OGH 8ObA50/22v

OGH8ObA50/22v29.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Wolfram Hitz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Philipp Brokes (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber und Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M* T*, vertreten durch Dr. Alexandra Knell, Rechtsanwältin in Wien, wegen 15.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. April 2022, GZ 10 Ra 9/22z‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00050.22V.0629.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte war bei der Klägerin, einer Immobilienmaklerin, angestellt. Der Beklagten war es nach Punkt 13 Satz 1 des Arbeitsvertrags untersagt, „für die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Dienstverhältnisses Objekte, Abgeber sowie Kauf‑ bzw. Mietinteressenten, mit denen der Dienstnehmer im Laufe seines Beschäftigungsverhältnisses im geschäftlichen Kontakt stand, weiter – selbstständig oder unselbstständig – zu betreuen, abzuwerben oder einem Dritten in welcher Art auch immer zuzuführen“. Punkt 13 Satz 2 sah bei Verletzung dieser Vereinbarung eine Konventionalstrafe in der Höhe von 5.000 EUR für jede einzelne Übertretung vor.

[2] Die Beklagte verdiente bei der Klägerin zuletzt monatlich 3.202 EUR brutto. Auch im Durchschnitt des letzten Dienstjahres verdiente sie nicht mehr als 3.700 EUR brutto.

[3] Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 15.000 EUR mit dem Vorbringen in Anspruch, sie habe in drei Fällen als Arbeitnehmerin jener Immobilienmaklerin, für die sie nunmehr arbeite, gegen Punkt 13 ihres Arbeitsvertrags verstoßen.

[4] Die Vorinstanzen wiesen die Klage mit der Begründung ab, es liege eine Konkurrenzklausel iSd § 36 Abs 1 AngG vor, die nach § 36 Abs 2 AngG mangels Überschreitung der dort genannten Entgeltgrenze unwirksam sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.

[6] 1. Bei Pkt 13 handelt es sich um eine sogenannte Kundenschutzklausel.

[7] Eine Kundenschutzklausel bezweckt den Schutz des Kundenstocks des Dienstgebers und soll das Abwerben des bestehenden Kundenkreises verhindern. Sie beschränkt den Angestellten für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit und im umfassenden Einsatz aller während des vorherigen Arbeitsverhältnisses rechtmäßig gewonnenen Informationen und Kenntnisse (9 ObA 185/05d = DRdA 2007/32 [zust Reissner]; 8 ObA 72/13s [Pkt 2.1]; 9 ObA 59/15i ua). Aus diesem Grund werden Kundenschutzklauseln von der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich als Konkurrenzklauseln iSd § 36 AngG behandelt (siehe auch RS0118907; 8 ObA 12/19a [Pkt 2.] = DRdA 2020/15 [Felten]). Die Literatur stimmt dem ganz überwiegend zu (Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG [9. Lfg 2008] § 36 Rz 55 f; ders in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 [2018] § 36 AngG Rz 42 f; Löschnigg, Arbeitsrecht13 [2017] Rz 6/090; Kohlegger in Reissner, AngG3 [2019] § 36 Rz 34; Resch in Löschnigg/Melzer, AngG11 [2021] § 36 Rz 23; Marhold/Brameshuber/Friedrich, Österreichisches Arbeits-recht4 [2021] 153; Preyer in Kuras, Handbuch Arbeitsrecht [2021] Kap 6.6.2; Schindler in Gruber-Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar [38. Lfg 2021] Kap XX Rz 176).

[8] Demgegenüber fallen nach Binder/Mair, auf die sich die Klägerin in der außerordentlichen Revision beruft, Kundenschutzklauseln nicht unter § 36 AngG. Sie begründen dies damit, dass es bereits vielfach an dem die Konkurrenzklausel prägenden Tatbestandsmerkmal einer relevanten Erwerbsbeschränkung fehlen werde, wenn der Arbeitnehmer in seiner künftigen beruflichen Tätigkeit nicht auf die früher betreuten Kunden zurückgreifen kann. Soweit sein ehemaliger Arbeitgeber nicht eine monopolistische Struktur aufgebaut hat, könne die Anwerbung von Kunden ja auch aus dem neutralen Publikum erfolgen. Zudem enge das Konkurrenzklauselrecht mit seiner einjährigen Befristung und der Entgeltmindestgrenze die Möglichkeiten des bisherigen Arbeitgebers zu sehr ein, um sich den Kundenstock auch im Verhältnis zu seinen kenntnisreichen Arbeitnehmern zu erhalten. Es mache eben einen Unterschied, ob ein außenstehender Konkurrenzunternehmer oder ein mit den Geschäftsgepflogenheiten und dem Absatzmarkt des Unternehmens bestens vertrauter Angestellter danach trachtet, durch günstige Anbote die Kunden abzuwerben (Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG [2016] § 2c Rz 45).

