European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00034.22V.1221.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die 1., 16., 28. und 29. Antragsgegner sind schuldig, den Antragstellern die mit 751,61 EUR (darin 125,27 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Mit- undWohnungseigentümer einer Liegenschaft.
[2] Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung des am 22. 4. 2020 kundgemachten Beschlusses der Eigentümergemeinschaft, wonach „die Rücklagen ab 1. 1. 2020 rückwirkend um 40 % gesenkt werden und die weiteren Maßnahmen mit einem Darlehen finanziert werden können“.
[3] Das Erstgericht erklärte diesen Beschluss für rechtsunwirksam.
[4] Bei Umlaufbeschlüssen sei – falls nicht ausnahmsweise auf andere Weise der allseitige Zugang der Abstimmungserklärungen dokumentiert sei – die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich, um die Entscheidung rechtswirksam werden zu lassen. Diese in § 24 Abs 5 WEG geregelte Bekanntgabe sei hier nicht geschehen. Der Beschluss sei in einem von den 4 Stiegenhäusern nicht aufgehängt und den Wohnungseigentümern auch nicht übersendet worden. Es könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass die „auswärtigen“ Wohnungseigentümer schon von der Abstimmung nicht ordnungsgemäß verständigt worden seien. Darüber hinaus sei der Beschlussinhalt ohnedies gesetzwidrig.
[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der 1., 16., 28. und 29. Antragsgegner nicht Folge.
[6] Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft sei wegen des Verstoßes gegen die Verständigungspflicht nach § 24 Abs 5 WEG formell mangelhaft und rechtsunwirksam. Der Beschluss sei in einem der Stiegenhäuser, das nicht zwingend über ein anderes Stiegenhaus zu erreichen sei, nicht angeschlagen worden. Das Erstgericht habe auch nicht feststellen können, dass das Ergebnis der Beschlussfassung an die Wohnungseigentümer übersendet worden sei.
[7] Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei für den Eintritt der Rechtswirksamkeit eines Umlaufbeschlusses die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich. Sei die in § 24 Abs 5 WEG angeordnete Bekanntmachung des Beschlusses ein konstitutives Beschlusserfordernis, könne es nicht darauf ankommen, ob der Verständigungsmangel für das Abstimmungsergebnis kausal gewesen sei.
[8] Das Aufgreifen von formellen Mängeln eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft liege im Interesse der Gemeinschaft. Aus diesem Grund bejahe die Judikatur das Recht eines Wohnungseigentümers, einen Beschluss auch wegen der unzureichenden Verständigung anderer Wohnungseigentümer anzufechten. Es schade deshalb nicht, dass keiner der Antragsteller sein Wohnungseigentumsobjekt in dem Haus habe, in dem der Beschluss nicht angeschlagen worden sei. Abgesehen davon fehle auch die Übersendung des Beschlusses an die Wohnungseigentümer und damit die individuelle Verständigung der Antragsteller iSd § 24 Abs 5 WEG.
[9] Schon der formelle Mangel der fehlenden Bekanntgabe des Ergebnisses führe zur Antragsstattgebung. Damit erübrige sich eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht zur Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage zur Klärung der Frage, ob überhaupt sämtlichen Mit- und Wohnungseigentümern vor der Beschlussfassung Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden sei. Den Feststellungen, die das Erstgericht dazu bisher getroffen habe, könne dies nicht eindeutig entnommen werden. Das ergänzende Vorbringen der Antragsteller, wonach der Beschluss der Eigentümergemeinschaft auch gesetzwidrig sei, sei hingegen verspätet und daher unbeachtlich.
[10] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach für den Eintritt der Rechtswirksamkeit eines Umlaufbeschlusses die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich sei, von der Lehre aus beachtlichen Gründen abgelehnt werde. Einen vergleichbaren Fall, in dem der Anschlag des Beschlusses nur in einem Stiegenhaus einer großen Wohnungseigentumsanlage unterlassen worden sei und sich die davon betroffenen Wohnungseigentümer am Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG nicht aktiv beteiligten, habe der Oberste Gerichtshof bislang nicht beurteilt.
[11] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der 1., 16., 28. und 29. Antragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragen, den angefochtenen Sachbeschluss abzuändern und den Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses abzuweisen. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
[12] Die Antragsteller beantragen in ihrerRevisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
[13] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[14] 1. Die Grundsätze der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft sind in § 24 WEG geregelt. Danach dient zur Willensbildung vornehmlich die Eigentümerversammlung, doch können Beschlüsse auch – allenfalls ergänzend zu den in einer Eigentümerversammlung abgegebenen Erklärungen – auf andere Weise, etwa auf schriftlichem Weg zustande kommen (§ 24 Abs 1 WEG). Die Willensbildung kann daher auch im Weg sogenannter Umlaufbeschlüsse erfolgen. Da die Willensbildung in Form eines Umlaufbeschlusses der Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung gleichsteht, hat sie grundsätzlich den Anforderungen des § 24 WEG zur Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung zu entsprechen (5 Ob 16/16p mwN).
