OGH 9Ob40/22f

OGH9Ob40/22f19.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1.) E*, geboren am * 2018 und 2.) L*, geboren am * 2018, beide vertreten durch die Mutter J*, diese vertreten durch Dr. Silvia Anderwald, Rechtsanwältin in Spittal an der Drau, wegen Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters K*, vertreten durch Mag. Dr. Birgitta Braunsberger‑Lechner, Mag. Thomas Loos, Rechtsanwälte in Steyr, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 30. März 2022, GZ 3 R 51/22t‑71, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 17. Februar 2022, GZ 2 Ps 209/19g‑66, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00040.22F.0519.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der erziehungsberechtigte Elternteil ist verpflichtet, einer unberechtigten Ablehnung des persönlichen Kontakts zum anderen Elternteil durch das Kind entgegenzuwirken (RS0047942). Daraus folgt die Verpflichtung des obsorgeberechtigten Elternteils dem Kind gegenüber, es unter Vermeidung jeglicher negativer Beeinflussung bestmöglich auf die Besuche beim nicht obsorgeberechtigten Elternteil vorzubereiten und die Kontakte mit diesem sodann unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl zu verarbeiten (RS0047942 [T7]).

[2] 2. Gemäß § 110 Abs 2 AußStrG hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen auch im Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung des Rechts auf persönlichen Kontakt angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG anzuordnen. Ihr Zweck besteht darin, einer bestehenden Kontaktrechtsregelung für die Zukunft zum Durchbruch zu verhelfen (RS0007310 [T10]). Realisiert werden soll jene Lebenswirklichkeit, die mit den rechtlichen Interessen übereinstimmt, die dem vollstreckbaren Leistungsbefehl zugrunde liegt. Deshalb können Zwangsmittel zur Durchsetzung eines früheren Kontaktrechts aufgrund geänderter Umstände auch ausscheiden (Beck in Gitschthaler/Höllwerth² AußStrG § 110 AußStrG Rz 15; 6 Ob 147/17m mwN). In der Regel kommt der Frage, ob im Einzelfall eine Zwangsmaßnahme zu verhängen ist, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0008614 [T4]).

[3] 3.1 Die Parteien trafen eine Kontaktrechtsvereinbarung am 11. 12. 2020. Am 1. 2. 2022 beantragte der Vater die Durchsetzung dieser Vereinbarung mit gesetzlichen Mitteln iSd § 110 Abs 2 AußStrG. Nach den Verfahrensergebnissen besteht aber ein zwischenzeitig (im Jänner 2022) bekannt gewordener Missbrauchsverdacht gegen den Vater aufgrund einer Gefährdungsmeldung der Kindergartenpädagogin der Kinder, der zur Einrichtung einer Familienintensivbetreuung bei der Mutter und einer Strafanzeige geführt hat. Die Vorinstanzen wiesen den Antrag des Vaters vor diesem Hintergrund ab.

[4] 3.2 Im außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Vater gar nicht mehr geltend, dass er an der Kontaktrechtsvereinbarung vom 11. 12. 2020 festhalten wolle. Er argumentiert vielmehr, dass das Erstgericht auch unabhängig von seiner Zustimmung nicht mit der Abweisung seines Antrags, sondern mit der Bewilligung eines eingeschränkten Kontaktrechts – im Sinn eines vorläufigen, begleiteten Kontaktrechts – vorgehen hätte müssen. Damit wäre er einverstanden gewesen. Diese Ausführungen übergehen, dass die Mutter sich – im Rahmen der Empfehlungen der Familienintensivbetreuung – ohnedies nicht gegen Kontakte des Vaters zu seinen Kindern aussprach, sondern begleiteten Kontakten des Vaters zustimmte. Von dem im Revisionsrekurs geltend gemachten Einverständnis des Vaters zu begleiteten Besuchskontakten ging auch das Erstgericht aus: Denn es führte aus, dass die Eltern vereinbart hätten, dass bis zur endgültigen Abklärung des Missbrauchsvorwurfs einmal im Monat institutionell begleitete Besuchskontakte stattfinden sollten. Ausgehend davon zeigt der Vater keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht der Vorinstanzen auf, die seinen Antrag mit der wesentlichen Begründung der Wahrung des Wohls der erst dreijährigen Kinder abwiesen (§ 110 Abs 3 AußStrG; RS0008614).

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