[9] Der Umstand, dass die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs von einer Lehrmeinung, der das Berufungsgericht nicht folgt, abgelehnt wird, bildet für sich allein keinen Grund für die Zulassung einer Revision. Allein wenn sich der Oberste Gerichtshof der ins Treffen geführten Lehrmeinung anzuschließen beabsichtigt, hätte er das Rechtsmittel zuzulassen (vgl RS0042985).

[10] Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen, beschränkt doch die vorliegende Klausel die Erwerbsmöglichkeit der Beklagten, möchte sie in der selben Branche tätig bleiben, merklich. So müsste sie sich, um nicht gegen die Klausel zu verstoßen, etwa auch im Fall, dass ein Kunde der Klägerin aus eigenem Entschluss zu ihrer neuen Arbeitgeberin wechselt, gegenüber dieser weigern, den Kunden zu betreuen. Dass bei Offenlegung der Unterworfenheit der Beklagten unter eine Kundenschutzklausel vor der Begründung eines neuen Dienstverhältnisses die Gefahr besteht, dass von einem Dienstvertragsabschluss Abstand genommen wird, liegt auf der Hand, muss doch der zukünftige Dienstgeber damit rechnen, die Beklagte nicht voll einsetzen zu können (iglS bereits zB Kohlegger aaO).

[11] 2. Die Klägerin vertritt die Ansicht, weil Kundenschutzklauseln einen ehemaligen Arbeitnehmer in seiner Erwerbstätigkeit weniger stark beschränkten als – so die Klägerin – „klassische“, eine umfassende Branchensperre bewirkende Konkurrenzklauseln, müsse § 36 AngG jedenfalls dahin teleologisch reduziert werden, dass die in dessen Abs 2 genannte Entgeltgrenze nur bei „Konkurrenzklauseln im engeren Sinn“, nicht aber bei Kundenschutzklauseln Anwendung finde. Weil es zur Frage der Anwendbarkeit von § 36 Abs 2 AngG auf Kundenschutzklauseln keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe, sei die außerordentliche Revision zulässig.

[12] Eine teleologische Reduktion setzt – als Gegenstück zur Analogie – nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass deutlich abgrenzbare Sachverhalte vom klaren Zweck der Norm nicht erfasst sind (2 Ob 76/21x [Rz 33] mwN). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein:

[13] Grund für die Einführung der Entgeltgrenze des § 36 Abs 2 AngG mit BGBl I 2006/35 (Z 1) war die Überlegung, dass bei niedriger entlohnten Arbeitnehmern eine vereinbarte Konkurrenzklausel„eine (auch finanziell) spürbare unverhältnismäßige Beeinträchtigung der beruflichen Mobilität [bewirkt]“. Zum „Schutz von wirtschaftlich schwächeren Arbeitnehmern“ eine Entgeltgrenze vorzusehen, sei„aufgrund der unverhältnismäßigen Auswirkungen einer Konkurrenzklausel auf die Erwerbssituation dieser Arbeitnehmer sachlich gerechtfertigt“(Erläuterungen zum Initiativantrag 605/A 22. GP  4 ff). Der Gesetzeszweck änderte sich durch BGBl I 2015/152 (Art II Z 3), womit die Entgeltgrenze erhöht wurde und die Gesetzesbestimmung die heutige Fassung erhielt, nicht. Die Gesetzesmaterialien zu dieser Novelle bringen allein zum Ausdruck, die Erhöhung bewirke, „dass doch erst die Gruppe der überdurchschnittlich verdienenden Arbeitnehmer/innen in ihrer beruflichen Mobilität durch eine Konkurrenzklausel zulässigerweise beschränkt werden können“ (ErläutRV 903 BlgNR 25. GP  3, 5).

[14] Auch eine Kundenschutzklausel und – wie bereits dargelegt – konkret auch die vorliegende vermag mobilitätshemmend zu wirken, sodass der dargelegte Gesetzeszweck des § 36 Abs 2 AngG genauso für sie gilt. Die von der Klägerin gewünschte teleologische Reduktion ist daher ausgeschlossen.

[15] Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656). Zumal die Anwendung des § 36 Abs 2 AngG nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung sowie dem mit ihr vom Gesetzgeber verfolgten Zweck zur Unwirksamkeit von Pkt 13 des Dienstvertrags der Klägerin führt, liegt kein Grund für die Zulassung der außerordentlichen Revision vor.

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