OGH 14Os99/22y

OGH14Os99/22y6.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M., den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Lonin in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 und 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Mai 2022, GZ 63 Hv 10/22h‑90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00099.22Y.1206.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch des * A* wegen je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (II/A) und (iVm § 12 dritter Fall StGB) nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB (II/F) sowie der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 3 SMG (II/B) und nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 und 3 SMG (II/C) in Bezug auf eine in L* betriebene Cannabisplantage enthält, wurde der Genannte gemäß § 259 Z 3 StPO von der weiters wider ihn erhobenen Anklage (ON 65) freigesprochen, er habe

I/ in W*, indem er den Betrieb einer Cannabisplantage in den Räumlichkeiten in * W* unter Anleitung des * C* organisierte und durch entsprechende Aufforderungen Nachgenannte zur Ausführung strafbarer Handlungen bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), und zwar

A/ als Mitglied einer zumindest aus ihm, den rechtskräftig verurteilten R* M*, * D*, L* M*, G* L* und V* L* sowie dem abgesondert verfolgten C* bestehendenkriminellen Vereinigung, die genannten verurteilten Vereinigungsmitglieder dazu, dass diese im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) vorschriftswidrig

1/ von einem noch festzustellenden Zeitpunkt im September 2020 (L* M* und G* L* von einem noch festzustellenden Zeitpunkt um den 6. Dezember 2020) bis zum 10. Dezember 2020 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer das 15‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift anbauten, indem sie insgesamt 1.354 Cannabisstecklinge zur Gewinnung von Cannabiskraut mit Reinsubstanzen von etwa 3.315 Gramm THCA und 249 Gramm Delta‑9‑THC (rund 95,3 Grenzmengen) aufzogen, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass das gewonnene Suchtgift in Verkehr gesetzt werde,

2/ von einem noch festzustellenden Zeitpunkt um den 6. Dezember 2020 bis zum 10. Dezember 2020 Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugten, indem sie von den Cannabispflanzen der Plantage 76.575 Gramm Cannabiskraut mit Reinsubstanzen von zumindest 4.898 Gramm THCA und 373,3 Gramm Delta-9-THC (rund 141,1 Grenzmengen) ernteten, und

3/ gemeinsam mit C* Suchtgift in einer das 15-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich das zu I/A/2 beschriebene Cannabiskraut, besaßen, indem sie es in den Räumlichkeiten der Plantage lagerten, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass das Suchtgift in Verkehr gesetzt werde, sowie

B/ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz R* M*, D*, L* M*, G* L* und V* L* dazu, dass diese von einem noch festzustellenden Zeitpunkt bis zum 10. Dezember 2020 aus einer Anlage, die der Zuführung von Energie dient, Energie in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert entzogen, indem sie mittels Mauerdurchbruch die Stromzuleitung zum Wohnhaus in * W* freilegten und in der Folge Strom im Wert von 41.425,93 Euro abzweigten.

Rechtliche Beurteilung

[2] Gegen den Freispruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.

[3] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Angaben des Zeugen * T* vor der Kriminalpolizei (ON 32 S 21 ff) in ihrer Gesamtheit berücksichtigt (US 16 ff). Zu einem Eingehen auf jedes Aussagedetail war es zufolge des Gebots zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO, RIS‑Justiz RS0106642) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778 und RS0106295).

[4] Selbiges gilt für die als übergangen relevierten Text- und Sprachnachrichten zwischen C* und * H* (ON 53 S 331, 333 f, 363 iVm ON 72 S 8), die die Tatrichter ebenfalls ins Kalkül zogen (US 17 f). Dass sie aus diesen Verfahrensergebnissen nicht die von der Staatsanwaltschaft gewünschten Schlüsse zogen, stellt den Nichtigkeitsgrund nicht her (RIS‑Justiz RS0099455 [T9], RS0098471 [T5, T7]).

