OGH 13Os97/22x

OGH13Os97/22x18.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Kastner in der Strafsache gegen * T* und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 15. Juni 2022, GZ 607 Hv 7/20d‑94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00097.22X.0118.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Finanzstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * T* und * K* je gestützt auf „§ 259 Z 3 StPO“ (der Sache nach gemäß § 214 FinStrG, weil das FinStrG keine andere Art des Freispruchs durch die Gerichte als jenen nach § 214 FinStrG kennt, RIS‑Justiz RS0120367 [T2 und T3], sowie RS0114396 [T1], Lässig in WK2 FinStrG § 214 Rz 1) vom Vorwurf freigesprochen, sie hätten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 11 erster Fall FinStrG)

(A) eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht und der zollamtlichen Überwachung entzogen, nämlich

I) Zigaretten, und zwar

1) um den 25. Mai 2018 500.640 Stück, auf die 101.269,46 Euro an Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer entfielen,

2) um den 8. Juni 2018 500.640 Stück, auf die 101.269,46 Euro an Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer entfielen,

3) um den 5. Juli 2018 250.320 Stück, auf die 50.634,73 Euro an Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer entfielen, und

4) bis zum 13. September 2018 751.000 Stück, auf die 151.912,28 Euro an Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer entfielen, sowie

II) vom 2. März 2020 bis zum 2. September 2020 2.400 kg Rohtabak, auf den 105.831,36 Euro an Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer entfielen, weiters

(B) mit dem Vorsatz, sich oder anderen die Begehung einer in § 43 Abs 1 FinStrG mit Strafe bedrohten Handlung zu ermöglichen, Räumlichkeiten, Anlagen, Geräte und Vorrichtungen, Rohstoffe, Hilfsstoffe, Halbfabrikate oder Verpackungen, die nach ihrer besonderen Beschaffenheit dazu bestimmt sind, Tabakwaren zu erzeugen, zu bearbeiten oder zu verarbeiten, errichtet, von anderen übernommen, sich verschafft, anderen überlassen oder sonst besessen, indem sie mit 1. März 2020 ein Lager in B* anmieteten und bis zum 2. September 2020 einen Befeuchtungszylinder mit Wasseranschluss, eine Tabakschneidemaschine, einen Trocknungszylinder, eine Heizkanone, eine Absackanlage samt Waage, ein Feuchtemessgerät, einen Palettenhubwagen und die 2.400 kg Rohtabak (A II) dorthin verbrachten.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen wendet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO.

[3] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht in Bezug auf den Freispruch B die Angaben des Erstangeklagten, wonach die Mitarbeiter der D* GmbH keinen Schlüssel zu den Lagerräumen gehabt hätten, sondern vereinbart gewesen sei, dass diese jeweils von ihm selbst geöffnet werden sollten (ON 71 S 17 f), im Zusammenhang mit den (Negativ‑)Feststellungen zur inneren Tatseite keineswegs übergangen. Es hat vielmehr festgestellt, dass der Erstangeklagte selbst die Lagerräume aufsperrte und die angelieferten Kartons und Maschinen für die D* GmbH in diese verbrachte oder verbringen ließ (US 6). Dass (überhaupt) nur er einen Schlüssel für das Lager gehabt hätte, sagte der Erstangeklagte entgegen der Behauptung der Mängelrüge nach der Aktenlage gerade nicht aus. Danach legte er vielmehr offen, er wisse nicht, ob außer ihm noch jemand anderer einen Schlüssel zu dem Lager gehabt habe (ON 93 S 5).

[4] Auch Beweisergebnisse, denen zufolge die sichergestellten Maschinen nicht bloß betriebsfähig (US 6), sondern ausgepackt und aufgestellt waren und den Eindruck erweckten, es sei zumindest ein Testlauf durchgeführt worden (ON 71 S 34 f), hat das Erstgericht entgegen der Mängelrüge in seine Erwägungen einbezogen (US 6 und 9). Dass das Erstgericht aus diesen Verfahrensergebnissen andere als die von der Nichtigkeitsbeschwerde begehrten Schlüsse zog, stellt keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 dar (RIS‑Justiz RS0098400 [insbesondere T8, T11]).

[5] Die von der Mängelrüge im Zusammenhang mit einer Aussage des Zeugen W* ausgemachte Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nicht vor. Eine solche begründet nur die – insoweit nicht behauptete – unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln, deren Wertung hingegen erfolgt im Rahmen des § 258 Abs 2 StPO (RIS‑Justiz RS0099431).

[6] Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) zum Freispruch A II findet sich auf den US 8 bis 10. Nach der Beweiswürdigung des Erstgerichts war die – auch jede Verbindung zum vorgefundenen Rohtabak leugnende – Verantwortung des Erstangeklagten demnach nicht zu widerlegen.

[7] Einen nichtigkeitsrelevanten Widerspruch (Z 5 dritter Fall), der sich bloß aus dem Urteilsinhalt selbst, nicht aus dessen Vergleich mit den Verfahrensergebnissen ergeben kann (RIS‑Justiz RS0117402 [T16]), zeigt die Mängelrüge zu A I nicht auf.

[8] Soweit sie aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen andere, nämlich für den Standpunkt der Staatsanwaltschaft günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht, bekämpft sie nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[9] Auf die Geltendmachung von Feststellungsmängeln (Z 9 lit a) betreffend die subjektive Tatseite zu A ist schon mangels erfolgreicher Geltendmachung einer Mangelhaftigkeit (aus Z 5) der insoweit zur objektiven Tatseite getroffenen (Negativ‑)Feststellungen nicht näher einzugehen.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

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