nicht näher untersucht werden, weil es jedenfalls eine „andere Druckschrift“ ist, die zwar formell über eine eigenständige Redaktion verfügt, aber, weil sie nahezu gänzlich aus von „Ö*“ übernommenen Artikeln besteht, im Ergebnis „überwiegend von derselben Redaktion [nämlich jener von „Ö*“] gestaltet“ wird. Demnach ist „o*“ gemäß § 2 Abs 7 letzter Halbsatz PresseFG „dem Stammblatt [also „Ö*“] zuzurechnen“.

[21] 5. Welche rechtliche Folge diese „Zurechnung“ hat, ist dem Gesetzestext nicht unmittelbar zu entnehmen. Die Gesetzesmaterialien (292/A XXII. GP , 13) verweisen lediglich darauf, dass mit § 2 Abs 7 PresseFG sichergestellt werden soll, dass eine Zeitung nicht aufgrund bloß geringfügiger Änderungen unter mehreren Titeln um Förderung ansuchen kann. Um eine solche Doppel‑ bzw Mehrfachförderung hintanzuhalten, bedürfte es jedoch, wie das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt hat, des letzten Halbsatzes des § 2 Abs 7 PresseFG nicht. Gesetze sind so auszulegen, dass sie einen Anwendungsbereich haben (vgl RS0111143). Bei der Auslegung des § 2 Abs 7 PresseFG ist dessen letzten Halbsatz daher eine eigenständige Bedeutung zuzumessen.

[22] 6. Die KommAustria hat die im letzten Halbsatz des § 2 Abs 7 PresseFG angeordnete „Zurechnung zum Stammblatt“ so interpretiert, dass die verbreitete Auflage von „o*“ bei der iSd § 2 Abs 1 Z 2 PresseFG vorzunehmenden Beurteilung, ob „Ö*“ überwiegend als Kaufzeitung vertrieben wird, zu berücksichtigen ist. Diese – von der KommAustria im Übrigen auch hinsichtlich der zwei weiteren Förderungswerber, die ihre Tageszeitung neben der Kaufausgabe auch (teilweise) gratis abgeben, konsequent eingehaltene – Vorgangsweise war angesichts des Gesetzeswortlauts jedenfalls vertretbar und keineswegs willkürlich.

[23] 7. Versteht man § 2 Abs 7 PresseFG im soeben dargestellten Sinn, geht auch der Verweis der Klägerin auf die Vorschrift des § 2 Abs 1 PresseFG, wonach die Fördervoraussetzungen „von der [um Förderung ansuchenden] periodischen Druckschrift“ – hier also „Ö*“ – erfüllt werden müssten, ins Leere: Ist nämlich die verbreitete Auflage von „o*“ dem Stammblatt „Ö*“ zuzurechnen, also in dessen Auflage einzurechnen, dann erfüllt eben „Ö*“ die Fördervoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 2 PresseFG nicht.

[24] 8. Da der von der Klägerin geltend gemachte direkte Leistungsanspruch, wie oben ausgeführt, eine – hier aber gerade nicht vorliegende – willkürliche (unsachliche) Vorgangsweise der KommAustria voraussetzt, erweist sich die Abweisung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht schon aus diesem Grund als berechtigt, sodass sich ein Eingehen auf die weiteren anspruchsvernichtenden Einwände der Beklagten erübrigt.

[25] 9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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