OGH 9Ob95/06w

OGH9Ob95/06w27.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Michael W*****, geboren am 27. Jänner 1990, vertreten durch die Mutter Maria W*****, diese vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs des Vaters Michael S*****, vertreten durch Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 30. Juni 2006, GZ 20 R 68/06z-282, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 10. Februar 2006, GZ 1 P 2028/95f-270, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

A) Der Revisionsrekurs wird - soweit er sich gegen den aufhebenden

Teil der Rekursentscheidung richtet - zurückgewiesen. B) Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Am 23. 6. 2003 beantragte der Minderjährige unter Hinweis auf Aufwendungen für seine Asthmaerkrankung, den Vater ab 1. 1. 1995 zur Zahlung eines monatlichen Betrags von EUR 436,03 an Sonderbedarfsleistung zu verpflichten. In eventu beantragte er, den Vater zur anteiligen Deckung der ab 1. 1. 1995 für diese Krankheit auflaufenden Kosten zur Zahlung von EUR 38.373,08 zu verpflichten. Im Laufe des weiteren Verfahrens beantragte der Minderjährige schließlich, den Vater zur Zahlung EUR 3.321,50 zur Abdeckung von Sonderbedarf für eine kieferorthopädische Behandlung, den Ankauf eines Notebooks und einen Sprachaufenthalt zu verpflichten. Mit Beschluss vom 10. 2. 2006 verpflichtete das Erstgericht den Vater zu 1 a) beginnend mit 1. 1. 1995 zur Zahlung von monatlich EUR 40,-

an Sonderbedarf betreffend die Erkrankung des Minderjährigen und zu 1 b) zur Zahlung eines einmaligen Betrags von EUR 2.772,- als Ersatz der halben Kosten der kieferorthopädischen Behandlung für die Zeit vom 10. 12. 2003 bis zum 9. 12. 2006 sowie als Ersatz der halben Kosten der Anschaffung eines Notebooks.

Das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Minderjährigen wurde abgewiesen.

Das von beiden Seiten angerufene Rekursgericht gab beiden Rekursen teilweise Folge.

In seinem Punkt 1 a) (hinsichtlich der Periode ab 1. 3. 2004), in seinem Punkt 1 b) und in seinem Punkt 2 (hinsichtlich der Periode ab 1. 3. 2004) sowie in der Abweisung von weiterem Sonderbedarf hob es den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. In seinen Punkten 1 a) und 2 - soweit sie die Periode vom 1. 1. 1995 bis zum 31. 12. 1999 betreffen - änderte es den erstgerichtlichen Beschluss im Sinne der Verpflichtung des Vaters zu monatlichen Sonderbedarfszahlungen von EUR 100,- (betreffend die Erkrankung des Minderjährigen) ab. Die darüber hinaus gestellten Anträge des Kindes für die Periode vom 1. 1. 1995 bis zum 31. 12. 1999 wies es ab. In Stattgebung des Rekurses des Vaters wurde schließlich der angefochtene Beschluss in seinen Punkten 1 a) und 2. betreffend die Periode vom 1. 1. 2000 bis zum 29. 2. 2004 im Sinne der Abweisung des Antrags auf Gewährung von Sonderbedarf abgeändert.

Ausgehend von der Annahme, dass der Entscheidungsgegenstand EUR 20.000,- übersteigt, sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich der „außerordentliche" Revisionsrekurs des Vaters, und zwar

1) gegen die Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses für die Periode vom 1. 1. 1995 bis zum 31. 12. 1999 in seinen Punkten 1 a) und 2,

2) gegen die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses in seinen Punkten 1 a), 1 b) und 2, und

3) dagegen, dass das Rekursgericht für den Zeitraum vom 29. 2. 2004 „über den von mir auch bekämpften Zuspruch in Punkt 1 b) des erstinstanzlichen Beschlusses von EUR 2.772 nicht mit Abweisung vorgeht".

A) Soweit sich der Revisionsrekurs gegen den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung wendet - dies betrifft auch die zu Punkt 3) der Anfechtungserklärung erklärte Anfechtung -, ist er als absolut unzulässig zurückzuweisen.

Nach § 64 AußStrG ist ein Beschluss, mit dem das Rekursgericht einen Beschluss des Gerichtes erster Instanz aufgehoben und diesem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs zulässig ist. Unterbleibt - wie hier - ein solcher Ausspruch, ist daher jegliches Rechtsmittel jedenfalls unzulässig (Fucik/Kloiber, AußStrG, § 64 Rz 1 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung zur insoweit vergleichbaren früheren Rechtslage).

B) Im Übrigen muss der vom Erstgericht unmittelbar dem Obersten

Gerichtshof vorgelegte Akt aus folgenden Überlegungen an das Erstgericht zurückgestellt werden.

Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 20.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen - binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts - beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht (Zulassungsvorstellung) stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; die Zulassungsvorstellung, die mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs - entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts - für zulässig erachtet wird.

Im Gegensatz zur Meinung der zweiten Instanz übersteigt hier der Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, nicht 20.000

EUR:

Bei Ansprüchen auf den gesetzlichen Unterhalt bedarf es keines Bewertungsausspruchs durch das Gericht zweiter Instanz. Dies gilt auch für die hier begehrten Sonderbedarfszahlungen; werden sie - wie hier mit dem Hauptantrag vom 23. 6. 2003 - in Form eines wiederkehrenden Monatsbetrags begehrt, ist der Wert des Entscheidungsgegenstands gemäß § 58 Abs 1 JN mit dem Dreifachen der Jahresleistung vorgegeben. Für den Hauptantrag vom 23. 6. 2003 ergibt sich daher ein Entscheidungsgegenstand von EUR 15.697,08. Der Eventualantrag vom 23. 6. 2003 auf Festsetzung einer (höheren) Einmalzahlung war (zu Recht) nicht Gegenstand der Entscheidung, weil der Hauptantrag teilweise erfolgreich war bzw teilweise noch nicht endgültig entschieden ist. Unter Einschluss des Antrags vom 5. 5. 2004 auf Zuspruch von EUR 3.321,50 errechnet sich daher der Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, mit EUR 19.018,58. Der Entscheidungsgegenstand liegt daher unter EUR 20.000,-.

Demnach war das Rechtsmittel jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 63 AußStrG Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch gemäß § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz sofort vorzulegen (§ 69 Abs 3 AußStrG). Dies gilt auch, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches" Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist (1 Ob 133/99m ua). Das Erstgericht wird somit den Revisionsrekurs des Vaters dem Rekursgericht vorzulegen haben. Ob die darin enthaltenen Ausführungen zur Zulässigkeit des Rechtsmittels den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entsprechen oder ob es einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (1 Ob 206/99x; 4 Ob 268/99a; zuletzt 6 Ob 67/06f).

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