OGH 15Os114/21k

OGH15Os114/21k9.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen * M*, wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 16. Juni 2021, GZ 17 Hv 18/21b‑33, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00114.21K.0309.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in * und andernorts als Geschäftsführer der T* GmbH, sohin als leitender Angestellter einen Bestandteil des Vermögens der GmbH beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt bzw geschmälert, wobei er durch die Tat einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, und zwar

1./ im Verlauf der Wirtschaftsjahre 2018 und 2019 (bis zur Konkurseröffnung im Oktober 2019) durch Akontozahlungen in Höhe von gesamt 390.211,69 Euro an die S* sro,

2./ im Verlauf des Wirtschaftsjahres 2019 (bis zur Konkurseröffnung im Oktober 2019) durch Akontozahlungen in Höhe von gesamt 31.654,62 Euro an die SA* GmbH.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf „Beischaffung der Unterlagen hinsichtlich der weiteren Strafen in England“ zum Beweis dafür, „dass der Schaden um weitere ′zumindest 120.000 Euro′ geringer ausfällt“ (ON 32 S 16), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Denn Genannter hatte hinsichtlich weiterer (angeblich) von der T* zu übernehmender und demnach mit den Vorauszahlungen dieses Unternehmens an die S* sro zu verrechnender Strafen in der Hauptverhandlung deponiert, es gebe zwar „eine große Rechnung mit 120.000 Euro“, er habe sie aber „nicht gefunden“ (ON 32 S 9). Damit war nicht erkennbar (vgl ON 32 S 16 f), dass eine Beischaffung von (irgendwo allenfalls vorhandenen) Unterlagen geeignet gewesen wäre, den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache, also eine für den Schuldspruch oder die Subsumtion erhebliche Tatsachenfeststellung zu beeinflussen (RIS‑Justiz RS0118319 [T1, T3], RS0116503), weil der Gesamtschaden selbst nach Abzug der behaupteten Rechnungssumme von 120.000 Euro weiterhin 300.000 Euro übersteigen würde. Soweit mit der Formulierung „zumindest 120.000 Euro“ allenfalls eine höhere Summenachgewiesen werden sollte, ließ der Antrag offen, weshalb die begehrte Beweisführung trotz der oben angeführten Angaben des Angeklagten das gewünschte Ergebnis (also die tatsächliche Auffindung von Unterlagen an einem im Antragszeitpunkt unbekannten Ort, die eine 120.000 Euro übersteigende Gegenforderung der S* sro belegen würden) erzielen sollte (RIS-Justiz RS0107040). Somit lief das Begehreninsoweit auch auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus (RIS‑Justiz RS0099353; siehe auch US 9 sowie die Ausführungen des Sachverständigen zur Unterlagenbeschaffung ON 16 TZ 9–17, TZ 66–69).

[5] In diesem Zusammenhang bezieht sich der Beschwerdeführer überdies auf einen am 12. April 2021 schriftlich gestellten Antrag auf Übermittlung einer „vollständigen Aktenabschrift“ (ON 26) und einen erst am 23. Juni 2021 (also nach der Urteilsfällung) eingebrachten Antrag auf Übermittlung (auch) der vom Masseverwalter (unmittelbar) an den Sachverständigen übergebenen „Buchhaltungsunterlagen“ (ON 35) und moniert, „der gesamte Strafakt, insbesondere die Buchhaltungsunterlagen“ seien ihm in der Hauptverhandlung am 16. Juni 2021 „noch immer nicht vorgelegen“. Unter dem damit angesprochenen Aspekt unzureichender Vorbereitungsmöglichkeit beruft sich der Angeklagte allerdings gerade nicht auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Einsichtnahme in die Akten oder die Buchhaltungsunterlagen (und allfällige Vertagung der Hauptverhandlung zur besseren Vorbereitung der Verteidigung), sodass sich Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 4 StPO auch aus diesem Umstand nicht ableiten lässt (vgl RIS-Justiz RS0099178 [T6]).

[6] Als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) erachtet die Beschwerde die Feststellungen zum Fehlen von (mit Akontozahlungen der T* GmbH im Umfang von 390.211,69 Euro verrechenbaren) Gegenleistungen der S* sro (US 3 f). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ist aber nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht den Schaden letztlich mit jenem Betrag bestimmte, zu welchem den Vorauszahlungen an die S* sro im Rechenwerk des vom Angeklagten geleiteten Unternehmens keinerlei Belege oder Rechnungen für tatsächlich von der Letztgenannten erbrachte Leistungen und auch keine (nachträglich) vor der Hauptverhandlung „aufgetauchte“ (im Rechenwerk noch nicht berücksichtigte) Rechnungen gegenüberstanden (US 7 f).

[7] Auf Umstände, die im Beweisverfahren nicht hervorgekommen sind, sondern erst in der Beschwerdeschrift neu vorgebracht werden, kann im Nichtigkeitsverfahren keine Rücksicht genommen werden (RIS-Justiz RS0099699, RS0098978). Soweit der Angeklagte somit erstmals im Rechtsmittel (ON 37 samt Beilagen) vier im Hauptverfahren (vgl ON 30, 32) noch nicht thematisierte Ausgangsrechnungen der T* GmbH an die S* sro (Nr 186564, 187128, 187134, 187615) vorlegt und im Zusammenhang damit behauptet, diese Positionen seien von der S* sro „bestritten“ und ihr „falsch verrechnet“ worden, die Rechnungen seien daher „zu stornieren bzw mit einer Gutschrift gegenzurechnen“, sie würden tatsächlich „eine Forderung der S* sro an die T* GmbH“ darstellen, hat das Vorbringen als unzulässige Neuerung auf sich zu beruhen.

[8] Soweit die Beschwerde zwei bereits in der Hauptverhandlung (ON 32 S 5 f, 13–15) in Frage gestellte Ausgangsrechnungen im Betrag von insgesamt 68.743,02 Euro (Nr 186561 und 186565; ON 30 S 35, 38, 39) mit einer „Gutschrift“ für die S* sro gegengerechnet wissen will, bezieht sie sich einerseits nicht auf für den Schuldspruch oder die Subsumtion entscheidende Tatsachen und bekämpft andererseits bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter (US 8) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[9] Aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben, mit anderen Worten: wenn sich im Urteil ein falsches Zitat aus den Akten findet (vgl RIS‑Justiz RS0099547). Ein solches Fehlzitat wird mit der Behauptung, das Gericht gehe „trotz der im Akt aufliegenden Buchhaltungsunterlagen“ (siehe dazu allerdings das Vorbringen zur Z 4 sowie ON 16, 17 und die Vorgänge zu ON 35 und 36) „fälschlicherweise“ von einem Schadensbetrag von 390.211,69 Euro betreffend die S* sro aus, gerade nicht geltend gemacht, weil damit (abermals) bloß die von den Tatrichtern gezogenen Schlüsse (US 3 f, 7 f) kritisiert werden (RIS‑Justiz RS0099524).

[10] Die Tatsachenrüge (Z 5a) verweist lediglich auf die Argumente der Mängelrüge und geht damit daran vorbei, dass die Nichtigkeitsgründe wesensmäßig verschieden sind und daher getrennt ausgeführt werden müssen (RIS-Justiz RS0115902). Es gelingt ihr damit jedenfalls nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen hervorzurufen (zur Unzulässigkeit des Vorbringens von Neuerungen im Rahmen der Tatsachenrüge siehe RIS‑Justiz RS0099708).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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