OGH 10ObS13/22t

OGH10ObS13/22t28.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dora Camba (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. C*, vertreten durch die HSP Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, Haidingergasse 1, 1030 Wien, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Rückforderung von Familienzeitbonus, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 2021, GZ 7 Rs 56/21 s‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00013.22T.0728.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, wann eine (selbständige) Erwerbstätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft während der Familienzeit (erstmals) ausgeübt wird und zum Rückersatz des Familienzeitbonus verpflichtet.

[2] Der Kläger ist der Vater der am 12. Dezember 2018 geborenen E*. Am 3. Jänner 2019 beantragte der Kläger die Gewährung eines Familienzeitbonus für seine Tochter für den Zeitraum von 1. Jänner 2019 bis 31. Jänner 2019. Für diesen Zeitraum wurde er von seinem Dienstgeber von der Sozialversicherung abgemeldet.

[3] Bereits im November 2018 hatte der Kläger mit C* einen Kaufvertrag über landwirtschaftliche Flächen abgeschlossen. Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erfolgte Mitte Februar 2019. Die Flächen bewirtschaftete der Kläger ab Ende März oder Anfang April 2019. Zuvor war er noch nie landwirtschaftlich tätig gewesen. Im Jänner 2019 übte der Kläger keine – auch keine landwirtschaftliche – Erwerbstätigkeit aus.

[4] Im Juli 2019 erhielt der Kläger von der (damals) SVA der Bauern eine Kontonachricht, in der für Jänner bis Februar 2019 als Bewirtschaftungsverhältnis „Bewirtschaftung ohne Gegenleistung von C*“ und ab März 2019 „Zukauf von C*“ angeführt waren. Aus diesem Grund gab der Kläger in seiner Anmeldung zur Sozialversicherung der Bauern vom 12. August 2019 auch den 1. Jänner 2019 als Datum der Betriebsübernahme durch ihn an.

[5] Warum in der Kontonachricht vom Juli 2019 eine Bewirtschaftung des Klägers ab Jänner 2019 festgehalten wurde, steht nicht fest. Laut der zentralen Versicherungsdatenspeicherung fällt der Kläger ab Jänner 2019 in die „BSVG Pflichtversicherung Betriebsführer“.

[6] Mit Bescheid vom 18. Jänner 2021 forderte die beklagte Österreichische Gesundheitskasse den für den Zeitraum von 1. Jänner 2019 bis 31. Jänner 2019 ausgezahlten Familienzeitbonus zurück und verpflichtete den Kläger zum Rückersatz von 700,60 EUR.

[7] Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren auf Fehlen einer Verpflichtung zum Rückersatz ab. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 10 ObS 111/18y müsse die Unterbrechung derErwerbstätigkeit bei allen Berufsgruppen nach außen erkennbar in Erscheinung treten und dokumentierbar sein. Das sei beim Kläger nicht der Fall, weil aus allen Unterlagen hervorgehe, dass er die von ihm erworbenen landwirtschaftlichen Flächen bereits ab 1. Jänner 2019 bewirtschaftet habe. Der Umstand, dass er tatsächlich erst im März 2019 mit seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit begonnen habe, sei nicht relevant.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn ab. Es stehe fest, dass der Kläger im Zeitraum von 1. Jänner 2019 bis 31. Jänner 2019 weder eine Erwerbstätigkeit ausgeübt noch die von im zuvor erworbenen landwirtschaftlichen Flächen bewirtschaftet habe. Zudem sei unstrittig, dass er in diesem Zeitraum seine unselbständige Tätigkeit unterbrochen habe und von seinem Dienstgeber abgemeldet worden sei. Er sei während der Familienzeit auch noch nicht in die Sozialversicherung der Bauern einbezogen gewesen, weshalb im Bezugszeitraum die Unterbrechung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit oder die Abmeldung von der Sozialversicherung der Bauern gar nicht möglich gewesen sei. Die jedenfalls tatsachenwidrig erfolgte rückwirkende Anmeldung bei der Sozialversicherung der Bauern per 1. Jänner 2019 führe daher nicht zum Verlust des Anspruchs.

Rechtliche Beurteilung

[9] In ihrerdagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) auf.

[10] 1. Der Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind ist (unter anderem) daran geknüpft, dass er sich im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG).

