OGH 4Ob246/22p

OGH4Ob246/22p28.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei n* GmbH, *, vertreten durch die Stolitzka Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei W* GmbH, *, vertreten durch die Singer & Kessler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. November 2022, GZ 3 R 191/22p‑13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00246.22P.0228.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurswird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Beide Parteien sind auf dem Gebiet der Schweißtechnik mit Laserverfahren tätig, das insbesondere in der Automobilindustrie Anwendung findet.

[2] Die Antragstellerin hat im November 2021 das Unternehmen der P* GmbH, über die im September 2021 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, samt Know‑How, Immaterialgüterrechten, Kundenlisten und Anlagegütern erworben, darunter eine in der BRD eingetragene Wortmarke „Plasmo“ sowie eine österreichische Wortbildmarke, Registernummer 256829, und eine mit dieser idente Unions-Wortbildmarke, Nummer 1180262:

 

 

[3] Die Antragsgegnerin wurde kurz davor, im Oktober 2021, von ehemaligen Mitarbeitern der P* GmbH gegründet und betreut deren frühere Kunden hinsichtlich der von dieser vertriebenen Technologie; etwa drei Viertel der früheren Mitarbeiter der P* GmbH arbeiten für die Antragsgegnerin.

[4] Die Antragstellerin begehrte, der Antragsgegnerin zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr in Österreich und Deutschland sowie im restlichen Gebiet der EU, dabei insbesondere in ihrem Webauftritt (auf ihrer Website, im Rahmen ihres Auftretens in sozialen Medien und in Mitteilungen und Anzeigen auf anderen Plattformen),

i. das Zeichen „plasmo“ und/oder mit diesem verwechselbar ähnliche Zeichen kennzeichenmäßig zu verwenden, dies insbesondere in der Schreibweise „plasmo©“ oder mit vergleichbaren Zusätzen, die auf einen Kennzeichenschutz hindeuten würden;

ii. mit Verweis auf die P* GmbH und/oder auf die Plasmo-Technologie eine Fortführung des gesamten Unternehmens der P* GmbH oder von Teilbereichen davon, insbesondere der Kundenbetreuung hinsichtlich der Plasmo‑Technologie, zu behaupten.

[5] Sie begründete ihren Provisorialantrag mit einer Verletzung ihrer Rechte an den genannten Marken gemäß § 10 Abs 1 Z 1 iVm §§ 51, 56 MSchG sowie mit irreführender Werbung, auch unter Verwendung der genannten Marken, iSd § 2 Abs 1 Z 6 iVm § 9 Abs 1 und § 24 UWG.

[6] Die Vorinstanzen wiesen denProvisorialantrag ab.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf.

I. Zu markenrechtlichen Ansprüchen:

[8] 1.1. Nach § 10 Abs 1 MSchG gewährt die eingetragene Marke vorbehaltlich der Wahrung älterer Rechte ihrem Inhaber das ausschließliche Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

1. ein mit der Marke gleiches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen (§ 10a MSchG), die mit denjenigen gleich sind, für die die Marke eingetragen ist;

2. ein mit der Marke gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen zu benutzen (§ 10a MSchG), wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

[9] 1.2. Eine eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber nach § 10 Abs 3 Z 3 MSchG (idF BGBl I 2018/91) aber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke zu Zwecken der Identifizierung von oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware oder einer Dienstleistung, beispielsweise als Zubehör oder Ersatzteil, erforderlich ist, und sofern dies den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht.

[10] Nach der Rechtsprechung normiert § 10 Abs 3 Z 3 MSchG eine Ausnahme vom Markenrecht und ist eng auszulegen (vgl RS0124426). Die Benutzung der geschützten Marke ist demnach insbesondere dann erforderlich, um die Bestimmung der eigenen Ware oder Dienstleistung als Zusatzfunktion zum Markenprodukt darzulegen. Die erforderliche Benutzung der fremden Marke darf zudem nicht dazu führen, dass sie als unlauter zu qualifizieren ist. Bei der Beurteilung, ob eine Angabe den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel iSd § 10 Abs 3 MSchG entspricht, kommen als Unlauterkeitskriterien vor allem Rufausbeutung, Rufschädigung, Aufmerksamkeitsausbeutung und Verwässerung oder das Vortäuschen einer vertraglichen Beziehung in Betracht (vgl 4 Ob 138/20b Rz 39, 4 Ob 131/22a Rz 14, je mwN).

[11] 1.3. Dieselben Grundsätze gelten nach Art 14 Abs 1 lit c und Abs 2 UMV für Unionsmarken (4 Ob 138/20b Rz 40).

