OGH 3Ob118/22g

OGH3Ob118/22g29.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Verfallssache zu AZ 12 Hv 18/19i des Landesgerichts Klagenfurt wegen Verwertung der für verfallen erklärten Liegenschaft, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 19. Mai 2022, GZ 1 R 65/22m‑10, womit der Rekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 3. März 2020, GZ 7 E 18/20f‑3, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00118.22G.0929.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurswird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 27. November 2019 wurde W* E* unter anderem wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels und der Vorbereitung des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 29. Jänner 2020 wurde eine von ihm im Februar 2019 um 190.000 EUR angekaufte Liegenschaft gemäß § 20 StGB für verfallen erklärt.

[2] Nach Rechtskraft dieses Urteils ersuchte das Landesgericht Klagenfurt das Erstgericht mit „Auftrag“ vom 17. Februar 2020, die für verfallen erklärte Liegenschaft nach den Bestimmungen der EO zu versteigern und den Erlös an den Rechnungsführer des Landesgerichts Klagenfurt als Verfallsbetrag zu überweisen.

[3] Das Erstgericht wies diesen Auftrag ab. Für die Verwertung der für verfallen erklärten Liegenschaft sei gemäß § 408 StPO die Republik Österreich, vertreten durch die Einbringungsstelle, zuständig. Diese werde aufgrund des Urteils vom 29. Jänner 2020 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft zu beantragen haben. Das Landesgericht Klagenfurt sei nicht berechtigt, dem Erstgericht einen Auftrag zur Verwertung nach der EO zu erteilen. Die Abweisung des Verwertungsantrags wurde im Grundbuch angemerkt.

[4] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Einschreiterin zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Das vorliegende Verfahren betreffe entgegen den Ausführungen des Erstgerichts und der Rekurswerberin nicht die im Rechtsmittelweg zu klärende Frage, ob das Erstgericht berechtigt gewesen sei, die Versteigerung der Liegenschaft abzulehnen. Vielmehr sei Gegenstand ein Rechtshilfeersuchen bzw Ersuchen um Amtshilfe des Landesgerichts Klagenfurt. Die Amtshilfe habe bloß internen Charakter, sie tangiere die Rechtssphäre der Parteien nicht unmittelbar. Weder die Verfahrensparteien noch das ersuchende Organ hätten ein subjektives Recht darauf, dass Amtshilfe geleistet werde. Das ersuchende Organ sei daher auch nicht Partei in einem Verfahren zur Erlangung der Amtshilfe. Daraus folge, dass Ersuchen um Amtshilfe, deren Entsprechung und auch deren Ablehnung keine normativen Akte, insbesondere keine Beschlüsse bzw Bescheide darstellten. Die Erledigung oder Verweigerung der Amtshilfe habe daher auch nicht in Beschlussform zu ergehen. Streitigkeiten zwischen ersuchendem und ersuchtem Gericht über die Ausübung der Rechtshilfe entscheide vielmehr der beiden Gerichten zunächst übergeordnete Gerichtshof.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Einschreiterin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

[6] 1.1. Gemäß § 20 Abs 1 StGB hat das (Straf‑)Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Das Eigentum an den für verfallen erklärten Gegenständen geht mit Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über (vgl RS0128305; Fuchs/Tipold in Höpfel/Ratz, WK StGB2 § 20 StGB Rz 2).

[7] 1.2. Ist (ua) der Verfall von Vermögenswerten oder Gegenständen ausgesprochen und befinden sich diese nicht bereits in gerichtlicher Verwahrung, so ist der Verurteilte oder der Haftungsbeteiligte gemäß § 408 Abs 1 StPO vom Gericht schriftlich aufzufordern, sie binnen 14 Tagen zu erlegen oder dem Gericht die Verfügungsmacht zu übertragen, widrigenfalls zwangsweise vorgegangen werden würde. Kommt der Verfügungsberechtigte dieser Aufforderung nicht nach, so ist die Einbringungsstelle um die Einleitung der Exekution zu ersuchen. Gemäß § 408 Abs 2 StPO sind für verfallen erklärte Gegenstände, soweit sie nicht in wissenschaftlicher oder geschichtlicher Beziehung oder für eine Lehr-, Versuchs-, Forschungs- oder sonstige Fachtätigkeit von Interesse sind und auch nicht zur Deckung des Sachaufwands der Justiz unmittelbar herangezogen werden können, auf die in § 377 StPO angeordnete Weise zu veräußern.

[8] 1.3. Gemäß § 377 StPO hat das Gericht, wenn das fremde Gut von solcher Beschaffenheit ist, dass es sich ohne Gefahr des Verderbens oder eines sonstigen raschen Wertverlusts nicht durch ein Jahr aufbewahren lässt, oder wenn die Aufbewahrung mit Kosten verbunden wäre, die Veräußerung des Gutes durch öffentliche Versteigerung, bei sinngemäßem Vorliegen der in § 280 EO bezeichneten Voraussetzungen aber auf die dort vorgesehene Weise einzuleiten. In den Fällen des § 268 EO ist auch ein Freihandverkauf zulässig. Der Kaufpreis ist beim Strafgericht zu erlegen.

