OGH 8Ob164/22h

OGH8Ob164/22h25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart in der Rechtssache der klagenden Partei Au*, vertreten durch Dr. Renate Garantini, Rechtsanwältin in Linz, wider die beklagte Partei Al*, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen Unterhalt, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 7. September 2022, GZ 21 R 195/22h‑48, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00164.22H.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.253,88 EUR (darin 209,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile waren Eigentümer eines Einfamilienhauses, das sie während ihrer Ehe bewohnten. Der Beklagte verließ das Haus im August 2016, zahlte aber weiterhin die Kreditraten für das Haus. Die Betriebskosten wurden im Wesentlichen von der Klägerin getragen. Die Ehe wurde mittlerweile rechtskräftig geschieden, das Haus, in dem die Klägerin noch bis Juni 2021 wohnte, verkauft und der Erlös zwischen den Streitteilen aufgeteilt.

[2] Die Vorinstanzen gaben der auf Unterhalt für die Zeit ab September 2016 gerichteten Klage teilweise statt, wobei sie vom nach der Prozentsatzmethode ermittelten Geldunterhaltsanspruch der Klägerin für die Wohnversorgung 25 % jenes Betrags in Abzug brachten, der ihr als Summe aus Eigeneinkommen und errechnetem Geldunterhaltsanspruch zur Verfügung stünde. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 2 Ob 211/18w nicht den Fall betroffen habe, dass auch der Unterhaltsberechtigte zu den Kosten der Wohnversorgung beiträgt, und die zu 4 Ob 85/16b vertretene Rechtsauffassung in der Literatur kritisiert worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[4] 1. Grundsätzlich ist nach Aufhebung der ehelichen Hausgemeinschaft der gesamte angemessene Unterhalt in Geld zu leisten (RIS‑Justiz RS0009414). Hat der Unterhaltsberechtigte nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufzukommen, so bedarf er aber regelmäßig nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts, um seinen Bedarf zu decken (RS0047254). Der unterhaltsberechtigte Ehegatte muss sich deshalb jene Wohnungskosten, die er andernfalls selbst zahlen müsste, in angemessener Höhe auf seinen Geldunterhaltsanspruch anrechnen lassen (RS0119434). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung auf den fiktiven Mietwert der Wohnung abzustellen (RS0047254 [T11, T15]).

[5] 2. Eine fiktive Mietersparnis ist auch dann auf den Geldunterhalt anzurechnen, wenn der Unterhaltsschuldner nur Miteigentümer der dem Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehenden Wohnung ist (RS0121283). Das Berufungsgericht hat bereits darauf hingewiesen, dass die zu 3 Ob 164/17i und 4 Ob 85/16b gebilligte Rechtsauffassung, wonach im Fall des grundlosen Verlassens der im Miteigentum stehenden Ehewohnung nur ein Viertel des fiktiven Mietwerts anzurechnen sei, in der Literatur als verfehlt abgelehnt wurde (Deixler‑Hübner, Anm zu 2 Ob 211/18w, iFamZ 2019/196, 323). Nunmehr hat der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 211/18w festgehalten, dass auch in einem solchen Fall der halbe Mietwert anzurechnen ist, wenn der Unterhaltsberechtigte mit keinen Kosten belastet ist. Im vorliegenden Fall wurden die das Haus betreffenden Kreditraten vom Beklagten alleine beglichen. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass sie die Grundsteuer, den Rauchfangkehrer, Wasser- und Kanalgebühren sowie Stromkosten finanziert habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof bereits zu 3 Ob 35/19x ausgesprochen hat, dass die Wohnversorgung bei der Bemessung des Geldunterhalts nicht schon deshalb in geringerem Ausmaß zu berücksichtigen ist, weil der Unterhaltspflichtige nicht zusätzlich auch noch alle Wohnungsbenützungskosten trägt.

[6] 3. Die Wohnkostenersparnis ist auf den Unterhaltsanspruch aber nur so weit anzurechnen, wie der persönliche Bedarf des Unterhaltsberechtigten gedeckt ist (RS0047254 [T1]). Deshalb muss dem Unterhaltsberechtigten stets ein in Geld zu leistender Unterhalt verbleiben (RS0047254 [T14]). Jedenfalls dann, wenn sich der Geldunterhalt (rechnerisch) aufgrund der Wohnversorgung um mehr als ein Viertel mindern würde, ist zu überprüfen, ob der Restunterhalt noch zur angemessenen Deckung der Restbedürfnisse ausreicht (RS0123484 [T4]). Zumindest bei durchschnittlichen Verhältnissen lässt die Rechtsprechung eine Kürzung des Geldunterhaltsanspruchs aus dem Titel der Wohnversorgung deshalb lediglich um ein Viertel zu (4 Ob 42/10w; 6 Ob 43/12k). Gebührt dem Unterhaltsberechtigten aufgrund seines Eigeneinkommens ein Ergänzungsunterhalt, so ist dieses Viertel aus dem Eigeneinkommen und dem ungekürzten Ergänzungsunterhalt zu ermitteln (3 Ob 164/17i; 4 Ob 54/19y).

[7] 4. Die Entscheidung der Vorinstanzen, die den Geldunterhaltsanspruch der Klägerin um ein Viertel jenes Betrags gekürzt haben, der ihr als Summe aus Eigeneinkommen und errechnetem Geldunterhaltsanspruch zur Verfügung stünde, ist damit von der bisherigen Rechtsprechung gedeckt. Soweit sich damit für die Klägerin im Juni 2021 bei einem Eigeneinkommen von 174,90 EUR ein Geldunterhaltsanspruch von 662,15 EUR ergibt, ist dieser Betrag – entgegen dem Vorbringen in der Revision – auch hinreichend, um den über die Wohnversorgung hinausgehenden Lebensbedarf der Klägerin sicherzustellen. Inwieweit die vom Beklagten geleisteten Kreditrückzahlungen im Aufteilungsverfahren zu seinen Gunsten berücksichtigt wurden, ist hier für die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs ohne Bedeutung.

[8] 5. Die Revision der Klägerin war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[9] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, diente die Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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