OGH 9ObA59/12k

OGH9ObA59/12k20.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger und KR Karl Frint als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** A*****, vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer, Dr. Karl-Heinz Plankel, Mag. Stefan Ganahl, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 48.839,82 EUR sA (Revisionsinteresse), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2012, GZ 10 Ra 104/11d-160, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin, die gegenüber der Beklagten einen Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG geltend macht, bekämpft die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Beklagten durch die Abwerbung von Kunden kein erheblicher Vorteil verblieben sei und ein Ausgleichsanspruch der Billigkeit widerspreche. Die Klagsabweisung greife insofern in die Rechtskraft des Zwischenurteils des Berufungsgerichts vom 17. Jänner 2008, 10 Ra 125/07m-109, ein, mit dem die Berechtigung des Anspruchs der Klägerin dem Grunde nach festgestellt worden sei. Eine Billigkeitsprüfung dürfe daher nicht zum gänzlichen Entfall des Ausgleichsanspruchs führen.

Gemäß § 393 Abs 1 ZPO kann das Gericht durch Zwischenurteil vorab über den Grund des Anspruchs entscheiden, auch wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht. Dass der von der Klägerin geltend gemachte Ausgleichsanspruch mit Zwischenurteil als zu Recht bestehend erkannt wurde, kann einer Klagsabweisung daher nicht entgegen stehen, wenn die Höhe des Anspruchs letztlich mit Null beziffert wird.

Dass auch die Reduktion eines Ausgleichsanspruchs aus Gründen der Billigkeit (§ 24 Abs 1 Z 3 HVertrG) nicht den Grund, sondern die Höhe des Anspruchs betrifft, erhellt schon daraus, dass Billigkeitserwägungen eine graduelle Kürzung innerhalb der gesamten Bandbreite eines Anspruchs zulassen, sodass sich ein gänzlicher Anspruchsverlust durch Kürzung auf Null nur als maximale Beschränkung darstellt. Der Grund des Anspruchs wird damit nur im Ergebnis, nicht aber seinem Wesen nach in Frage gestellt. Ein Eingriff in die Rechtskraft des Zwischenurteils liegt darin nicht.

Die Klägerin meint weiter, dass auch die Frage, ob die Beklagte nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann (§ 24 Abs 1 Z 2 HVertrG), als Anspruchsvoraussetzung den Grund ihres Anspruchs betrifft, der aufgrund des Zwischenurteils nicht mehr in Frage zu stellen sei. Dies übersieht jedoch, dass das Berufungsgericht die Frage der erheblichen Vorteile in Zusammenhang mit den gleichzeitig erfolgten Abwerbungen durch die Klägerin gesehen und letztlich unter Billigkeitsaspekten iSd § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG beurteilt hat (idS auch Petsche/Petsche-Demmel, HandelsvertreterG, § 24 Rz 82, 111; vgl im Übrigen auch 8 ObA 65/06a: „Dass … eine Anwendung des § 24 HVertrG auf das Rechtsverhältnis nicht geboten sei, weil nach der Art der vermittelten Geschäfte kein dauernder Vorteil für die Beklagte durch die Vermittlungstätigkeit des Klägers zu erwarten sei, betrifft in Wahrheit die Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 24 HVertrG …“).

Zur Nichtberücksichtigung der „Liniengeschäfte“ ist die Klägerin auf die Ausführungen der Vorinstanzen zu verweisen, die dazu schon ein entsprechend konkretes Vorbringen vermissten.

Soweit die Klägerin ihren Anspruch entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts sehr wohl als billig erachtet wissen will, so ist ihr zu entgegnen, dass die iSd § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG „unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provision, nach Billigkeit“ festzusetzende Ausgleichszahlung geradezu ein Musterbeispiel für eine nach dem jeweiligen Einzelfall zu treffende Billigkeitsentscheidung ist, weshalb sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RIS-Justiz RS0112590). Eine korrekturbedürftige grobe Fehlbeurteilung liegt schon angesichts der festgestellten Abwerbetätigkeiten der Klägerin nicht vor (vgl Petsche/Petsche-Demmel, aaO Rz 111).

Dafür, dass anstelle des vom Erstgericht gewählten vierjährigen von einem fünfjährigen Prognosezeitraum ausgegangen werden müsse, werden keine Gründe aufgezeigt (vgl auch 4 Ob 65/06x sowie Nocker, HVertrG 1993 § 24 Rz 644 [drei bis fünf Jahre]).

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

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