[12] 1.4. Beweispflichtig für das Vorliegen besonderer, Unlauterkeit ausschließender Umstände iSd § 10 Abs 3 Z 3 MSchG bzw Art 14 Abs 1 lit c und Abs 2 UMV ist der Verletzer (vgl 4 Ob 138/20b Rz 51 mwN), hier somit die Antragsgegnerin.

[13] 1.5. Ob bei der gebotenen Gesamtbetrachtung Verwechslungsgefahr iSd § 10 Abs 1 MSchG anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (vgl RS0112739, RS0111880, RS0066779).

[14] 2. Die Vorinstanzen bejahten zusammengefasst zwar kennzeichenmäßigen Gebrauch der Marke dadurch, dass die Antragsgegnerin Kunden der insolventen P* GmbH betreue und sie auf ihrer Website auch deutlich zum Ausdruck bringe, dass diese Weiterbetreuung ausdrücklich gewünscht und im Hinblick auf das persönliche Know-How der früheren Mitarbeiter auch leistbar sei. Dies und der Hinweis (bloß) auf den Wortbestandteil „plasmo“ der Marke mit Zusatz © oder ® seien im konkreten Fall aber erforderlich, um die angebotene Dienstleistung – Serviceleistungen für bereits ausgelieferte Produkte der P* GmbH zu erbringen – in Werbung und Selbstdarstellung zum Ausdruck zu bringen. Es würde keine der Markenfunktionen beeinträchtigt, der Ruf der Marke werde nicht ausgebeutet; die Nutzung entspreche in einer Gesamtbetrachtung den „anständigen Gepflogenheiten“.

[15] 3. Diese Beurteilung hält sich im Einzelfall im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung. Insbesondere ist es vertretbar, dass die Verwendung der Marke ohne ihren bildlichen Teil sowie die als ausreichend klar gewertete Offenlegung, dass die Antragsgegnerin nicht Rechtsnachfolgerin der insolventen P* GmbH sei, sich nach § 10 Abs 3 Z 3 MSchG im Rahmen des notwendigen Hinweises hält, welche konkreten Leistungen sie – zulässigerweise – anbietet.

[16] 4.1. Der Revisionsrekurs zieht die gegenteilige Schlussfolgerung, wobei er insbesondere wiederholt anführt, mit der Verwendung von © oder ® gebe sich die Antragsgegnerin selbst als Kennzeicheninhaberin aus.

[17] 4.2. Richtig ist, dass ® allgemein als Hinweis auf eine registrierte Marke verstanden wird. Ein derartiger Schutzrechtshinweis richtet sich sowohl an Mitbewerber, um sie auf das Bestehen des Markenrechts aufmerksam zu machen, als auch an die potenziellen Kunden des Werbenden, sodass es für die Frage, ob ihm etwas Irreführendes entnommen werden kann, auf das Verständnis dieser beiden angesprochenen Verkehrskreise ankommt (RS0066584). Genießt aber der mit einem ® versehene Markenbestandteil Schutz gegen unbefugte Verwendung, weil er auch für sich allein unterscheidungskräftig ist und durch seine unerlaubte Verwendung die Gefahr von Verwechslungen bestünde, ist in der Verwendung von ® keine relevante Irreführung zu erblicken (vgl 4 Ob 12/94v).

[18] 4.3. Im hier zu beurteilenden Einzelfall steht aber nicht in Frage, ob der Hinweis ® als solcher allenfalls auf das Bestehen einer eingetragenen Marke überhaupt zu Unrecht hinweist, sondern ob dieser Zusatz als die Herkunftsfunktion (als Hauptfunktion der Marke – RS0118396) beeinträchtigende Behauptung eigener Rechte der Antragsgegnerin verstanden wird.

[19] Auch vor dem Hintergrund der Unterscheidungskraft schon des Wortbestandteils „plasmo“ ist es wie oben dargelegt vertretbar, dessen markenmäßige Verwendung als Hinweis auf das Objekt der von der Antragsgegnerin angebotenen Leistungen notwendig anzusehen. Mit Blick auf die vom Rekursgericht hervorgehobene Zielgruppe eines Fachpublikums in der Automobilindustrie und eine hinreichend deutliche Umschreibung der von der Antragsgegnerin beworbenen Rolle ist es auch vertretbar, die zusätzliche Verwendung von ® hier als vernachlässigbar, jedenfalls aber nicht als markenrechtlich ins Gewicht fallende Behauptung eigener kennzeichenmäßigen Rechte, als betrieblichen Herkunftshinweis oder als Suggestion einer nicht gegebenen Exklusivität der Leistung (vgl RS0066584 [T3]) anzusehen.

