European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0170OB00009.22F.0712.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.040,48 EUR (hierin enthalten 340,08 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Mit Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 12. Juli 2019 wurde über das Vermögen der Enkelin der Klägerin (im Folgenden: Schuldnerin) das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt.
[2] Die spätere Schuldnerin schloss am 15. Juli 2015 mit einer gemeinnützigen Bauvereinigung (im Folgenden: Vermieterin) einen Bestandvertrag über eine Wohnung. Dieses Mietverhältnis ist nach wie vor aufrecht.
[3] Aufgrund des Bestandvertrags war ein Grundkostenanteil in Höhe von 33.140,40 EUR zu leisten. Das Mietverhältnis war von der Klägerin angebahnt worden, die auch den Grundkostenanteil in mehreren Raten zwischen Juli 2015 und Februar 2016 für ihre Enkelin auf das Geschäftskonto der Hausverwalterin überwies. Durch den Erlag des Grundkostenbeitrags verminderte sich der monatliche Mietzins.
[4] Bei Unterfertigung des Mietvertrags war der Schuldnerin nicht bewusst, dass und in welcher Höhe ein Grundkostenanteil zu zahlen ist. Sie hatte jedoch mit der Klägerin besprochen, dass diese Zahlungen leistet, „wenn etwas zu zahlen ist“. Weiters war besprochen, dass diese Beträge auch wieder an die Klägerin zurückfließen, wenn sie an die Schuldnerin rückausgefolgt werden. Erst nach Einzahlung des gesamten Grundkostenanteils informierte die Klägerin die Schuldnerin darüber. Diese war mit der Rückzahlung auch dieses Betrags an die Klägerin bei Freiwerden einverstanden.
[5] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der auf dem (näher bezeichneten) Konto der Vermieterin erliegende Grundkostenanteil in Höhe von 33.114,40 EUR abzüglich der gemäß § 17 WGG abzuzinsenden Beträge in ihrem Eigentum stehe und im Schuldenregulierungsverfahren als Aussonderungsgut zu berücksichtigen sei, hilfsweise dass der Grundkostenanteil im Fall der Auflösung des Nutzungsverhältnisses in ihrem Eigentum stehe und diesfalls als Aussonderungsgut zu berücksichtigen sei. Die Hausverwaltung weise den Grundkostenanteil der Schuldnerin buchhalterisch gesondert aus, weshalb keine Vermengung mit (Miet‑)Geldern der Schuldnerin stattgefunden habe und die Klägerin Eigentümerin des Geldes geblieben sei. Der erlegte Grundkostenanteil sei daher nicht massezugehörig.
[6] Der Beklagte wendete insbesondere ein, der Grundkostenanteil sei insolvenzzugehörig. Mangels Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Vermieterin habe nur die Schuldnerin gegenüber Letzterer einen Rückzahlungsanspruch. Die Vermieterin könne auch nur schuldbefreiend an die Schuldnerin leisten.
[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Rückzahlungsanspruch nach § 17 WGG entstehe erst mit Auflösung des Mietvertrags. Da das Mietverhältnis noch aufrecht sei, sei der Anspruch noch nicht entstanden. „Die Sache“, also der Grundkostenanteil, sei daher bisher noch nicht in der Insolvenz‑(soll‑)masse vorhanden.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Wesenskern der Aussonderung sei nicht die Herausgabe, sondern die Geltendmachung der Massefremdheit. Die Aussonderung sei daher nicht darauf beschränkt, Sachen aus dem Machtbereich des Insolvenzverwalters herauszuverlangen, weshalb ebenso – wie hier – die Zuordnung einer Sache (zB einer Forderung) mittels Feststellungsklage begehrt werden könne. Mangels vertraglicher Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Vermieterin habe Erstere jedoch keinen direkten Rechtsanspruch auf Rückzahlung des Grundkostenanteils. Der erst nach Kündigung des Mietvertrags entstehende Rückzahlungsanspruch stehe eindeutig nur der Mieterin zu, liege also in deren Rechtszuständigkeit und falle somit jedenfalls in die Sollmasse. Der Klägerin stehe aufgrund der mit der Schuldnerin getroffenen Vereinbarung lediglich eine Insolvenzforderung zu.
