OGH 4Ob94/22k

OGH4Ob94/22k23.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Gottfried Thiery, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. J* GmbH, *, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. K* Z*, vertreten durch Dr. Andreas Nödl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 158.000 EUR), über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2022, GZ 2 R 158/21a‑105, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00094.22K.0923.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts wendet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen, und im Übrigen gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht hat die Erstbeklagte schuldig erkannt, es im geschäftlichen Verkehr mit Wein‑ und Trinkgläsern zu unterlassen,

(e.) Wein‑ und/oder Trinkgläser mit einer irreführenden alten Unternehmenstradition, insbesondere mit dem Hinweis auf ein Gründungsdatum im 19. Jhdt. oder durch Zusatz „Gründung 1842“ oder durch Zusatz „est 1842“ oder mit sinngleichen irreführenden Angaben anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

(f.) Wein‑ und/oder Trinkgläser durch Vortäuschen, eine eigene Glasproduktion oder Manufaktur zu haben oder zu betreiben, insbesondere durch Verwendung der Wörter „Glashütte“ oder „Manufaktur“ auf der Homepage www.j*.com, anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

(g.) Wein‑ und/oder Trinkgläser unter Verwendung von Videos oder Fotos, die eine eigene Glasproduktion der erstbeklagten Partei vortäuschen, mit oder ohne Bezugnahme auf „J*“, anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen.

 

[2] Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Abweisung des Mehrbegehrens durch das Erstgericht bestätigt.

[3] Die Erstbeklagte beantragt mit ihrer außerordentlichen Revision, das vollständig klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen; im Übrigen bekämpft sie die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts.

Rechtliche Beurteilung

[4] I. Soweit sich die Revision entgegen § 528 Abs 2 Z 3 ZPO gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts wendet, ist sie jedenfalls unzulässig (RS0104146).

[5] II.1. Im Übrigen zeigt die Revision keine erheblichen Rechtsfragen auf, zumal die relevanten Rechtsfragen bereits Gegenstand der Entscheidung des Senats im Provisorialverfahren zu 4 Ob 108/20s waren.

Dort wurde ua ausgeführt:

Nach der Rechtsprechung fällt das Vortäuschen einer langjährigen Tradition, aus der das Publikum besondere Erfahrungen, wirtschaftliche Leistungskraft, Qualität, Zuverlässigkeit, Solidität und eine langjährige Wertschätzung innerhalb des Kundenkreises ableitet, unter den Tatbestand der unlauteren Irreführung nach § 2 UWG (RS0078638; RS0078473).

Die Tatsacheninstanzen nahmen als bescheinigt an, dass die Erstbeklagte über keine eigene Werkstätte und über keine Produktionsmittel oder Werkzeuge für eine Manufaktur von Glas verfügt, dass sie kein Rohmaterial für Glas einkauft und keine Glasbläser beschäftigt. Der Text auf ihrer Website unter dem Titel Manufaktur, dass jedes Glas in einer Vielzahl von Arbeitsschritten entsteht, die lange Erfahrung, Geschick und höchste Konzentration erfordern, lässt jedoch in Kombination mit den dort abrufbaren Videos und Fotos betreffend die Handfertigung von Weingläsern für den Adressaten dieser Werbung den – unrichtigen – Eindruck entstehen, die Erstbeklagte betreibe eine eigene Glasmanufaktur.

Unrichtige Angaben über die Herstellung eines Produkts können eine zur Irreführung geeignete Angabe über die wesentlichen Merkmale des Produkts iSv § 2 Abs 1 Z 2 UWG idF der UWG‑Novelle 2007 sein (RS0078410 [T3] = 4 Ob 42/08t). Angaben, die bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher den falschen Eindruck erwecken, direkt vom Hersteller zu kaufen, verstoßen gegen den § 2 UWG. Entscheidend ist, dass der Kunde durch die Irreführung über die Bezugsquelle zum Kauf verlockt werden kann (RS0078426; RS0078406).

Im vorliegenden Fall erweckt der Werbeauftritt der Erstbeklagten den unrichtigen Eindruck, die von ihr vertriebenen Wein- und/oder Trinkgläser stammten aus eigener Glasproduktion oder Manufaktur. Dies ist geeignet, die Kunden derart über die angebotenen Produkte zu täuschen, dass sie dazu veranlasst werden, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten (§ 2 UWG).

 

[6] 2. Im Hauptverfahren ist keine wesentliche Änderung der Sachverhaltsgrundlage eingetreten. Es wurde lediglich festgestellt, dass die Herstellung eines jeden Glases der Erstbeklagten durch vom Zweitbeklagten ausgesuchte Handwerker in einer „in Europa gelegenen Manufaktur“ erfolgt. Die Erstbeklagte fertigt in der „Waldglashütte“ des Zweitbeklagten Einzelstücke und Prototypen selbst. Dort können jedoch nur Einzelstücke in sehr geringen Mengen hergestellt werden und werden vorwiegend Prototypen gefertigt.

[7] 2.1. Das Berufungsgericht ist vertretbar davon ausgegangen, dass sich dadurch am irreführenden Eindruck der Werbebotschaft der Erstbeklagten nichts ändert, zumal ihre Website den Eindruck erzeugt, dass ihre Wein‑ und/oder Trinkgläser ausschließlich aus eigener Produktion stammen.

[8] 2.2. Bei (typischerweise) hochwertigen Gütern erweckt die Behauptung der Eigenherstellung den Eindruck besonderer Qualität. Der Unternehmer bringt damit zum Ausdruck, nicht nur die Verantwortung für das Produkt zu übernehmen, sondern dafür – aufgrund eigener Produktion – in jeder Hinsicht verantwortlich zu sein (vgl RS0078426 [T2]).

[9] 2.3. Nach dem maßgeblichen Verständnis der von ihr angesprochenen Verkehrskreise beschränkt sich der Eindruck der Erstbeklagten nicht darauf, in einer verhältnismäßig kleinen Manufaktur einige wenige Einzelstücke und Prototypen herzustellen bzw die Herstellung ihrer Wein‑ und Trinkgläser an eine europäische Glasmanufaktur auszulagern. Vielmehr bleibt der zentrale irreführende Eindruck bestehen, dass die Erstbeklagte Wein- und/oder Trinkgläser aus eigener Glasproduktion oder Manufaktur betreibt.

[10] 2.4. Soweit die Erstbeklagte die Entscheidung 4 Ob 42/08t als Beleg dafür zitiert, dass ein Durchschnittsverbraucher im Regelfall nicht annehmen werde, dass beispielsweise ein österreichisches Unternehmen nur über inländische Produktionsstätten verfüge, ist sie darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof in der genannten Entscheidung auch ausführte, dass selbst unter der Prämisse, dass der europäische Durchschnittsverbraucher das Prinzip der Arbeitsteilung in der internationalen Wirtschaft kennt, bei typischerweise hochwertigen Produkten die Eigenherstellung als Ankündigung besonderer Qualität verstehen wird. Damit ist die Auftragsfertigung durch ein anderes Unternehmen schlechthin nicht vereinbar.

[11] 3. Ebenso vertretbar ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Weglassung der Zusätze „est. 1842“ oder „established 1842“ auf der Website der Erstbeklagten die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt, da sich die Erstbeklagte auch im Übrigen wahrheitswidrig einer langjährigen Tradition und einer unmittelbaren Anknüpfung an ein historisches Unternehmen berühmt, sodass weiterhin Irreführung gegeben ist.

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