Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.153,73 EUR (darin enthalten 192,29 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger bewohnen seit 2006 ein Einfamilienhaus in Wien. Entlang ihrer Liegenschaft verläuft auf einem Grundstück der Beklagten (öffentliches Gut) eine Landes- bzw Gemeindestraße, die in beiden Fahrtrichtungen zu befahren ist und deren Aktivfahrbahn (ua) im Bereich der Liegenschaft der Kläger aufgrund gepflasteter Parkflächen und vorgezogener Gehsteige auf 7,1 m reduziert wurde. Jenes Wohngebiet, in dem sich die Liegenschaft der Kläger befindet, wurde 1990 durch Verordnung des Landes Wien zur sogenannten Tempo 30-Zone erklärt. Die Beschränkung der höchstzulässigen Geschwindigkeit auf 30 km/h wurde ua unmittelbar bei der Liegenschaft der Kläger als Piktogramm auf die Fahrbahnoberfläche gezeichnet.
Die Kläger begehren 1.) die Unterlassung von Immissionen durch Straßenlärm, soweit dieser von Verkehrsteilnehmern durch die Überschreitung der Geschwindigkeit von 30 km/h auf der erwähnten Straße verursacht wird, 2.) die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden zukünftigen Schaden infolge derartiger Immissionen, und 3.) die Zahlung von 6.552 EUR wegen des Einbaus von Schallschutzfenstern und einer Klimaanlage.
Die Vorinstanzen haben das auf das Nachbarrecht und das AHG (Schadenersatzanspruch) gestützte Klagebegehren abgewiesen. Das Berufungsgericht ließ über Antrag der Kläger nachträglich die Revision zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dem behaupteten Rechtsschutzdefizit im Zusammenhang mit den Intentionen der EU-Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.
Wie sich schon aus der Formulierung des Unterlassungs- bzw Feststellungsbegehrens ergibt, geht es den Klägern im Endeffekt darum, dem beklagten Rechtsträger Maßnahmen aufzutragen, die die (lückenlose) Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 30 km/h garantieren sollen. Diese Regelung und Sicherung des Gemeingebrauchs an öffentlichen Straßen ist eindeutig der Hoheitsverwaltung zuzuordnen. Derartige Maßnahmen der Hoheitsverwaltung können aber mit den privatrechtlichen Mitteln des Nachbarrechts nicht erzwungen werden (Spielbüchler in Rummel 3, § 364 ABGB Rz 6; Oberhammer in Schwimann 3, ABGB3 II, § 364 Rz 14; RIS-Justiz RS0010522). Jene höchstgerichtliche Judikatur, die nachbarrechtliche (Ausgleichs-)Ansprüche bei Immissionen, die von öffentlichen Straßen ausgingen, bejahte, bezieht sich auf Maßnahmen der Gebietskörperschaften im Rahmen der Straßenerhaltung, also der Privatwirtschaftsverwaltung („übermäßige“ Salzstreuung: 4 Ob 239/08p; 3 Ob 77/09h; Baumaßnahmen auf öffentlichen Straßen: 7 Ob 66/02k mwN; Windbruchschäden infolge der Rodung für den Straßenbau: JBl 1989, 646). Bei Immissionsschäden durch den öffentlichen Verkehr sind hingegen derartige Ausgleichsansprüche gegen den Straßenerhalter ausgeschlossen (6 Ob 548/81 = SZ 55/55; vgl auch 3 Ob 534/90).
Ob die Verordnung einer Tempo 30-Zone in einem Wohngebiet als Maßnahme der Verkehrsberuhigung tatsächlich nicht (auch) dem Schutz der Anrainer vor Lärmbelästigung dient und deshalb ein Amtshaftungsanspruch ausgeschlossen sein soll, wie die Vorinstanzen angenommen haben, kann dahingestellt bleiben: Die Kläger, die im Amtshaftungsprozess das rechtswidrige Organverhalten als Ursache für die behaupteten (zukünftigen) Schäden darzulegen haben (1 Ob 68/09w mwN), werfen der Beklagten die rechtswidrige Unterlassung gebotener (hoheitlicher) Maßnahmen zur Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung (insbesondere Verkehrsüberwachung im Rahmen der Verkehrspolizei) vor. Rechtswidriges Organverhalten kann zwar uU durch die Unterlassung zumutbarer Maßnahmen im Rahmen der Verkehrspolizei begründet werden (vgl Koziol, Haftung der öffentlichen Hand wegen mangelhafter Verkehrsüberwachung, RdW 1985, 4; Schragel, AHG3 Rz 144). Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kläger hätten keinen Anspruch auf Maßnahmen, die die von ihnen ja angestrebte Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit durch sämtliche Verkehrsteilnehmer garantieren, wie die (lückenlose) Kontrolle verordneter Geschwindigkeitsbeschränkungen, ist aber keine aufzugreifende Fehlbeurteilung, entspricht sie doch auch dem allgemeinen Grundsatz, es bestehe grundsätzlich kein subjektives Recht auf gesetzmäßige Führung der gesamten Verwaltung (RIS-Justiz RS0049967).
Der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 6. 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm lässt sich ein subjektives Recht des Einzelnen, dem Staat (bzw hier einer Gebietskörperschaft) konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Lärmemissionen aufzutragen, nicht entnehmen. Ziel der Richtlinie ist nach ihrem Art 1 insbesondere die Festlegung eines gemeinsamen Konzepts zur Verhinderung oder zur Reduktion von schädlichem Umgebungslärm. Dieses Ziel soll insbesondere durch die in den Art 7 und Art 8 der Richtlinie festgelegten, den Mitgliedstaaten obliegenden Maßnahmen (Ausarbeitung strategischer Lärmkarten und Aktionsplänen) erreicht werden. Dass die zitierte Richtlinie entgegen dem klaren Wortlaut dem Einzelnen ein subjektives Recht einräumt, zur Bekämpfung von Umgebungslärm detaillierte, allenfalls in einem Aktionsplan iSd Art 8 der Richtlinie festgehaltene Maßnahmen zu verlangen (vgl 1 Ob 68/09w zur Richtlinie 96/62 EG des Rates vom 27. 9. 1996 über die Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität), behauptet die Revision gar nicht. Damit legt sie die Erheblichkeit der dem Zulassungsausspruch zugrunde liegenden Rechtsfrage nicht ausreichend dar.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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