[15] 2. Gemäß § 24 Abs 1 S 2 WEG kommt der Beschluss erst zustande, wenn allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde; bis dahin ist ein Wohnungseigentümer an seine Abstimmungserklärung nicht gebunden (§ 24 Abs 1 S 2 WEG; zu der dem Gesetzgeber unterlaufenen Verwechslung von Zustandekommen und Wirksamkeit des Beschlusses: 5 Ob 116/06d; 5 Ob 18/07v). Bis zu diesem Zeitpunkt seiner Bindung kann jeder Wohnungseigentümer seine Entscheidung abändern und eine bereits abgegebene Erklärung widerrufen.
[16] Das gilt auch beim schriftlichen Umlaufbeschluss; auch dieser kommt erst dann zustande, wenn auch dem letzten Wohnungseigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde (RIS-Justiz RS0108769 [T1]).
[17] Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs tritt bei einem Umlaufbeschluss die Bindung der Teilnehmer an ihre Abstimmungserklärung dabei (erst) dann ein, wenn sie allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten zugegangen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Wohnungseigentümer seine Entscheidung widerrufen. Zum Eintritt der Bindungswirkung ist demnach bei Umlaufbeschlüssen – falls nicht ausnahmsweise auf andere Weise der allseitige Zugang der Abstimmungserklärungen dokumentiert ist – die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich, um die Entscheidung rechtswirksam werden zu lassen (RS0106052).
[18] Der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses liegt dabei nicht im Belieben der Initiatoren eines Umlaufbeschlusses. Die Bekanntgabe hat vielmehr nach Ablauf einer angemessenen Äußerungsfrist und zeitnah zum Abstimmungsvorgang zu erfolgen, um eine nachträgliche Änderung des Ergebnisses des an sich abgeschlossenen Abstimmungsvorgangs durch Beeinflussung einzelner Wohnungseigentümer auszuschließen. Wird die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses ohne sachlich gerechtfertigten Grund hinausgezögert, ist der Umlaufbeschluss nicht wirksam zustande gekommen (5 Ob 191/13v; 5 Ob 16/16p; RS0123022).
[19] 3. Diese Rechtsprechung zum Eintritt der Bindungswirkung bei einem Umlaufbeschluss und dem Erfordernis der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses fand in der Literatur nur teilweise Zustimmung (Pittl, Wohnungseigentumsrecht Rz 6.40; Illedits in Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht4 § 24 WEG Rz 2; Painsi in GeKo Wohnrecht II § 24 WEG Rz 22); überwiegend stieß sie auf Kritik.
[20] Löcker führtzunächst ganz allgemein aus, dass die Wohnungseigentümer nach § 24 Abs 1 zweiter Satz WEG so lange an ihre Stimmabgabe nicht gebunden seien, als nicht allen anderen Gelegenheit zur Äußerung geboten worden sei. Daraus ergebe sich umgekehrt, dass die Bindung an die Stimmabgabe dann eintrete, sobald das nicht mehr der Fall sei, jeder Miteigentümer also angehört worden sei oder hätte angehört werden können (Löcker in Hausmann/Vonkilch WEG4 § 24 WEG Rz 44). Bei Umlaufbeschlüssen seien sämtliche Wohnungseigentümer innerhalb der einzuräumenden Überlegungs- und Äußerungsfrist an ihre allfällig bereits erfolgte Stimmabgabe nicht gebunden und könnten diese noch modifizieren. Wie immer die Überlegungsfrist aber bemessen werde, nach Ende der für den zuletzt verständigten Wohnungseigentümer geltenden Frist trete die Beschlusswirksamkeit ein. Es sei zwar richtig, dass die Bekanntmachung des Umlaufbeschlusses nicht vor diesem Zeitpunkt erfolgen könne und sie auch dessen Dokumentation diene. Dass sie oder als Alternative die sonstige Dokumentation des „allseitige[n] Zugang[s]“ der Abstimmungserklärungen aber Voraussetzung des Zustandekommens des Beschlusses oder seiner Wirksamkeit (auch von „Bindungswirkung“ ist die Rede) sei, habe im Gesetz keine Grundlage, weil es für das Zustandekommen (nur) auf die Wahrung der Gelegenheit zur Äußerung ankomme, was bei Umlaufbeschlüssen mit Ende der letzten Äußerungsmöglichkeit gegeben sei. Es sollte daher bei Umlaufbeschlüssen besser die Äußerungsfrist von jener Frist unterschieden werden, die zwischen dem Ende der letzten Äußerungsmöglichkeit und der Bekanntmachung liege (Löcker in Hausmann/Vonkilch WEG4 § 24 WEG Rz 26). Die fehlende Beschlussbekanntmachung (durch Hausanschlag) sei für sich gesehen nicht als Formmangel relevierbar. Deren Zweck sei ausschließlich die Auslösung der gesetzlichen Anfechtungsfristen, um allfälligen Beschlussmängeln die Chance zur Sanierung nach Fristablauf zu eröffnen (Löcker in Hausmann/Vonkilch WEG4 § 24 WEG Rz 63). Die Bedeutung des Hausanschlags beschränke sich also – aus Sicht des Anfechtungsrechts – in der Fristauslösung, sein Unterbleiben sei kein eigenständiger Mangel. Sei der Beschluss im Übrigen fehlerfrei, müsse die Anfechtung scheitern (Löcker, Anmerkung zu 5 Ob 116/06d, wobl 2007/69).
