OGH 7Ob175/22v

OGH7Ob175/22v13.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes K*, geboren am *, in Unterhaltssachen vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe – Rechtsvertretung Bezirke 16–19, Kalvarienberggasse 29, 1170 Wien, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ des Vaters Dr. P*, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, Anwaltssocietät in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Juli 2022, GZ 42 R 138/22p‑24, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00175.22V.1213.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht setzte für die Zeit vom 1. 1. 2020 bis zum 30. 4. 2021 eine monatliche Unterhaltsleistung von 548 EUR fest; ab 1. 5. 2021 bis auf Weiteres setzte es eine monatliche Unterhaltsleistung von 704 EUR fest (Spruchpunkt 1.). Im Spruchpunkt 2. sprach es aus, dass die gemäß § 382a EO erlassene Einstweilige Verfügung mit Rechtskraft des Beschlusses außer Kraft tritt.

[2] Den Antrag des Minderjährigen, den Vater darüber hinaus für die Zeit vom 1. 8. 2020 bis 31. 7. 2021 zur Zahlung der Hälftekosten für den Kindergarten/die American International School in Höhe von monatlich 1.142 EUR, ab 1. 8. 2021 in Höhe von monatlich 786 EUR, als Sonderbedarf zu verpflichten, wies es im Spruchpunkt 3. ab.

[3] Der Minderjährigestrebte mit seinem Rekurs ausschließlich gegen Spruchpunkt 3. die Zuerkennung des gesamten Sonderbedarfs an.

[4] Das Rekursgerichtgab dem Rekurs des Minderjährigen Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung im Spruchpunkt 3. ab. Es erkannte den Vater für schuldig, die Hälftekosten für den Kindergarten/die American International School von 1.142 EUR monatlich vom 1. 8. 2020 bis 31. 7. 2021 und von 786 EUR monatlich ab 1. 8. 2021 zu zahlen, die bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses fälligen Beträge binnen 14 Tagen und die künftig fällig werdenden jeweils am Ersten eines jeden Monats im Voraus.

[5] Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Das dagegen vom Vater erhobene, als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.

[7] 1. Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs).

[8] 2. Im Unterhaltsbemessungsverfahren ist der Entscheidungsgegenstand nach ständiger Rechtsprechung rein vermögensrechtlicher Natur und besteht ausschließlich in einem Geldbetrag. Maßgeblich ist gemäß § 58 Abs 1 JN der 36-fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war, wobei regelmäßig auf den laufenden Unterhalt abzustellen ist (RS0122735; 2 Ob 152/22z). Zusätzlich begehrte, bereits fällige Ansprüche sind nicht zusätzlich neben diesem dreifachen Jahresbetrag zu bewerten (RS0114353; 1 Ob 3/22f). Werden Sonderbedarfszahlungen in Form eines wiederkehrenden Monatsbetrags begehrt, ergibt sich der Wert des Entscheidungsgegenstands insoweit ebenfalls aus § 58 Abs 1 JN (9 Ob 95/06w, 2 Ob 224/08t zu Schul- und Internatsgeld). Der Wert des Entscheidungsgegenstands beträgt daher im vorliegenden Fall 28.296 EUR (= 36 * 786).

[9] 3. Übersteigt der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht und hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt, ist nach § 62 Abs 3 AußStrG der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen – mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbindenden – Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).

[10] 4. Da die maßgebliche Wertgrenze nicht überschritten wird, kommt dem Obersten Gerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium keine Entscheidungskompetenz zu. Das Erstgericht wird zu beurteilen haben, ob es die Eingabe des Vaters als eine (mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene) Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht (§ 63 AußStrG) oder aber als verbesserungsbedürftig ansieht (RS0109505).

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