[5] Seine Überzeugung, dass in Bezug auf die Cannabisplantage in * W* im Zweifel „alle Indizien“ nicht ausreichten, „die Schuld des A* [...] feststellen zu können“ (US 18), gründete das Erstgericht – willkürfrei – auf umfangreiche Erwägungen zu sämtlichen erheblichen Beweisergebnissen (insbesondere die Angaben des Zeugen T*, den Inhalt diverser Chatnachrichten und das Tätigkeitsfeld des A* im Rahmen der vom Schuldspruch umfassten Cannabisplantage in L*) sowie den Umstand, dass die Zeugen R* M*, D*, L* M*, G* L* und V* L* den Angeklagten sowie C* (in ihren polizeilichen Vernehmungen) „nicht belasteten, sondern die beiden entlasteten“ und die Vernehmung dieser Zeugen in der Hauptverhandlung „auch keine Belastung des A*“ erbracht habe (US 16 f).

[6] Indem die Rüge die Glaubwürdigkeit dieser Angaben in Frage stellt und – unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit der Beurteilung deren Überzeugungskraft (RIS‑Justiz RS0119422) – das Unterbleiben einer Erörterung von Verfahrensergebnissen rügt, aus denen sich nach ihrem Standpunkt ergeben soll, dass die genannten Zeugen von C* zu „Gefälligkeitsaussagen“ verhalten worden seien, lässt sie offen, inwieferne aus der Unglaubwürdigkeit – gar nicht konkret genannter – entlastender Depositionen oder der weiters ins Treffen geführten Weigerung der Zeugen R* M* und V* L*, „Fragen zur Cannabisplantage zu beantworten“, Rückschlüsse auf eine Täterschaft des Angeklagten gezogen werden könnten. Solcherart bezieht sie sich nicht auf entscheidende Tatsachen, sondern wendet sich bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[7] Der relevierte Widerspruch zwischen in der Beweiswürdigung angeführten Erwägungen (Z 5 dritter Fall) liegt nicht vor. Denn das Beschwerdevorbringen, die Urteilspassagen, wonach (zusammengefasst) die leugnende Verantwortung des Angeklagten nicht habe widerlegt werden können und ein Schuldspruch in Bezug auf die Cannabisplantage in * W* im Zweifel nicht zu begründen sei (US 15 ff) und jene, wonach die (im Urteil angeführten) Textnachrichten zwischen H* und dem Angeklagten „denklogisch keinen anderen Schluss“ zuließen, und „ansonsten keinerlei Sinn ergeben“ würden, „als dass der Angeklagte A* sich entgegen seiner leugnenden Verantwortung als Täter bei der Cannabisplantage in * W* […] beteiligte“ (US 16), würden einander ausschließen, übersieht, dass es sich bei letzteren – im Konjunktiv formulierten – Textteilen unverkennbar (bloß) um eine Wiedergabe der Argumentation der Staatsanwaltschaft handelt, die die Tatrichter mit hinreichender Deutlichkeit für nicht überzeugend erachteten (vgl US 15 f).

[8] Indem die Rüge die Negativfeststellungen zur Täterschaft des A* unter Hervorhebung einzelner Elemente der erstgerichtlichen Argumentationskette (betreffend Inhalt und Zweck von Chatnachrichten zwischen C* und H* [US 18]) als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert, entzieht sie sich mangels Orientierung an der Gesamtheit der dargelegten Entscheidungsgründe einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0119370, RS0099507).

[9] Da die (mit Mängelrüge erfolglos bekämpften) Negativfeststellungen den Freispruch tragen und damit einer erfolgreichen Urteilsanfechtung entgegenstehen, erübrigt sich eine Erörterung der (Feststellungsmängel zu weiteren Tatbestandsvoraussetzungen geltend machenden) Rechtsrüge (Z 9 lit a, vgl RIS‑Justiz RS0127315).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[11] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[12] Eine Kostenentscheidung hat gemäß § 390a Abs 1 erster Satz zweiter Halbsatz StPO zu unterbleiben.

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