[21] Vonkilch (Anmerkung zu 5 Ob 118/02t, wobl 2004/39) hält das Argument des Höchstgerichts, bei Umlaufbeschlüssen setze der Eintritt der Stimmbindung (und damit die Wirksamkeit derartiger Beschlüsse) grundsätzlich die Bekanntmachung des Beschlusses voraus, für revisionsbedürftig. Richtigerweise sollte nämlich nicht in Zweifel gezogen werden, dass die Stimmbindung schon dann eintrete, wenn allen Miteigentümern entsprechende Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei, sodass auch ohne Beschlussbekanntmachung grundsätzlich wirksame Beschlüsse zustande kommen können. Der Beschlussbekanntmachung komme im Hinblick auf die Beschlusswirksamkeit ausschließlich die normative Bedeutung zu, die gesetzlichen Anfechtungsfristen in Gang zu setzen und damit allfälligen Beschlussmängeln die Chance zur Sanierung nach Ablauf dieser Fristen zu eröffnen. Bei an sich mangelfreien Beschlüssen sollte man sich demgegenüber aber davor hüten, in der Bekanntmachung eine konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechtsaktes „Beschluss" zu sehen, wie dies etwa bei der Willensbildung von Aktiengesellschaften aufgrund der zweifelsfreien Regelung des § 111 Abs 1 AktG im Hinblick auf die Niederschrift von Hauptversammlungsbeschlüssen der Fall sei. Ein derartiger Formalismus sei nämlich bei korrekter Interpretation weder dem WEG 1975 noch dem WEG 2002 zu entnehmen. Die Materialien (RV 989 BlgNR XXI. GP 62) weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Willensbildung im Wohnungseigentumsrecht im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten bewusst weniger „rechtsförmlich“ ausgestaltet worden sei.
[22] Prader (Glosse zu 5 Ob 105/07p, immolex 2008/6) hält die gesetzliche Regelung des Zustandekommens eines Beschlusses für unklar und missverständlich. Durch den Hinweis, dass ein Beschluss erst dann zustande komme, wenn allen Wohnungseigentümern die Möglichkeit zur Äußerung gegeben worden sei, werde nämlich der Eindruck vermittelt, als ob ohne solche Möglichkeit ein Beschluss nicht zustande kommen könne; auch wenn der Gesetzeswortlaut des § 24 Abs 1 WEG in diese Richtung weise, sei dies offenbar gerade nicht der Wille des Gesetzgebers. Zutreffend habe daher der Oberste Gerichtshof auch schon ausgesprochen, dass der Gesetzgeber das strikt zu trennende Zustandekommen mit der Rechtswirksamkeit vermenge. Grundsätzlich müsse auch bei Verletzung des Anhörungsrechts davon ausgegangen werden, dass ein Beschluss zustande kommen könne. Das Zustandekommen sei ja auch Voraussetzung für die Anfechtung gemäß § 24 Abs 6 WEG. Würde nun aber das Anhörungsrecht eines Wohnungseigentümers bewusst oder unbewusst verletzt, würde bei strenger – aber offenbar nicht gewollter – Auslegung des § 24 Abs 1 WEG ein Beschluss nicht zustande kommen. Die Bekanntmachung könne hingegen keine Rolle spielen.