[9] 1.4. „Das Gericht“ iSd § 377 StPO ist das Strafgericht, das den Verfall ausgesprochen hat, hier also das Landesgericht Klagenfurt.

[10] 2.1. Da das Eigentum an dem für verfallen erklärten Gegenstand, konkret also der Liegenschaft, bereits mit Rechtskraft der Verfallsentscheidung auf die Republik Österreich übergegangen ist, handelt es sich bei der vom Strafgericht einzuleitenden Versteigerung nicht um eine Zwangsversteigerung iSd §§ 133 ff EO. Vielmehr ähnelt diese Veräußerung ihrem Wesen nach eher der kridamäßigen Versteigerung einer Liegenschaft des Schuldners (§ 119 IO) oder auch der Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft (§ 352 EO).

[11] 2.2. Im Unterschied zu den beiden genannten Bestimmungen enthält aber die StPO (insbesondere in ihrem § 377) keine näheren Regelungen über den Ablauf der Versteigerung, also weder einen expliziten Verweis auf die sinngemäße Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Zwangsversteigerung noch irgendwelche davon abweichende Sonderregelungen, wie etwa dahin, wem (allenfalls) die Stellung eines betreibenden Gläubigers zukommt oder wer die Versteigerung zu beschließen hat (vgl dazu etwa § 119 Abs 1 und Abs 2 Z 1 IO). Dies verwundert auch nicht, weil es im Fall der Verwertung einer für verfallen erklärten Sache ja – anders als bei einer kridamäßigen Verwertung – keine „Beteiligten“ (neben der Republik Österreich als Eigentümerin) gibt, denen eine Antragslegitimation zuerkannt werden könnte.

[12] 2.3. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass das Strafgericht gemäß § 377 iVm § 408 StPO von Amts wegen für die Versteigerung des für verfallen erklärten Gegenstands – bei dem es sich oftmals nicht um eine Liegenschaft, sondern um eine bewegliche Sache handeln wird – zu sorgen hat, ohne dass das Gesetz ein bestimmtes Prozedere für die Durchführung dieser Versteigerung (im Fall einer Liegenschaft etwa in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der EO über die Zwangsversteigerung) festlegt.

[13] 3. Vor diesem Hintergrund hat das Rekursgericht die Vorgangsweise des Strafgerichts, das Erstgericht als jenes Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich die für verfallen erklärte Liegenschaft befindet, um deren Versteigerung nach den Bestimmungen der EO zu ersuchen, zutreffend als (bloßes) Ersuchen um Rechtshilfe gewertet.

[14] 4. Der Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens kommt ungeachtet des Umstands, dass diese Entscheidung in Beschlussform ergangen ist, nicht die Qualität einer gerichtlichen Entscheidung zu, die im Rechtsmittelweg bekämpfbar wäre (vgl RS0122053). Dass das Erstgericht die Anmerkung der Abweisung des Gesuchs um Zwangsversteigerung im Grundbuch veranlasst hat, ist entgegen der Ansicht der Einschreiterin ohne Relevanz, weil diese Anmerkung gemäß § 101 GBG nach Rechtskraft der Abweisung von Amts wegen zu löschen ist.

[15] 5. Wird dem Rechtshilfeersuchen eines inländischen Gerichts nicht oder nicht vollständig entsprochen oder entstehen sonstige Meinungsverschiedenheiten, ist gemäß § 37 Abs 6 erster Halbsatz JN die Vorschrift des § 40 JN sinngemäß anzuwenden. Zur Entscheidung ist gemäß § 37 Abs 6 zweiter Halbsatz JN das beiden Gerichten übergeordnete Gericht – hier also das Oberlandesgericht Graz – berufen. Aus dem sinngemäß anzuwendenden § 40 JN ergibt sich, dass nur das ersuchende Gericht berechtigt ist, um Entscheidung des Rechtshilfestreits zu ersuchen. Eine andere Abhilfe als die Anrufung des übergeordneten Gerichts nach § 37 Abs 6 (iVm § 40) JN sieht das Gesetz für den Fall, dass einem Rechtshilfeersuchen nicht oder nicht vollständig entsprochen wird (oder sonstige Meinungsverschiedenheiten entstehen), nicht vor (8 Nc 40/21f mwN = RS0133820).

[16] 6. Das Rekursgericht hat den Rekurs der Einschreiterin daher zu Recht zurückgewiesen, sodass der Revisionsrekurs erfolglos bleiben muss.

[17] Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil die Einschreiterin keine Kosten verzeichnet hat.

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