[20] Dies gilt vertretbar umso mehr für die – hier sachlich erkennbar unpassende – Zusatzbezeichnung ©, aus der das angesprochene Publikum noch weniger konkrete einschlägige Rechte der Antragsgegnerin ableiten wird.

[21] Die Einschätzung der Vorinstanzen, es liege hier nach dem Gesamtzusammenhang der Äußerungen keine exzessive, sondern eine durch § 10 Abs 3 Z 3 MSchG noch gerechtfertigte Markennutzung vor, bedarf daher keiner Korrektur.

II. Zu UWG-Ansprüchen:

[22] 1.1. Nach § 2 Abs 1 Z 6 UWG gilt eine Geschäftspraktik als irreführend, wenn sie unrichtige Angaben enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt derart über die Person, die Eigenschaften oder die Rechte des Unternehmers oder seines Vertreters, wie Identität und Vermögen, seine Befähigungen, sein Status, seine Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen sowie gewerbliche oder kommerzielle Eigentumsrechte oder Rechte an geistigem Eigentum oder seine Auszeichnungen und Ehrungen zu täuschen, dass jener dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

[23] 1.2. Grundlage der Prüfung beim Irreführungstatbestand ist nur der vom Kläger bzw Antragsteller behauptete konkrete Sachverhalt. Es muss der Irreführungspunkt detailliert in drei Schritten benannt werden: Welchen Eindruck gewinnt der Adressat von der Angabe, inwieweit weicht dieser Eindruck von der Wirklichkeit ab, und ist der unrichtige Eindruck geeignet, die geschäftliche Entscheidung zu beeinflussen; dieser so präzisierte Irreführungspunkt muss sich auch im Begehren widerspiegeln (RS0133172). Bei der Beurteilung darf die Werbung nicht in subtiler (spitzfindiger) Weise zergliedert werden, vielmehr entscheidet der Gesamteindruck (RS0078352 [insb T22, T24]).

[24] 1.3. Ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse im Einzelfall zur Irreführung geeignet ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (4 Ob 184/12f; RS0053112 [insb T4]).

[25] 2. Die Vorinstanzen haben die Irreführungseignung vor allem unter Hinweis darauf verneint, dass die Antragsgegnerin auf ihrer Website das Fehlen ihrer Rechtsnachfolgerschaft nach der P* GmbH ausdrücklich und ausreichend sichtbar klarstellte, und dass das Anbot ihrer Dienstleistungen mit dem Hinweis, ein neu gegründetes Unternehmen zu sein, vom hier angesprochenen hochspezialisierten und fachkundigen Publikum nach dem Gesamteindruck nicht als Unterstellung einer Rechtsnachfolge verstanden wird.

[26] 3.1. Dies hält sich vertretbar im Rahmen des den Gerichten im Einzelfall notwendig zukommenden Beurteilungsspielraums.

[27] 3.2. Die Antragstellerin wiederholt in diesem Zusammenhang im Kern ihre bereits in den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht, Irreführung iSd § 2 Abs 1 Z 6 UWG liege darin, dass die Antragsgegnerin anders als in den FAQ ihrer Website in ihrer Korrespondenz mit einer Kundin in den USA nicht klargestellt habe, dass sie nicht die Rechtsnachfolgerin der insolventen P* GmbH sei und eine Herkunftsidentität zwischen ihren Leistungen und denen der P* GmbH suggeriert habe.

[28] 3.3. Für das Vorliegen einer die Befassung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigenden erheblichen Rechtsfrage genügt es aber nicht, dass eine andere als die von den Vorinstanzen im Rahmen des ihnen bei der Beurteilung des Einzelfalls zustehenden Beurteilungsspielraums erzielte Lösung ebenfalls vertretbar wäre (vgl RS0102181 [T9]; RS0042405). Konkrete Gründe, warum die Auffassung der Vorinstanzen in einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Weise unvertretbar wären, zeigt die Revision indes nicht auf.

[29] 4. Inwieweit die Antragsgegnerin in einer Weise aufgetreten wäre, die eine Verwechslung mit Unternehmenskennzeichen der Antragstellerin iSd § 9 UWG – also deren Namen, Firma oder besonderen (Etablissement‑) Bezeichnung – mit sich gebracht hätte, erschließt sich nicht. Auch hier wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

[30] III. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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