[23] NachBriem (Erfordernisse einer rechtswirksamen Beschlussfassung auf schriftlichem Weg im WEG 2002, immolex 2010, 6 ff)findet die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs, dass ein Beschluss auf schriftlichem Weg erst zustande komme, wenn der Beschluss allen Wohnungseigentümern durch Anschlag an einer gut sichtbaren Stelle im Haus und der Übersendung des Abstimmungsergebnisses bekannt gemacht worden sei, im WEG 2002 keine Deckung. Die Bekanntmachung des Beschlusses sei weder für einen in einer Eigentümerversammlung noch für einen auf schriftlichem Weg gefassten Beschluss für das Zustandekommen des Beschlusses konstitutiv. Der Anschlag löse lediglich den einmonatigen Fristenlauf des § 24 Abs 6 WEG aus. Sollte also aus irgendeinem Grund der Anschlag im Haus unterbleiben, hindere dies lediglich das Heilen etwaiger Mängel des Beschlusses innerhalb eines Monats, sodass der Beschluss auch noch nach Ablauf der Frist des § 24 Abs 6 WEG angefochten werden könne. Das ändere aber nichts daran, dass ein Beschluss der Wohnungseigentümer zustande gekommen sei, sobald sich nach Ablauf der Beratungs- und Äußerungsfrist eine Mehrheit auf schriftlichem Weg für eine Maßnahme ausgesprochen habe. Konstitutiv für den Beschluss der Eigentümergemeinschaft sei lediglich, dass allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei und dass sich eine Mehrheit der Wohnungseigentümer für die vorgeschlagene Maßnahme ausgesprochen habe. Sofern allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei – wovon jedenfalls auszugehen sei, wenn die allen Wohnungseigentümern mittels Anschlag im Haus und Übersendung eines schriftlichen Abstimmungsformulars mitgeteilte Frist zur Stellungnahme abgelaufen sei – trete mit Ablauf der Willensbildungs- und Äußerungsfrist die Bindungswirkung der Stimmabgabe ein. Die Mitteilung des Beschlusses an sämtliche Wohnungseigentümer als konstitutiv anzusehen, sei eine im WEG 2002 keine Grundlage findende und nicht zu rechtfertigende Andersbehandlung von Beschlüssen in Eigentümerversammlungen und Beschlüssen auf schriftlichem Weg. Denn bei Beschlüssen in Eigentümerversammlungen sei unstrittig, dass der Beschluss der Wohnungseigentümer bereits in der Eigentümerversammlung nach Beratung und Abstimmung zustande komme, sofern sich eine Mehrheit für die vorgeschlagene Maßnahme ausspreche und sämtlichen Wohnungseigentümern gemäß § 25 Abs 2 WEG Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei. Die in § 24 Abs 5 WEG vorgeschriebene schriftliche Mitteilung des Beschlusses an sämtliche Wohnungseigentümer (in concreto der Anschlag an einer für alle Wohnungseigentümer deutlich sichtbaren Stelle des Hauses und die Übersendung) löse lediglich die Anfechtungsfrist des § 24 Abs 6 WEG aus und ermögliche somit das Heilen etwaiger Mängel der Beschlussfassung nach Ablauf eines Monats nach dem Anschlag. Unterbleibe diese Mitteilung, liege jedoch dennoch ein (wenn auch weiterhin anfechtbarer) Beschluss der Eigentümerversammlung vor. Ein konstitutives, im WEG 2002 keine Deckung findendes Beschlusserfordernis „Mitteilung des auf schriftlichem Weg gefassten Beschlusses an sämtliche Wohnungseigentümer“ baue zum einen eine unnötig hohe formalistische Hürde für das Zustandekommen eines Beschlusses auf schriftlichem Weg auf und führe zum anderen zu einer hohen Rechtsunsicherheit in der Praxis. Wenn auch nur einem Wohnungseigentümer das Abstimmungsergebnis nicht mitgeteilt worden sei, wären bis zu diesem Zeitpunkt sämtliche anderen Wohnungseigentümer an ihre Stimmabgabe nicht gebunden. Diese aus dem deutschen Gesellschaftsrecht abgeleitete, im WEG 2002 keine Deckung findende Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs führe in der Praxis dazu, dass sich die Mehrheitsverhältnisse nach Ablauf der für die schriftliche Stimmabgabe festgesetzten Beratungs- und Äußerungfrist jederzeit noch verschieben könnten („Abbröckeln der Mehrheit“). Diese Rechtsansicht habe weiters den Nachteil, dass es keinen für sämtliche Wohnungseigentümer klar ersichtlichen und einheitlichen Beschlussfassungszeitraum gebe.
[24] Würth/Zingher/Kovanyi (Miet- und Wohnrecht II23 § 24 WEG Rz 13) meinen – mit Löcker, Vonkilch, Prader und Briem –, ein derartiges konstitutives Beschlusserfordernis lasse sich dem WEG nicht entnehmen, die fehlende Bekanntgabe verhindere lediglich den Beginn des Fristenlaufs des § 24 Abs 6 WEG, den Eintritt der Bindung – Wahrung der Äußerungsrechte vorausgesetzt – vermöge eine unterlassene Bekanntgabe nicht zu hindern. Die Lösung des Obersten Gerichtshofs biete allerdings den Vorteil, aus dem Hinauszögern der Bekanntgabe des Abstimmungsverfahrens (zwecks Herbeiführung der Änderung des Abstimmungsverhaltens einzelner Wohnungseigentümer) auf die Unwirksamkeit der Beschlussfassung schließen zu können.
