European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00175.22X.1220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die seit fünf Jahren in einem Kinderdorf bzw einer betreuten Wohngemeinschaft in Kärnten lebenden Minderjährigen befanden sich zunächst in der Obsorge des Kinder- und Jugendhilfeträgers Land Steiermark. Seit Oktober 2021 wird die Obsorge vom Land Kärnten, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt-Land, ausgeübt. Eine Halbschwester der drei Minderjährigen befindet sich in der Obsorge des Landes Steiermark.
[2] Die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt-Land als Kinder- und Jugendhilfeträger beantragte die Rückübertragung der Obsorge hinsichtlich der drei Minderjährigen an das Land Steiermark (BH Deutschlandsberg), um eine Aufsplitterung der Zuständigkeit des Kinder- und Jugendhilfeträgers für die Geschwister auf verschiedene Bezirksverwaltungsbehörden zu verhindern.
[3] Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab, das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Eine gesetzliche Grundlage für eine Rückübertragung der Obsorge an den ersten Jugendwohlfahrtsträger bestehe nicht. Es sei vielmehr die Bestellung desjenigen Jugendwohlfahrtsträgers zweckmäßig, in dessen Sprengel die Minderjährigen ihren ständigen Aufenthalt haben. Außerdem spreche die Erziehungskontinuität gegen einen neuerlichen Wechsel.
[4] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt-Land als Kinder- und Jugendhilfeträger mit dem Antrag, die Obsorge an das Land Steiermark zu übertragen.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
[6] 1. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, wem die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist immer eine solche des Einzelfalls, der in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden kann. Dies gilt auch für die Frage, ob die Übertragung der Obsorge im konkreten Fall Zweckmäßigkeitskriterien entspricht (vgl RS0007101 [T9]).
[7] 2.1. Im Regelfall ist die Bestellung desjenigen Jugendwohlfahrtsträgers zweckmäßig, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen ständigen Aufenthalt hat; im Einzelfall kann jedoch aufgrund besonderer Umstände bei einem Wechsel des ständigen Aufenthalts des Minderjährigen in den Sprengel eines anderen Jugendwohlfahrtsträgers die Aufrechterhaltung der Zuständigkeit des bisher mit der Obsorge betrauten Jugendwohlfahrtsträgers im Kindeswohl gelegen sein (1 Ob 119/03m).
[8] 2.2. Hier liegen keine derartigen besonderen Umstände vor. Vielmehr befinden sich die drei Minderjährigen seit fünf Jahren in Betreuungseinrichtungen in Kärnten und zuletzt wurde auch die Obsorge an dieses Land übertragen. Der Grundsatz der Erziehungskontinuität (vgl RS0132056) spricht daher für die Beibehaltung der bisherigen Obsorgeregelung.
[9] Die Vorinstanzen haben daher vertretbar den Antrag auf (neuerlichen) Wechsel der Obsorge hinsichtlich der drei Minderjährigen abgewiesen. Der Umstand, dass sich ihre Halbschwester, obwohl ebenfalls ständig in Kärnten aufhältig, in der Obsorge des Landes Steiermark befindet, mag allenfalls in deren Obsorgeverfahren aufgegriffen werden, kann aber nichts an der Zweckmäßigkeit der Obsorgeregelung hinsichtlich der hier betroffenen Minderjährigen ändern.
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