OGH 14Os88/22f

OGH14Os88/22f27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * M* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten * C* und * F* sowie die Berufungen dieser Angeklagten, des Angeklagten M* und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. März 2022, GZ 66 Hv 55/21x‑272, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00088.22F.0927.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten C* und F* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier relevant – * C* (zu A/V und [iVm § 12 zweiter Fall StGB] B/II) und * F* (zu A/IV) jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, Ersterer überdies des Verbrechens (ersichtlich gemeint) der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 und 3 SMG (B/III) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in W* und an anderen Orten jeweils als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die aus den fünf Angeklagten bestand,

A/ anderen vorschriftswidrig Suchtgift überlassen, und zwar

IV/ F* in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich

1/ im März 2021 * S* 13.040,99 Gramm Opium (Reinsubstanz 719,86 Gramm Morphin und 173,45 Gramm Codein);

2/ im März (a) und im Mai (b) 2021 * L* insgesamt 350 Gramm Opium (Reinsubstanz 17,5 Gramm Morphin und 3,5 Gramm Codein);

V/ C* im Herbst 2020 L* 350 Gramm Opium (Reinsubstanz 17,5 Gramm Morphin und 3,5 Gramm Codein);

B/ C* andere zu folgenden strafbaren Handlungen bestimmt, und zwar

II/ Anfang März 2021 S* dazu, am 11. März 2021 * M* vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 10.050,97 Gramm Opium (Reinsubstanz 554,81 Gramm Morphin und 133,68 Gramm Codein), zu überlassen, indem er ihn dazu aufforderte;

III/ Anfang März 2021 mit Inverkehrsetzungsvorsatz S* dazu, am 11. März 2021 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich (weitere) 2.965 Gramm Opium (Reinsubstanz 157 Gramm Morphin und 40 Gramm Codein), zu besitzen, indem er diesem auftrug, das Suchtgift in einer Wohnung für den anschließenden Weiterverkauf zu verwahren.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen von den Angeklagten C* aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a, sowie F* aus Z 4, 5, 5a und 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht im Recht.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C*:

[4] Der von der Mängelrüge erhobene Einwand, die zu B/II getroffene Feststellung (US 11 f) sei aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall), übersieht, dass dieser Nichtigkeitsgrund bloß durch die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln, nicht durch deren – nach Ansicht des Beschwerdeführers unrichtige – Wertung im Urteil hergestellt wird (RIS-Justiz RS0099431). Soweit das dazu erstattete Vorbringen kritisiert, der vom Erstgericht begründend ins Treffen geführten Aussage des Mitangeklagten S* (US 15, 17 und 19) sei dessen Bestimmung durch den Beschwerdeführer nicht zu entnehmen (der Sache nach Z 5 vierter Fall), vermag es nicht darzulegen, dass der vom Erstgericht aus diesen Angaben (unter anderem zur dominierenden Rolle des Beschwerdeführers in der kriminellen Vereinigung) gezogene Schluss auf die inkriminierte Bestimmungshandlung gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungswerte verstieße (vgl RIS-Justiz RS0118317).

[5] Entgegen der weiteren Mängelrüge begegnet die Ableitung der (zu B/III getroffenen) Feststellung zu einem auf das Überschreiten der 15-fachen Grenzmenge bezogenen Vorsatz des Beschwerdeführers (US 12) „aus dem äußeren Tatgeschehen“ (US 22) auch bei einem – von der Beschwerde betonten nur geringfügigen Übersteigen der Qualifikationsgrenze – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken und ist daher nicht offenbar unzureichend (RIS-Justiz RS0116882).

[6] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) „aus anwaltlicher Vorsicht“ im Wesentlichen das zu B/II erstattete Vorbringen der Mängelrüge wiederholt, vernachlässigt sie den wesensmäßigen Unterschied der Nichtigkeitsgründe (RIS‑Justiz RS0115902).

[7] Im Übrigen wird die Tatsachenrüge mit dem bloßen Argument eines Fehlens aktenkundiger Beweisergebnisse als Grundlage der kritisierten Feststellungen nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0128874).

[8] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt mit der zu A/V geäußerten Kritik fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RIS-Justiz RS0099810), der die entsprechenden Sachverhaltsannahmen in zu allen Teilen des Schuldspruchs formulierten Passagen enthält (US 9 und 13 f).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten F*:

[9] Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert schon daran, dass sie Fundstellen zu den von ihr angesprochenen Vorgängen in der Hauptverhandlung trotz umfangreichen Aktenmaterials nicht bezeichnet (RIS‑Justiz RS0124172).