[9] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur vorliegenden Konstellation, deren häufiges Auftreten schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung anzunehmen sei, fehle.
[10] Die Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Gemäß § 17 Abs 1 WGG (idF BGBl I 2015/157) entsteht (erst) bei Auflösung eines diesem Gesetz unterliegenden Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrags dem ausscheidenden Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm zur Finanzierung des Bauvorhabens neben dem Entgelt geleisteten Beträge, vermindert um die ordnungsmäßige Absetzung für Abschreibung im gemäß Abs 4 dieser Bestimmung festgesetzten Ausmaß. Nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten dieser Novelle mit 1. Jänner 2016 – und damit im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags der Schuldnerin – entstand dieser Anspruch des Mieters hingegen bereits, wenn auch aufschiebend bedingt durch die Auflösung des Vertrags, mit dessen Abschluss, weshalb er in der Insolvenz des Vermieters nur eine Konkurs- und keine Masseforderung darstellte (vgl 8 Ob 166/06d mwN). Die Neufassung des § 17 Abs 1 WGG ist nach dem Übergangsrecht allerdings auch auf vor seinem Inkrafttreten geschlossene Verträge anzuwenden (Art IV Abs 1q WGG).
[12] 2. Anspruchsberechtigt nach § 17 Abs 1 WGG ist, wie bereits das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, nur der scheidende Mieter (vgl RIS‑Justiz RS0116682; Prader/Pittl, WGG1.04 § 17 Rz 12).
[13] 3. Die Klägerin kann ihr Begehren daher nicht erfolgversprechend damit begründen, dass sie gemäß § 17 WGG gegenüber der Vermieterin anspruchsberechtigt wäre. Folgerichtig argumentiert sie primär damit, nach wie vor Eigentümerin des erlegten Geldbetrags zu sein. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden:
[14] 3.1. Das WGG regelt die Vorschreibung bzw Einhebung eines Finanzierungsbeitrags zwar nicht explizit, aus seinem § 14 Abs 1 Satz 3 ergibt sich jedoch, dass der Finanzierungsbeitrag einen Teil des Entgelts darstellt, weil er bei dessen Berechnung entsprechend zu berücksichtigen ist. Damit kommt dem Finanzierungsbeitrag grundsätzlich die Qualifikation einer Mietzinsvorauszahlung zu (vgl Prader/Pittl, WGG1.04 § 17 Rz 1 mwN; RIS‑Justiz RS0020422).
[15] 3.2. Aufgrund dieser Qualifikation des von der Klägerin für die Schuldnerin gezahlten Grundkostenanteils als (vertraglich geschuldete) Vorauszahlung von Mietzinsen (und nicht etwa als Treuhanderlag) kann aber keine Rede davon sein, dass die Klägerin nach wie vor Eigentümerin des von ihr geleisteten Betrags wäre. Ob dieser Betrag in der Buchhaltung der Vermieterin „klar abgegrenzt verwahrt“ wird, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Schon aus diesem Grund kann der Klägerin kein Aussonderungsanspruch zustehen.
[16] 3.3. Die von der Klägerin zur Stützung ihrer Auffassung zitierte Rechtsprechung (1 Ob 521/82; 6 Ob 2352/96t) ist ebenso wenig einschlägig wie der von ihr ins Treffen geführte Aufsatz von Rabl (Die Aussonderung von Buchgeld, ÖBA 2006, 575), weil es dort jeweils um Aussonderungsansprüche des Eigentümers (insbesondere Treugebers) ging.
[17] 4. Ob die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Schuldnerin, wonach der bei Auflösung des Mietverhältnisses noch nicht „abgewohnte“ Rest des Grundkostenanteils an die Klägerin zurückfließen solle, als Darlehen oder auch, wie die Klägerin meint, als Leihe zu qualifizieren ist, muss hier nicht näher untersucht werden, weil es im vorliegenden Verfahren ausschließlich darauf ankommt, ob die Klägerin einen Rückzahlungsanspruch gegenüber der Vermieterin hat. Dass im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Vermieterin keine bloße Leihe des Geldbetrags vorliegen kann, liegt auf der Hand.
[18] 5. Die Revision muss daher erfolglos bleiben.
[19] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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