OGH 3Ob95/22z

OGH3Ob95/22z22.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei B* Limited, *, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 37.743,43 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. März 2022, GZ 2 R 45/22h‑17, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 17. Jänner 2022, GZ 3 Cg 87/21k‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00095.22Z.0622.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.834,92 EUR (hierin enthalten 305,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz auf Malta und Inhaberin einer maltesischen Glücksspielkonzession. Sie bietet (ua) in Österreich über ihre Website Online-Glücksspiel in Form eines Online-Casinos an, obwohl sie in Österreich über keine Glücksspiellizenz nach dem GSpG verfügt. Der in Österreich ansässige Kläger nahm im Zeitraum 7. März 2009 bis 12. November 2014 an diesen Online-Glücksspielen – Roulette und Poker – teil, wobei er einen Verlust von 37.743,43 EUR erlitt.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem vom Kläger erhobenen Begehren auf Ersatz seiner Spielverluste zur Gänze statt. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines verbotenen Online-Pokerspiels fehle.

[3] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Zur Auswirkung der von der Beklagten eingewendeten Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols in der bis 30. 12. 2010 geltenden Fassung des GSpG hat der Oberste Gerichtshof bereits in der – einen nahezu identen Sachverhalt betreffenden – Entscheidung 6 Ob 229/21a vom 2. 2. 2022 klargestellt, dass zwar das in § 21 Abs 1 Z 1 GSpG (bzw § 14 Abs 1 Z 1 GSpG) idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 normierte Sitzerfordernis unionsrechtswidrig war und nach der Rechtsprechung des EuGH ein Mitgliedstaat keine (verwaltungs-)strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat, dass aber dieser Grundsatz schon deshalb nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar ist, weil die „Nichtigkeitssanktion“ iSd § 879 Abs 1 ABGB keine vergleichbare staatliche Sanktion repressiver Natur darstellt. Außerdem war nur das in § 21 Abs 1 Z 1 GSpG (bzw § 14 Abs 1 Z 1 GSpG) idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 normierte Sitzerfordernis unionsrechtswidrig, nicht aber das Konzessions- bzw Monopolsystem an sich; dass die Beklagte jemals um eine Konzession angesucht habe, geschweige denn die übrigen in § 14 Abs 2, § 21 Abs 2 GSpG normierten Voraussetzungen erfüllt hätte, hat sie nicht einmal behauptet (in diesem Sinn auch 4 Ob 229/21m und 3 Ob 27/22z).

[5] 2. Die Passivlegitimation der Beklagten für den vom Kläger mit Leistungskondiktion begehrten Ersatz seiner Spielverluste aus Online-Pokerspielen hat der Oberste Gerichtshof in vergleichbaren Verfahren bereits mehrfach bejaht (6 Ob 229/21a; 6 Ob 207/21s; 3 Ob 197/21y; 4 Ob 229/21m; 3 Ob 27/22z; 3 Ob 82/22p uva). Entgegen der Behauptung der Beklagten kann keine Rede davon sein, dass diesen Entscheidungen ein grundlegend anderer Sachverhalt zugrunde gelegen wäre, weil der Kläger im vorliegenden Fall seinen Spieleinsatz nicht „an die Beklagte“, sondern auf sein „eigenes Nutzerkonto“ eingezahlt habe, über das die Beklagte nicht unbeschränkt verfügen könne. Bei diesem „eigenen Nutzerkonto“ des Klägers handelt es sich nämlich – wie in sämtlichen Vorentscheidungen zugrunde gelegt – um nichts anderes als um das auf der Website der Beklagten angelegte Spielerkonto. Der Senat hat bereits zu 3 Ob 197/21y dargelegt, dass nach der Zweckrichtung des Vertrags zwischen den Streitteilen die Beklagte die Leistungsempfängerin war, weshalb auch der Rückforderungsanspruch gegen sie besteht.

[6] 3. Auf die von ihr im bisherigen Verfahren behauptete Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols (nach dem GSpG idgF) kommt die Beklagte in dritter Instanz ausdrücklich nicht mehr zurück.

[7] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Für die Revisionsbeantwortung steht jedoch – anders als für eine Berufungsbeantwortung – nur der einfache Einheitssatz zu.

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