[25] Auch Terlitza (Glosse zu 1 Ob 136/18h, wobl 2020/39) hält die Rechtsprechung, dass ein Umlaufbeschluss erst Rechtswirksamkeit erlange, wenn das Abstimmungsergebnis den Wohnungseigentümern in der dafür vorgesehenen Weise (§ 24 Abs 5 WEG 2002) bekannt gemacht werde, weil die Wohnungseigentümer bis zu diesem Zeitpunkt nicht an ihre bereits abgegebene Erklärung gebunden wären und sie ihre Entscheidung daher widerrufen könnten, für überprüfungsbedürftig. Es seien vor allem zwei Argumente, die in der Rechtsprechung für die Auffassung, dass die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses konstitutive Voraussetzung des Wirksamwerdens eines Umlaufbeschlusses wäre, bemüht würden. Zum einen werde darauf abgestellt, dass es des Zugangs der jeweiligen (Abstimmungs‑)Erklärungen an alle anderen Mitglieder der Gemeinschaft bedürfe. Und zum anderen werde – wohl im Licht des in § 24 Abs 1 S 2 WEG 2002 verbrieften Rechts auf Gehör (bzw Äußerungsrechts) – die Bedeutung der wechselseitigen argumentativen Beeinflussung der Wohnungseigentümer betont, weshalb auch bei einer Abstimmung im Umlaufweg „Meinungsäußerung und Abstimmungsverhalten“ nicht „endgültig zusammenfallen“ dürften. Beide Argumente überzeugtennicht. An der These der Zugangsbedürftigkeit treffe zu, dass die Stimmabgabe im Zug einer Beschlussfassung eine Willenserklärung sei und dass deren Rechtswirksamkeit daher nach den allgemeinen Regeln wie auch im Wohnungseigentum den Zugang an den Erklärungsempfänger zur Voraussetzung habe. Sie irre aber, soweit sie den maßgeblichen Erklärungsempfänger in den übrigen Wohnungseigentümern sehe. Erklärungsempfänger sei vielmehr derjenige, der zur Stimmabgabe, zur Willenserklärung auffordere, der also die Beschlussfassung über einen von ihm zur Abstimmung gebrachten Beschlussgegenstand initiiere und in dessen Händen auch die Stimmenzählung zur Ermittlung des Abstimmungsergebnisses liege. Dies werde in vielen Fällen der Verwalter, könne jedoch auch einer der Wohnungseigentümer sein. Die Nagelprobe liefere der vom Gesetzgeber präferierte und daher deutlich präziser geregelte Fall einer Willensbildung im Rahmen der Eigentümerversammlung (§ 25 WEG 2002). Sei die Eigentümerversammlung iSd § 25 Abs 2 WEG 2002 ordnungsgemäß einberufen worden – und (so) auch das Recht auf Gehör aller gewahrt –, bestehe kein Zweifel daran, dass ein wie angekündigt zur Abstimmung gebrachter Beschluss schon dann zustande komme, wenn der Beschlussgegenstand in der Versammlung die Zustimmung der Anteilsmehrheit findet; und dies ganz unabhängig davon, ob auch alle Wohnungseigentümer der Versammlung beigewohnt hätten. Käme es auf den Zugang der Abstimmungserklärungen an die einzelnen Wohnungseigentümer an, würde auch der in Abwesenheit nur eines einzigen Teilhabers im Rahmen der Eigentümerversammlung gefasste Beschluss erst mit der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses wirksam werden können. Wie bei Willenserklärungen im Allgemeinen ziehe auch die Stimmabgabe im Rahmen einer Beschlussfassung die Bindung des Erklärenden nach sich. Diese trete grundsätzlich – wie sonst auch – mit dem Zugang an den Erklärungsempfänger ein. Wer seine Stimme im Zug eines wohnungseigentumsrechtlichen Willensbildungsvorgangs abgebe, sei daher an seine Erklärung genauso gebunden wie der Offerent an das von ihm abgegebene Angebot oder, noch passender, der Oblat an die von ihm erklärte Annahme und könne diese nicht widerrufen.
