OGH 6Ob144/22b

OGH6Ob144/22b27.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache G*, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter Mag. M*, Rechtsanwalt in Korneuburg, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Schwester der Betroffenen C*, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 27. April 2022, GZ 23 R 121/22z‑179, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00144.22B.0727.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

[1] Für die Betroffene ist seit dem Jahr 2016 ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt. Sie und ihre Schwester sind Eigentümerinnen einer bestimmten Liegenschaft. Wiewohl die Schwester nur Hälfteeigentümerin ist, schloss sie im April 2017 einen Mietvertrag über ein auf dieser Liegenschaft gelegenes Geschäftslokal alleine (und ohne Information der damaligen Sachwalterin der Betroffenen) ab.

[2] Das Erstgericht genehmigte im Jahr 2017 den von der Sachwalterin im September mit zwei Personen abgeschlossenen Zusatz zu diesem Mietvertrag als im Interesse der Betroffenen gelegen.

[3] Den gegen diesen Beschluss gerichteten Rekurs der Schwester der Betroffenen vom 28. 3. 2022 wies das Rekursgericht mangels Rechtsmittellegitimation zurück.

[4] Der von dieser dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Wem in Verfahren die Parteistellung oder die Rechtsmittellegitimation abgesprochen wird und dessen Rechtsmittel dementsprechend zurückgewiesen wurde, der ist grundsätzlich legitimiert die Überprüfung dieser Rechtsansicht im Rechtsmittelweg zu verlangen (RS0006793 [T6]). Der Revisionsrekurs der Schwester der Betroffenen ist daher nicht schon mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen (4 Ob 78/21f mwN).

[6] 2. Als „Revisionsrekurs“ erfasst § 62 AußStrG alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene“ Beschlüsse des Rekursgerichts (RS0120565 [T1]). Ein Zurückweisungsbeschluss ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG – also bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage – anfechtbar (vgl RS0120565 [T12]).

[7] 3. Eine solche spricht die Schwester der Betroffenen zur Verneinung ihrer Rekurslegitimation im Revisionsrekurs allerdings nicht an:

[8] 3.1. Auch im Verfahren außer Streitsachen steht ein Rechtsmittel grundsätzlich nur demjenigen zu, der durch die Entscheidung in seinen eigenen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt ist (RS0006641).

[9] 3.2. Die in § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG vorausgesetzte „rechtlich geschützte Stellung“ ist noch nicht jede Rechtsstellung oder jegliches rechtliches Interesse, sondern es ist auf den jeweiligen Verfahrenszweck Bedacht zu nehmen (idS RS0128451). Außerhalb der gesetzlichen Sonderregelung des § 127 Abs 3 AußStrG werden im Erwachsenenschutzverfahren ausschließlich die Interessen der betroffenen Person selbst geschützt (vgl 3 Ob 148/19i [ErwGr 4.2.]).

[10] 3.3. Ganz abgesehen davon, dass die Schwester bloß allfällige – sie selbst betreffende – Reflexwirkungen (die schon ganz allgemein im Verfahren außer Streitsachen keine materielle Parteistellung verschaffen können: RS0123028; RS0120841 [T2, T3]), aber keine unmittelbare Beeinflussung ihrer Rechtsstellung (s dazu RS0123028) durch die Genehmigung des Zusatzes aufzeigen kann, legt sie nicht ansatzweise dar, welche Interessen der Betroffenen durch die Genehmigung beeinträchtigt wären oder warum ihr als Angehörige insoweit ein Rekursrecht zukäme.

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