European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00026.22P.0323.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.647,18 EUR (darin 274,53 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrte, das beklagte Land für schuldig zu erkennen, bestimmte Maßnahmen zur Verminderung von Lärmimmissionen, die auf ihr Grundstück einwirken, zu setzen und dessen Haftung für künftige Schäden an ihrer Liegenschaft und ihrer Gesundheit festzustellen. In eventu stellte sie ein Zahlungs- und mehrere Unterlassungsbegehren sowie ein weiteres Feststellungsbegehren.
[2] Das Erstgericht wies die Klage – soweit sie nicht auf Amtshaftung gestützt wird – wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück und im Übrigen (also in Ansehung von Amtshaftungsansprüchen) ab.
[3] Das Rekurs‑ und Berufungsgericht gab weder dem dagegen erhobenen Rekurs noch der Berufung der Klägerin Folge. Es führte zum Rekurs aus, die Zurückweisung der Klage sei, soweit sie sich auf § 364a ABGB stütze, nicht zu beanstanden; der Revisionsrekurs sei mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Zur fehlenden Berechtigung der Berufung verwies es gemäß § 500a ZPO auf die Ausführungen des Erstgerichts, welches der Klägerin erläutert hatte, dass sich aus den von ihr herangezogenen gesetzlichen Bestimmungen kein vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbares subjektives Recht (etwa auf die Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen, Aufstellung von Radarkästen oder die Errichtung von Lärmschutzwänden) ableiten lasse, erklärte die Revision aber für zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):
[5] 1. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage, ob § 364a ABGB lex specialis zu § 16 ABGB iVm Art 8 MRK sei, kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidend an. Die Klägerin hat den Beschluss, mit dem die Zurückweisung der Klage, soweit sie nicht auf Amtshaftung gestützt wird, bestätigt wurde, in dritter Instanz nicht bekämpft. Die Zulässigkeit ihrer Revision, mit der sie die Aufhebung des Urteils begehrt, begründet sie damit, dass ihr ein Unterlassungsanspruch aufgrund der Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB zustehen müsse, weil sie keinen Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren genieße. Ein solcher im Privatrecht wurzelnder Unterlassungsanspruch kann aber nicht mehr Gegenstand des Verfahrens dritter Instanz sein, wenn die Klage insoweit bereits rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Auch die von ihr in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung zu 2 Ob 1/16k betrifft einen Rechtsstreit unter Privaten.
[6] 2. Im Rahmen der Amtshaftung (also im Hoheitsbereich) kann den Rechtsträgern nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kein bestimmtes Tun (oder Unterlassen) aufgetragen werden (RS0010522 [T2 bis T6, T11]; zur Unterlassung s zuletzt 1 Ob 170/18h mwN). Der Amtshaftungsanspruch kann nur auf Geldersatz oder die Feststellung der Haftung für einen noch nicht bezifferbaren Schaden gerichtet sein (RS0049906 [insb T1 und T2]; vgl auch RS0045688; Schragel, AHG³ Rz 170 f mwN).
[7] 3. Für die – in dritter Instanz allein relevante – Frage einer Haftung aus hoheitlicher Tätigkeit sind auch die weiteren Ausführungen der Klägerin dazu, dass die Errichtung von Lärmschutzwänden, Geschwindigkeitsbegrenzungen und deren Überwachung sowie die Aufbringung von Flüsterasphalt Maßnahmen der Privatwirtschaftserhaltung eines Straßenerhalters seien, nicht zielführend. Sie bezieht sich darauf, dass sie „die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte geltend“ gemacht habe, diese Drittwirkung insbesondere dazu führe, dass die Grundrechte im Privatrecht besonders zur Konkretisierung von Generalklauseln herangezogen werden können, und meint, die Beklagte trete bei Ausübung der Straßenverwaltung „privatrechtlich“ auf. Warum sich daraus die Berechtigung von Amtshaftungsansprüchen ableiten lassen sollte, kann sie mit diesen Ausführungen nicht erklären.
[8] 4. Zuletzt behauptet sie, dass ihr „zum Zweck eines effizienten Rechtsschutzes aus dem Titel des § 16 ABGB iVm Art 8 MRK ein Unterlassungsanspruch und ein Schadenersatzanspruch“ zustehe, ohne aber einen Zusammenhang mit hoheitlich gebotenen Maßnahmen herzustellen. Auf diese Weise kann sie (auch zum Schadenersatz) das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs nicht belegen. Sie räumt im Übrigen selbst ein, dass sich aus der auf der Richtlinie 2002/49 EG beruhenden Verordnung BGBl II 2006/144 keine subjektiven Rechte ableiten lassen. Ihre daran anschließende Behauptung, es sei aber „ein subjektives Recht aus dem Unionsrecht ableitbar“ stützt sie auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, in der diese Richtlinie aber gar nicht Gegenstand der Prüfung war (sondern zu einer anderen Richtlinie ein subjektives Recht darauf, einen Antrag auf Erlassung [oder Ergänzung] einer Verordnung stellen zu können, angenommen wurde). Dadurch, dass sie – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (siehe dazu schon 1 Ob 139/10p) – ohne weitere Ausführungen (etwa dazu, aus welchen Bestimmungen der Richtlinie 2002/49/EG welches konkrete subjektive Recht des Einzelnen abzuleiten sein sollte) behauptet, diese Richtlinie gewähre selbst ein subjektives Recht „auf Einhaltung der Grenzwerte gemäß Richtlinie“, kann sie keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufzeigen; schon gar nicht, dass ein Überschreiten von Grenzwerten unmittelbar zu einem Amtshaftungsanspruch führen würde.
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