[26] Dieses allgemeine rechtsgeschäftliche Prinzip finde für die Beschlussfassung im Wohnungseigentum allerdings eine markante Durchbrechung: Solange das Recht auf Gehör als tragender Pfeiler kollektiver Willensbildung nicht durchgängig gewahrt sei, stehe dieser Umstand dem Wirksamwerden eines Beschlusses nach § 24 Abs 1 S 2 WEG 2002 (zumindest bis zu einer möglichen Heilung mangels Anfechtung) entgegen und trete ausnahmsweise noch keine Stimmbindung ein. Daraus folge jedoch im Umkehrschluss: Werde dem Beteiligungs- und Äußerungsrecht sämtlicher Teilhaber im Zug des Willensbildungsvorgangs Rechnung getragen, seien alle Wohnungseigentümer an ihre abgegebenen Stimmen gebunden. Ein Widerruf stehe den Erklärenden einzig im Fall einer Verletzung des Rechts auf Gehör (§ 24 Abs 1 S 2 WEG 2002) offen. Das skizzierte Zusammenspiel von Regel (Bindung) und Ausnahme (keine Bindung, solange dem Recht auf Gehör nicht entsprochen ist) gelte für eine Beschlussfassung im Rahmen einer Eigentümerversammlung gleichermaßen wie für eine Beschlussfassung im Umlaufweg. Für die Beschlussfassung im Rahmen der Eigentümerversammlung habe der Gesetzgeber insbesondere mit sehr präzisen Vorgaben zur Einberufung der Versammlung (§ 25 Abs 2 WEG) dafür Sorge getragen, dass das Recht auf Gehör in aller Regel die nötige Beachtung finde. Ähnlich konkrete Anhaltspunkte für die Willensbildung mittels Umlaufbeschlusses fänden sich zwar nicht im Gesetz, auch hier sei das Recht auf Gehör aber unzweifelhaft gewahrt, wenn der eigentlichen Willensbildung eine dem Beschlussgegenstand angemessene, ausreichende Frist zur Meinungsbildung unter den Gemeinschaftern vorausgehe. Lasse § 25 Abs 2 WEG eine Frist von zwei Wochen selbst für die Einberufung einer Eigentümerversammlung – mit womöglich mehreren Beschlussgegenständen – zureichen, müsse ein solcher Zeitraum zur Vorbereitung der Willensbildung jedenfalls auch für alle anderen Formen der Beschlussfassung genügen. Abhängig vom Einzelfall mögen selbst kürzere Fristen angemessen sein. Ab dem Zeitpunkt, zu welchem dem letzten Wohnungseigentümer die Information über die beabsichtigte Beschlussfassung zugekommen und ihm ausreichend Zeit zur Meinungsbildung und Diskussion mit den übrigen Teilhabern gegeben worden sei, sei dem Recht auf Gehör Genüge getan. Ab diesem Zeitpunkt zähle auch beim Umlaufbeschluss jede Stimme unwiderruflich: Wer nun seine Erklärung abgebe oder bereits abgegeben habe, sei an diese gebunden. Finde sich die erforderliche Mehrheit, sei der Beschluss zustande gekommen. Die Regeln des § 24 Abs 5 WEG über die erforderliche Bekanntgabe gefasster Beschlüsse – sie setzten im Übrigen denknotwendig voraus, dass ein solcher Beschluss bereits vorliege – sollten zwar tatsächlich dafür sorgen, dass sämtliche Wohnungseigentümer vom Ergebnis der Willensbildung Kenntnis erlangen. Diese Kenntnis sei jedoch nicht konstitutives Element des Beschlusses selbst, sondern Voraussetzung und, was den Hausanschlag angehe, Fristauslöser für die Bekämpfung des gefassten Beschlusses. Ziehe man schließlich noch die höchst unerfreulichen praktischen Konsequenzen der Verknüpfung von Bekanntgabe und Wirksamkeit eines Umlaufbeschlusses in Betracht, die von allseitiger Unsicherheit über das Zustandekommen des Beschlusses, der ständigen Gefahr des „Abbröckelns der Mehrheit“ und dem allgegenwärtigen Wettlauf zwischen der Bekanntgabe des Ergebnisses und dem drohenden Widerruf von Abstimmungserklärungen geprägt sei, bleibe zu hoffen, dass das Höchstgericht seine Auffassung zum Wirksamwerden von Umlaufbeschlüssen doch noch überdenke.
4. Dazu hat der erkennende Senat erwogen:
[27] Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Eintritt der Bindungswirkung bei einem Umlaufbeschluss knüpft diese Bindung daran, dass die Abstimmungserklärung der Wohnungseigentümer allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten zugegangen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Wohnungseigentümer seine Entscheidung widerrufen. Zum Eintritt der Bindungswirkung ist bei Umlaufbeschlüssen demnach die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich, es sei denn, der allseitige Zugang der Abstimmungserklärungen ist ausnahmsweise auf andere Weise dokumentiert (5 Ob 118/02t; 5 Ob 116/06d; 5 Ob 18/07v; 5 Ob 231/09w; 5 Ob 4/10i; 5 Ob 191/13v; 5 Ob 16/16p; RS0106052 [T4, T8]).
[28] Diese von der Rechtsprechung geforderte Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses wird zwar in aller Regel in einer der im § 24 Abs 5 WEG vorgesehenen Formen, also durch Hausanschlag oder schriftlich durch Übersendung erfolgen. Eine kumulative Kundmachung, wie sie § 24 Abs 5 WEG vorsieht, ist nach dieser ständigen Rechtsprechung für den die Bindungswirkung auslösenden Zugang des Abstimmungsergebnisses aber nicht erforderlich. Insoweit ist die in der Entscheidung 1 Ob 136/18h verwendete, diese Rechtsprechung referierende Formulierung, die Bindung der Teilnehmer an ihre Erklärung trete erst ein, wenn sie allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten „im Sinn der besonderen Kundmachungsnorm des § 24 Abs 5 WEG“ zugegangen ist, missverständlich (vgl auch RS0106052 [T12]; 5 Ob 64/00y). Ein Umlaufbeschluss erlangt also nicht erst dann Wirksamkeit, wenn das Abstimmungsergebnis den Wohnungseigentümern in der im § 24 Abs 5 WEG dafür vorgesehenen Weise – also kumulativ – bekannt gemacht wurde (zu diesem (Miss‑)Verständnis vgl Briem, Erfordernisse einer rechtswirksamen Beschlussfassung auf schriftlichem Weg im WEG 2002, immolex 2010, 6 [7]; Terlitza, Glosse zu 1 Ob 136/18h, wobl 2020/39 [114]).
