OGH 4Ob225/22z

OGH4Ob225/22z28.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Dr. Roman Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 4.070 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 14. September 2022, GZ 53 R 157/22b-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 22. Juli 2022, GZ 10 C 360/21b‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00225.22Z.0228.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger erlitt beim Verlassen des vom beklagten Verein veranstalteten und vom Kläger nach dem Kauf einer Eintrittskarte besuchten Zeltfests aufgrund einer Rauferei eine Körperverletzung. Obwohl bereits Securityleute vor Ort waren, gingen der Kläger und seine Freunde zu den raufenden Personen. Der Kläger wollte einer am Boden liegenden Person helfen, wurde aber von einem Unbekannten verletzt.

[2] Die Vorinstanzen wiesen die Schadenersatz- und Feststellungsklage des Klägers mangels eines Verschuldens des beklagten Veranstalters durch das Unterbleiben zumutbarer Schutzmaßnahmen ab.

[3] Das Berufungsgericht sprach zudem aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zur Frage zulässig sei, welche Vorkehrungen bei einem Zeltfest im ländlichen Bereich getroffen werden müssen, um tätliche Auseinandersetzungen möglichst hintanzuhalten.

[4] Der Kläger beantragt mit seiner – vom Beklagten beantworteten – Revision, der Klage stattzugeben. Der Beklagte habe seine Schutz- und Sorgfaltspflicht verletzt, weil er den Bereich vor dem Zelt nicht auf einen bloßen Ausgangskorridor reduziert habe, der nicht zum Verweilen einlade, weil er keine ausreichenden Heimbringerbusse organisiert habe und weil er das Securityunternehmen nicht ausreichend instruiert habe.

Rechtliche Beurteilung

[5] Damit zeigt der Kläger jedoch keine iSv § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen auf. Die Revision ist daher, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.

[6] 1.1. Da jede Veranstaltung ein Gefährdungspotenzial enthält, muss jeder Veranstalter angemessene Vorkehrungen zum Schutz all jener Personen treffen, deren Rechtsgüter durch die Veranstaltung verletzt werden könnten. Diese Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters resultiert aus der allgemeinen Schadenersatznorm des § 1295 Abs 1 ABGB und besagt, dass derjenige, der erlaubterweise eine Gefahrenquelle schafft, im Rahmen des Zumutbaren Sorge zu tragen hat, dass niemand aus ihr einen Schaden erleidet (RS0022778).

[7] 1.2. Die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht dürfen nicht überspannt werden (RS0023487; RS0023893), soll sie keine vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (RS0023950). Sie findet ihre Grenze daher immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RS0023397). Zumutbar ist es dabei grundsätzlich, eine die Erfüllung der Sicherungspflicht gewährleistende Organisation zu schaffen und zu unterhalten, deren Fehlen ein Eigenverschulden darstellen würde (RS0038132 [T3]).

[8] 1.3. In der Rechtsprechung wurde die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters nicht nur für die von den Benützern der Veranstaltung selbst benützten Veranstaltungsflächen bejaht, sondern auch für den gefahrlosen Zugang zur und den Abgang von der Veranstaltung. Es obliegt der Verantwortung des Veranstalters, dass derjenige, der eine Veranstaltung verlässt, nicht ungewarnt in eine besondere Verkehrsgefahr gerät (vgl RS0023955 [T5]). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann aber immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden (RS0029874; RS0110202); gleiches gilt für das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt (RS0029874). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt somit immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0110202; RS0111380), sodass regelmäßig eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten ist (RS0029874).

[9] 1.4. Aus dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Veranstaltungsvertrag ergeben sich vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten des Beklagten. Er haftet aus Vertrag auch für das allfällige Fehlverhalten seiner Gehilfen gemäß § 1313a ABGB wie für eigenes Verschulden. Darüber hinaus gilt bei Vertragshaftung die Umkehr der Beweislast gemäß § 1298 ABGB. Die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB greift aber nur Platz, wenn der Geschädigte zunächst beweist, dass der Schädiger objektiv seine Pflicht nicht erfüllt hat bzw dass nach aller Erfahrung die Schadensentstehung auf ein wenigstens objektiv fehlerhaftes (vertragswidriges) Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist (RS0026290). Dem Schädiger steht dann der Entlastungsbeweis offen; er hat zu beweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat (RS0022476).

[10] 2.1. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen hat der Beklagte ein Securityunternehmen beigezogen. Dabei handelt es sich um eine übliche und taugliche Maßnahme, um der Gefahr der Verletzung von Rechtsgütern Dritter bei einem Zeltfest entgegenzuwirken. Weiters wurde festgestellt, dass die Securitymitarbeiter – die vom Beklagten unter anderem auch den Auftrag hatten, Streit zu schlichten bzw kalmierend einzuschreiten und bei gröberen Raufereien die Polizei zu verständigen – bei der Rauferei bereits vor Ort waren und dass der Kläger und seine Freunde, denen dies erkennbar war, dennoch zu den raufenden Personen gingen.

[11] 2.2. Wenn die Vorinstanzen auf Grundlage des hier vorliegenden Einzelfalls die Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten des Beklagten verneinten, so begründet dies keine (grobe) Fehlbeurteilung und steht im Einklang mit der oben zitierten Rechtsprechung. Weitergehende Sicherheitsmaßnahmen wie die vom Kläger geforderte Schaffung eines abgegrenzten Ausgangskorridors oder die Organisation eines Heimtransports für alle Gäste würden die Sorgfaltspflicht des Beklagten überspannen und wären wohl ebenfalls nicht geeignet, tätliche Auseinandersetzungen zwischen den Gästen zu verhindern. Dass es (wie vom Kläger vorgebracht) unbillig sein mag, dass der Kläger die Folgen seiner Zivilcourage selbst zu tragen hat, kann nicht dazu führen, die Haftung des Veranstalters, dem keine Verletzung von Schutzpflichten anzulasten ist, zu begründen.

[12] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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