European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00056.22X.0422.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger war vom 1. September 2017 bis 30. Juni 2020 selbständiger Handelsvertreter für die Beklagte in Wien und NÖ. Dabei war der Kläger nur unterdurchschnittlich wirtschaftlich erfolgreich. Die Beklagte war auf sein Ersuchen deshalb bereit, das ihm im Vertrag nur für die ersten drei Monate eingeräumte monatliche Fixum von 5.000 EUR netto letztlich für die gesamte Vertragsdauer zu gewähren. Damit bestand für den Kläger während der Vertragszeit kein unternehmerisches Risiko. Aufgrund der vom Kläger erzielten (unterdurchschnittlichen) Umsätze hätte die vereinbarte umsatzabhängige Provision von 30 % nie das letztendlich ausbezahlte Fixum überstiegen. Bei einem erfolgreichen Vertreter bei der Beklagten beträgt die monatliche Höhe der umsatzabhängigen Nettoprovision 10.500 EUR (= 30 % des Umsatzes von 35.000 EUR).
[2] Der Kläger verhielt sich gegenüber den Geschäftsführern der Beklagten und den Mitarbeitern beleidigend und ungehörig. So äußerte er sich etwa über einen (von ihm auch als „faule Sau“ bezeichneten) Geschäftsführer, dass dieser „genauso deppert ist wie sein Vater“ und er das Unternehmen „hinunter bringt“. Die Mitarbeiter schrie er an und warf ihnen Unfähigkeit vor.
[3] Aufgrund des schwachen wirtschaftlichen Erfolgs und des Verhaltens des Klägers beendete die Beklagte den Handelsvertretervertrag. Der Kläger erzielte in den letzten drei Monaten des Vertragsverhältnisses keinen Umsatz mehr. Das monatliche Fixum von 5.000 EUR wurde bis zuletzt ausbezahlt.
[4] Der Kläger begehrt 66.000 EUR als Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG 1993 und erhebt eine Stufenklage hinsichtlich der Vorlage eines Buchauszugs und der daraus sich ergebenden Zahlungen.
[5] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht verneinte zwar mangels Angabe eines wichtigen Grundes in der Kündigung das Vorliegen einer ausgleichsvernichtenden Kündigung nach § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG 1993. Es ging aber davon aus, dass der Ausgleichsanspruch im Rahmen der Billigkeitsprüfung gänzlich zu entfallen habe.
[6] In seiner gegen das Berufungsurteil erhobenen außerordentlichen Revision, in der nur zum Ausgleichsanspruch (nicht aber zur Stufenklage) ausgeführt wird, macht der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage geltend.
Rechtliche Beurteilung
[7] 1. Die nach § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG 1993 „unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit“ entsprechend festzusetzende Ausgleichszahlung ist eine nach dem jeweiligen Einzelfall zu treffende Billigkeitsentscheidung. Abgesehen von einer krassen Fehlbeurteilung begründet sie deshalb regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0112590).
[8] 2. Eine korrekturbedürftige grobe Fehlbeurteilung liegt angesichts der eingangs referierten Umstände des Einzelfalls nicht vor.
[9] 2.1. Die Bedachtnahme auf das ungehörige und beleidigende Verhalten des Klägers entspricht der Rechtsprechung, wonach ein vertragswidriges Verhalten des Handelsvertreters der Billigkeitsbeurteilung zugrundezulegen ist (6 Ob 204/05a; 9 ObA 118/15s).
[10] 2.2. Auch wegen der Berücksichtigung der Befreiung vom unternehmerischen Risiko durch ein hohes Fixum trotz unterdurchschnittlicher Umsätze vermag der Revisionswerber keine unvertretbare Ermessensausübung des Berufungsgerichts darzutun, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste.
[11] 3. Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, dass die Billigkeitsentscheidung ungeachtet des wegen § 27 Abs 1 HVertrG 1993 im Vertrag unwirksam erfolgten Vorwegverzichts des Klägers auf den Ausgleichsanspruch dennoch so getroffen worden sei, dass die unwirksame Vertragsbestimmung im Ergebnis zu seinen Lasten umgesetzt wurde. Dabei blendet der Kläger aber aus, dass die Vorinstanzen den Vorwegverzicht ohnedies als unwirksam qualifiziert haben und die Abweisung nicht darauf gestützt wurde. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes („... gebührt dem Handelsvertreter ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit … die Zahlung der Billigkeit entspricht“) kann es aus Gründen der Billigkeit auch zu einem gänzlichen Anspruchsverlust durch Kürzung auf Null kommen (9 ObA 59/12k). Der Umstand, dass der Anspruch wegen § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG 1993 (durch Kürzung auf Null) und damit völlig unabhängig vom unwirksamen Verzicht im Vertrag verneint wurde, kann daher die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Vielmehr hat das Berufungsgericht im Rahmen der Billigkeitsprüfung zum einen den Umstand berücksichtigt, dass dem Kläger während der gesamten Vertragsdauer ein Fixum gewährt worden sei, sodass kein unternehmerisches Risiko bestanden habe. Zudem seien auch die Beleidigungen des Klägers im Rahmen der Billigkeit zu berücksichtigen. Darin ist keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.
[12] 4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.
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