[29] Bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses auch kein eigenes, konstitutives und abstraktes Beschlusserfordernis und das Abstellen darauf ist kein im wohnungseigentumsrechtlichen Willensbildungsverfahren zu vermeidender Formalismus. Dieses Erfordernis ist vielmehr die Konsequenz dessen, dass es das Anhörungsrecht aller Wohnungseigentümer auch bei der Beschlussfassung im Umlaufverfahren in vollem Umfang zu wahren gilt.
[30] Schon in seiner Leitentscheidung 5 Ob 2306/96w, die die kritisierte Rechtsprechungslinie begründete, wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, dass die Besonderheit einer im Umlaufverfahren durchgeführten Abstimmung darin bestehe, dass Beratung – wenn sie überhaupt gegeben sei– und Abstimmung ineinander verwoben seien, anders, als dies bei einer Eigentümerversammlung der Fall wäre, bei welcher zunächst beraten und dann abgestimmt werde. Bei einer Eigentümerversammlung könnte selbstverständlich ein Wohnungseigentümer während der Beratung – eventuell von den später vorgebrachten Argumenten der anderen bewogen – seine Meinung ändern und dies vor der förmlichen Abstimmung zum Ausdruck bringen. Darin bestehe ja gerade das Wesen einer der Meinungsbildung und Beschlussfassung dienenden Eigentümerversammlung. Diese Möglichkeit der gegenseitigen Beeinflussung der Wohnungseigentümer dürfe nicht dadurch ausgeschaltet sein, dass bei einer Abstimmung im Umlaufweg Meinungsäußerung und Abstimmungsverhalten endgültig zusammenfielen. Sollen die Rechte der Wohnungseigentümer bei im Umlaufweg vorgenommenen Meinungsbildung und Abstimmung (im dort beurteilten Fall Zirkularbeschluss durch „Unterschriftensammeln“) gegenüber den ihnen bei einer Eigentümerversammlung zustehenden Möglichkeiten nicht beschränkt werden, so müsse den Miteigentümern, die sich zunächst für den ihnen unterbreiteten Vorschlag entschieden hätten, jedenfalls bis zur Beendigung des Abstimmungsvorgangs die Änderung ihres Stimmverhaltens möglich sein. Andernfalls würde nämlich eine auf gegenseitigem Meinungsaustausch beruhende Änderung der zunächst gegebenen Überzeugung unmöglich gemacht und eine sofortige Bindung des Unterschreibenden an seine einmal geäußerte Ansicht bewirkt. Entscheidende Bedeutung komme daher dem Zeitpunkt der Beendigung des Abstimmungsvorgangs zu. Während dieser Zeitpunkt bei Abstimmungen im Rahmen einer Eigentümerversammlung, bei der eben die Abstimmenden gleichzeitig anwesend seien, im allgemeinen ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne, bedürfe die Festlegung des Zeitpunkts der Beendigung des Abstimmungsvorgangs bei einem Zirkularbeschluss, bei dem die Stimmen nach und nach abgegeben und möglicherweise auch wieder geändert werden, näherer Überlegungen: Wegen der aus der Verschränkung von Beratungs- und Abstimmungsvorgang sich ergebenden Problematik wäre es nicht sachgerecht, die Festlegung der Beendigung der Abstimmung und damit der Feststellung eines wirksamen Beschlusses dem alleinigen Verhalten des Initiators des Abstimmungsvorgangs in der Weise zu überlassen, dass der Initiator unmittelbar nach Zugang der (seiner Ansicht nach) die Mehrheit bildenden Unterschrift die Abstimmung für beendet und das Ergebnis für verbindlich erkläre. Der Senat halte vielmehr die von Faistenberger/Barta/Call, Kommentar zum WEG, § 14 Note 32 unter Hinweis auf deutsche Literatur vertretene Meinung der Lösung dieses Problems für sachgerecht, wonach die Bindung an das Abstimmungsverhalten nicht vor dem Zugang desselben an alle anderen Mitglieder der Gemeinschaft eintrete.
[31] Diese Erwägungen haben – auch wenn man die weitere auf das deutsche Gesellschaftsrecht beruhende Argumentation in 5 Ob 2306/96w (vgl dazu Vonkilch, Anmerkung zu 5 Ob 118/02t, wobl 2004/39) außer Betracht lässt – nach wie vor ihre Berechtigung. So betonte der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 136/18h neuerlich, dass in einer Eigentümerversammlung – anders als bei Beschlussfassung im Umlaufweg – vor der Abstimmung eine Beratung vorgesehen sei. Die Möglichkeit der gegenseitigen argumentativen Beeinflussung der Miteigentümer solle aber nicht dadurch ausgeschaltet sein, dass bei einer Abstimmung im Umlaufweg Meinungsäußerung und Abstimmungsverhalten endgültig zusammenfallen.