[10] Im Übrigen bezieht sich die Kritik an den räumlichen Verhältnissen im Verhandlungssaal und der für den Verteidiger des Beschwerdeführers angeblich ungünstigen Sitzordnung nicht auf ein gegen dessen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis (RIS‑Justiz RS0099250).

[11] Gleiches gilt für die Einwände, es seien mehrere Fragen des Verteidigers zu einem hinsichtlich des Beschwerdeführers nicht angeklagten Vorfall nicht zugelassen worden (vgl § 249 Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0117391 [T2 und T3]), sowie dem Begehren des Beschwerdeführers auf Zurverfügungstellung der Daten aus der kriminalpolizeilichen Auswertung seines Mobiltelefons sei zwar entsprochen worden, ohne gesonderte Programme seien diese jedoch „nur teilweise einsehbar“ gewesen. Neuerliche Antragstellung auf (vollständige) Effektuierung im Sinn des vom Beschwerdeführer Verlangten behauptet die Rüge nicht (vgl RIS-Justiz RS0117404).

[12] Nichtigkeitsrelevanz des Unterbleibens der zeugenschaftlichen Vernehmung des Dienstgebers des Beschwerdeführers lässt schon das Rechtsmittelvorbringen nicht erkennen (vgl im Übrigen zur Relevanz des Antragsvorbringens RIS-Justiz RS0099618).

[13] Der zu A/IV/1 geäußerte Einwand der Mängelrüge, die „Frage, wann der Mitangeklagte S* die von ihm weiterverkaufte Ware“ beim Beschwerdeführer abgeholt habe, sei „nur unzureichend beantwortet“ (der Sache nach Z 5 vierter Fall), spricht keine (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage oder die Strafbefugnisgrenze) entscheidende Tatsache an und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0117499, RS0098557).

[14] Die Kritik, es sei unberücksichtigt geblieben, dass der Beschwerdeführer die Auswertung seines Mobiltelefons beantragt habe, nennt kein vom Erstgericht unerörtert gelassenes Verfahrensergebnis, was Voraussetzung ersichtlich relevierter Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wäre (RIS-Justiz RS0098646).

[15] Die Behauptung eines Widerspruchs zwischen „der Begründung des angefochtenen Urteils und der Einvernahme des Mitbeschuldigten“ S* zeigt keinen Mangel im Sinn der Z 5 auf, sondern kritisiert– wie der Großteil der übrigen Mängelrüge, die sich insoweit einer inhaltlichen Erwiderung entzieht – lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung (vgl RIS-Justiz RS0117402 [T1]). Dies gilt insbesondere auch für die geäußerten Bedenken an der erstgerichtlichen Annahme zweimaliger Anreise dieses Mitangeklagten von I* zu dem Zweck, das inkriminierte Suchtgift innerhalb W* von einem Ort zu anderen zu bringen (US 12 iVm US 18).

[16] Die Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite findet sich – von der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) übergangen (RIS‑Justiz RS0119370) – auf US 22.

[17] Im Hinblick auf den Verweis der Tatsachenrüge (Z 5a) auf das Vorbringen der Mängelrüge gilt das zum entsprechenden Vorgehen des Mitangeklagten Gesagte (erneut RIS‑Justiz RS0115902).

[18] Der zu A/IV/2 vorgetragene Einwand, der Zeuge L* habe den Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung nicht wiedererkannt, bezieht sich – angesichts der Feststellungen zu dessen Agieren im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit (US 9 und 13 f) – nicht auf eine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0127374) und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt des Nichtigkeitsgrundes der Z 5a (RIS-Justiz RS0118780). Zudem unterlässt auch dieses Vorbringen die Bezeichnung der konkreten Fundstelle im umfangreichen Akt (erneut RIS‑Justiz RS0124172).

[19] Inwieweit unterbliebene Erörterung der Aussagen von Mitangeklagten zu einer nicht angeklagten Beteiligung des Beschwerdeführers an einer strafbaren Handlung einen Rechtsfehler bewirke, macht die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht klar.

[20] Die weitere Kritik, „das einmalige Lagern von Ware“ rechtfertige nicht die Annahme der Subsumtion nach Abs 2 Z 2 des § 28a SMG, entfernt sich prozessordnungswidrig vom Urteilssachverhalt (RIS-Justiz RS0099810), nach welchem dem Beschwerdeführer das mehrmalige Überlassen von Suchtgift zur Last liegt (US 12 f). Im Übrigen wird nicht methodengerecht aus der genannten Bestimmung abgeleitet (RIS-Justiz RS0116565), weshalb durch die Begehung einer Straftat (als Mitglied einer kriminellen Vereinigung) – unter den sonstigen Voraussetzungen – die genannte Qualifikation nicht verwirklicht werde (vgl RIS-Justiz RS0125249).

[21] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[22] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[23] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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