OGH 1Ob116/22y

OGH1Ob116/22y14.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Georg Karl Burger, Rechtsanwalt in St. Pölten, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 254.664,46 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Mai 2022, GZ 14 R 185/21k‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00116.22Y.0714.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin beantragte im Jahr 2011 beider Landesregierung eine Tanzschulbewilligung. Die Landesregierung wies diesen Antrag mit dem (am 5. 3. 2015 vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen) Bescheid vom 29. 8. 2012 zurück. Mit Bescheid vom 1. 2. 2017 wies die Landesregierung die Anträge der Klägerin auf Ausübung der Tanzschulleitung innerhalb einer als Tanzschule bezeichneten Einrichtung sowie des Berufs des Tanzlehrers ab und auf Erteilung des Tanzunterrichts außerhalb einer alsTanzschule bezeichneten Einrichtung zurück. Das Landesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin mit Erkenntnis vom 8. 3. 2018 ab. Diese Entscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. 12. 2018 wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Im fortgesetzten Verfahren erteilte das Landesverwaltungsgericht der Klägerin am 23. 10. 2019 die Bewilligung zur Ausübung der Tanzschulleitung und zur Ausübung des Berufs des Tanzlehrers.

[2] Mit der Behauptung, die der Bewilligung vorangehenden Entscheidungen der Landesregierung und des Landesverwaltungsgerichts hätten auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht, begehrt die Klägerin aus dem Titel der Amtshaftung einen Verdienstentgang für den Zeitraum vom 1. 4. 2012 bis 21. 11. 2019 und den Ersatz von Verfahrenskosten.

[3] Das Berufungsgerichtwies das Klagebegehren zur Gänze ab.

[4] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Die Vorinstanzen prüften vier haftungsrelevante Sachverhalte:

[6] Das Berufungsgericht schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichts an, dass die aus den Bescheiden der Landesregierung vom 29. 8. 2012 (1) und vom 1. 2. 2017 (3) sowie aus der dazwischenliegenden Verfahrensdauer (2) abgeleiteten Ansprüche verjährt seien. Im Übrigen vertrat es die Auffassung, dass auf den nur kursorisch ausgeführten Einwand in der Berufung der Klägerin, der Bescheid vom 29. 8. 2012 (1) sei auch unvertretbar, nicht näher einzugehen sei, das Erstgericht in Ansehung der Verfahrensdauer (2) zutreffend eine unvertretbare Rechtsausübung der Landesregierung verneint habe und sowohl der Bescheid der Landesregierung vom 1. 2. 2017 (3) als auch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 8. 3. 2018 (4) aus näher dargestellten Gründen vertretbar seien.

[7] 2. Das pauschale Bekämpfen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ohne Auseinandersetzung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung genügt den Anforderungen an eine Revision nicht (RS0043654 [T12]). In einer zulässigen Rechtsrüge muss vielmehr dargelegt werden, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig sein soll, weil sonst keine Überprüfung der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht stattfinden kann (RS0043654 [T15]). Diesen Anforderungen wird die außerordentliche Revision in Bezug auf die vom Berufungsgericht angenommene Vertretbarkeit des Organhandelns nicht gerecht.

[8] 3. Die Rechtsmittelwerberin wendet sich insbesondere mit dem (nicht näher ausgeführten) Argument, dass ihr die Umstände, die auf ein Verschulden der Organe der Beklagten schließen ließen, nicht vor dem 23. 10. 2019 (Tag der Antragsbewilligung) bekannt geworden seien, ausschließlich gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, ihre Ansprüche aufgrund der Sachverhalte (1) bis (3) seien verjährt. Auf die von den Vorinstanzen vorgenommene Differenzierung zwischen den vier potentiellen Haftungsgrundlagen und die damit in Zusammenhang stehenden Erwägungen des Berufungsgerichts zur Vertretbarkeit des Behördenhandelns geht die Revision nicht weiter ein.

[9] Sie zeigt mit ihren Ausführungen zur Verjährung daher schon deshalb keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, weil sie die selbständig tragfähige Begründung des Berufungsgerichts, wonach Amtshaftungsansprüche wegen vertretbarer Rechtsanwendung durch die Landesregierung und das Landesverwaltungsgericht ausscheiden, im Ergebnis unbekämpft lässt (RS0118709 [insb T7]). Die bloße „Leerformel“, das Erstgericht sei zutreffend von einer Unvertretbarkeit des Bescheids der Landesregierungvom 1. 2. 2017 und des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts vom 8. 3. 2018 ausgegangen, „bei näherer Betrachtung (und damit gewisser Mühe) erweisen sich aber auch die vorherigen Entscheidungen und Verfahrensanordnungen der … Landesregierung als unvertretbar“, kommt einer nicht erhobenen Rechtsrüge gleich (RS0043654 [T14]). Die Rechtsrüge gegen die Auffassung, der Bescheid aus 2012 beruhe auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, hat die Klägerin zudem bereits in ihrer Berufung gegen das Ersturteil nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RS0043573).

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