[32] Die mit Blick auf das Anhörungsrecht der Wohnungseigentümer zu konstatierenden Unterschiede bei der Meinungsbildung und Abstimmung rechtfertigen die in der Lehre (Briem, Erfordernisse einer rechtswirksamen Beschlussfassung auf schriftlichem Weg im WEG 2002, immolex 2010, 6 [7]; Terlitza, Glosse zu 1 Ob 136/18h, wobl 2020/39 [114f]) kritisierte Ungleichbehandlung des Umlaufbeschlusses gegenüber der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung nicht nur, sie machen diese vielmehr notwendig. Die Bindung erst nach Zugang des Abstimmungsergebnisses soll gewährleisten, dass die Wohnungseigentümer ihre Entscheidung letztlich auf Basis allen zur Verfügung stehenden, also auch der sich aus einer späteren Äußerung eines Wohnungseigentümers ergebenden, Informationen treffen. Das Abstellen auf den Zugang der Abstimmungserklärungen ist kein Verkennen des Erklärungsempfängers im rechtsgeschäftlichen Sinn (vgl Terlitza, Glosse zu 1 Ob 136/18h, wobl 2020/39 [114]), sondern Ausfluss des nach dem Gesetz zu gewährenden Anhörungsrechts. Die „Gelegenheit zur Äußerung“ (iSd § 24 Abs 1 S 2 WEG) umfasst eben nicht nur die Möglichkeit zur eigentlichen Stimmabgabe, sondern auch jene zur Werbung für den eigenen Standpunkt (RS0108769 [T10]). Dem sämtlichen Wohnungseigentümern im Zug des Willensbildungsvorgangs zu gewährenden Beteiligungs- und Äußerungsrecht, eine Forderung, die auch die zitierte Lehre nicht in Frage stellt, wird daher nur dann Rechnung getragen, wenn ihnen diese Möglichkeit bis zur Beendigung des Abstimmungsvorgangs offen steht. Zwar mag bei einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren idealerweise die Dauer der Äußerungsfrist durch einen Endtermin definiert werden. Nach Rechtsprechung und Lehre setzt eine ordnungsgemäße (= rechtswirksame) Beschlussfassung aber nicht voraus, dass auf diese Weise das Ende des Diskussionsprozesses im Verfahren über die Beschlussfassung im Umlauf bestimmt oder zumindest bestimmbar festgelegt wird (5 Ob 191/13v = RS0129492; RS0124152 [T3]; Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht I23 § 24 WEG Rz 12; Löcker in Hausmann/Vonkilch WEG4 § 24 WEG Rz 26).
[33] 5. Der erkennende Senat hält daher trotz der inder Literatur geäußerten Kritik an den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen fest.
[34] Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde das Abstimmungsergebnis mehreren Wohnungseigentümern nicht bekannt gegeben; weder durch Hausanschlag, noch durch schriftliche Übersendung oder auf andere Weise. Der angefochtene Beschluss ist damit im Sinn dieser Rechtsprechung nicht wirksam zustande gekommen. Im Fall des Nachholens dieser Bekanntgabe stünde derWirksamkeit der angefochtenen Beschlussfassung im Übrigen wohl die unzulässige Verzögerung der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses entgegen (vgl 5 Ob 231/09w; RS0123022).
[35] 6. Der zur Anfechtung berechtigte Wohnungseigentümer muss von einem (Form‑)Mangel nicht persönlich betroffen sein. Daher können überstimmte Wohnungseigentümer – wie die Antragsteller hier – geltend machen, dass andere Wohnungseigentümer mangelhaft angehört wurden (5 Ob 315/03i; Löcker in Hausmann/Vonkilch WEG4 § 24 WEG Rz 69). Die Beschlussanfechtung muss sich also nicht auf eigene Informationsdefizite stützen, es können auch solche anderer Wohnungseigentümer herangezogen werden (RS0118846 [T1]).
[36] 7. Es trifft zwar zu, dass das Zustandekommen eines Beschlusses an sich denknotwendige Voraussetzung für dessen Anfechtung gemäß § 24 Abs 6 WEG ist (Prader, Glosse zu 5 Ob 105/07p, immolex 2008/6; vgl auch Terlitza, Glosse zu 1 Ob 136/18h, wobl 2020/39 [115]). In einer Konstellation wie der vorliegenden bestehen aber im Hinblick auf die anzustrebendeRechtssicherheit keine Bedenken gegen die Vorgangsweise der Vorinstanzen, im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG iVm § 24 Abs 6 WEG zur Klarstellung der Rechtslage die Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses auszusprechen.Dem Revisionsrekurs kommt demnach keine Berechtigung zu.
[37] 8. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Es entspricht der Billigkeit, den im Revisionsrekursverfahren obsiegenden Antragstellern Kostenersatz zuzuerkennen.
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