[11] 1.1. Als Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG versteht man den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG) unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt sowie weder Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung noch eine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  1) ergibt, sollen damit erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Das Neugeborene soll rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen können und dieser seine Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, Behördenwegen, Haushaltsarbeiten, etc bestmöglich unterstützen, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken (jüngst 10 ObS 157/21t; 10 ObS 82/21p ua).

[12] 1.2. In der Entscheidung 10 ObS 111/18y (SSV‑NF 32/74) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass § 2 Abs 4 FamZeitbG den Begriff der „Unterbrechung“ der vor Bezugsbeginn tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit zwar nicht definiert. Aus dem Gesetzeszweck und dem Gesamtzusammenhang, insbesondere dem Erfordernis, sich „ausschließlich seiner Familie“ zu widmen und auch keine andere Erwerbstätigkeit auszuüben, lässt sich aber entnehmen, dass eine Erwerbstätigkeit während des Bezugszeitraums zur Gänze zu unterbleiben hat und keine (auch nur geringfügigen) Teiltätigkeiten verrichtet werden dürfen. Nach dem Gesetzestext genügt somit die tatsächliche Nichtausübung der Erwerbstätigkeit während der Familienbonuszeit. Aus dem Hinweis in den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  2), dass (bei Antragstellung) entsprechende Nachweise darüber vorzulegen sind, ist jedoch der Grundsatz abzuleiten, dass die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nach außen in Erscheinung treten und dokumentierbar sein muss, um dem Interesse an einer möglichst effizienten Administrierbarkeit zu entsprechen.

[13] 2. In ihrer Revision bestreitet die Beklagte nicht, dass der Kläger seine unselbständige Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum (1. bis 31. Jänner 2019) unterbrochen hat. Sie stellt vielmehr eine selbständige Erwerbstätigkeit des Klägers in der Landwirtschaft in den Vordergrund ihrer Argumentation und beruft sich dazu auf die zur Unterbrechung der selbständigen Erwerbstätigkeit eines Rechtsanwalts ergangenen Entscheidung 10 ObS 111/18y, zu der die Ansicht des Berufungsgerichts in Widerspruch stehe. Beim Kläger sei nämlich nicht die Unterbrechung, sondern (durch seine Anmeldung zur Sozialversicherung der Bauern) im Gegenteil die Ausübung einerErwerbstätigkeit nach außen in Erscheinung getreten.

[14] Die Beklagte argumentiert also damit, dass der Kläger (durch die ex post erfolgte Anmeldung zur Sozialversicherung) bereits ab 1. Jänner 2019 mit der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit begonnen habe.

[15] 3. Für die Beurteilung, ob sich der Kläger in Familienzeit befand oder nicht, ist entscheidend, ob er während des Bezugszeitraums eine andere Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG ausgeübt hat.

[16] Die Beklagte meint dazu, es sei offenkundig, dass der Kläger die Anmeldung zwar verspätet vorgenommen habe, seine darin enthaltenen Angaben zum Beginn seiner landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit aber den Tatsachen entsprechen. Es erscheine nämlich lebensfremd, dass er einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Absicht erworben habe, ihn stillzulegen und kurze Zeit später wieder zu bewirtschaften. Richtigerweise hätte das Berufungsgericht davon ausgehen müssen, dass der Kläger ab 1. Jänner 2019 Betriebsführer iSd § 2 Abs 1 Z 1 BSVG gewesen sei, wofür es ausreiche, wenn er den Betrieb betrete, sich um dessen Verwaltung kümmere, Rechnungen bezahle, kleinere Reparaturen vornehme etc. Dass er alles das während des Bezugszeitraums nicht getan habe, könne realistischerweise nicht angenommen werden.

[17] 4. Dem ist unter Bedachtnahme auf die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen nicht zu folgen.

[18] Nach den Feststellungen hat der Kläger im Jänner 2022 keine landwirtschaftlichen Arbeiten – also weder für einen eigenen Betrieb noch für den der Verkäuferin – verrichtet. Diese „Untätigkeit“ ist auch insofern nach außen dokumentiert, als die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Ankaufs der Flächen erst Mitte Februar 2022 erfolgte.

[19] Eine Anmeldung zur Sozialversicherung der Bauern, sei sie richtig oder unrichtig erfolgt, begründet keinen Beweis für die tatsächliche Ausübung einer selbständigen landwirtschaftlichen Tätigkeit.

[20] 5. Da die außerordentliche Revision insgesamt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen.

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