European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00154.21G.0223.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist Inhaberin der internationalen Wortmarke AMERICAN EAGLE, IR 1456413, mit der Priorität 22. 6. 2018, eingetragen für die folgenden Waren der Klasse 33:
Alcoholic beverages (except beers); spirits.
[2] Sie beantragte, ihr den Schutz für diese Marke in Österreich zu gewähren. Erstmals im Rekursverfahren beantragte sie hilfsweise, den Schutz (nur) für die folgenden Waren zu gewähren:
Alcoholic beverages (except beers); spirits; the aforesaid goods produced and conditioned in the United States.
[3] Die Rechtsabteilung des Patentamts verweigerte den Schutz in Österreich mit der Begründung, das Zeichen sei geeignet, die Öffentlichkeit über die Herkunft der Waren aus den Vereinigten Staaten zu täuschen, obwohl die Antragstellerin im Vereinigten Königreich ansässig sei (§ 4 Abs 1 Z 8 MSchG).
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Das Publikum werde das Zeichen überwiegend mit „Amerikanischer Adler“ übersetzen und so einen Zusammenhang mit den Vereinigten Staaten herstellen. Dieser Zusammenhang werde dadurch verstärkt, dass der Adler – konkret der Weißkopfseeadler, der in freier Wildbahn nur in Nordamerika vorkomme – allgemein als Wappentier der Vereinigten Staaten bekannt sei. Das Zeichen sei daher geeignet, das Publikum an die Vereinigten Staaten und daran denken zu lassen, dass die damit bezeichneten Waren dort produziert worden seien oder von einem amerikanischen Unternehmen stammten. Die von der Antragstellerin angesprochene Praxis im Geschäftsleben, dass Waren weltweit produziert würden und Unternehmen auf länderübergreifender Basis operierten, könne daran nichts ändern. Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil er gegen das Neuerungsverbot verstoße (§ 37 Abs 3 MSchG iVm § 139 Z 3 PatG).
[5] Die Antragstellerin begehrt mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, ihrem Eintragungs‑ bzw ihrem Eventualantrag Folge zu geben. Die Täuschungsgefahr sei zu verneinen, weil die von ihr vertriebenen Spirituosen tatsächlich in den USA hergestellt und aufbereitet würden, wie auch ihrem Eventualantrag zu entnehmen sei. Im Übrigen sei ihr Hilfsantrag nicht als neuer Sachantrag, sondern als zulässige Einschränkung des Warenverzeichnisses zu qualifizieren.
[6] Der Revisionsrekurs ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig und daher zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[7] 1.1. Nach § 4 Abs 1 Z 8 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die geeignet sind, das Publikum zum Beispiel über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu täuschen.
[8] 1.2. Auf Basis dieser Bestimmung ist die Registrierung zu versagen, wenn die Marke Angaben enthält, die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen und damit zur Täuschung des Publikums geeignet sind (OPM Om 2/00 = PBl 2001, 200, Old Bourbon Street). Diese Frage hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab, so dass ihr regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt.
[9] 1.3. Das Rekursgericht hat mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass das Kennzeichen American Eagle einen engen Zusammenhang mit den USA herstelle und das Publikum annehmen lasse, die damit bezeichneten Waren seien dort produziert worden oder stammten von einem amerikanischen Unternehmen. Das angemeldete Zeichen sei daher zur Täuschung über die Herkunft der damit vertriebenen Waren geeignet.
[10] 1.4. Darin liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung, zumal das Kennzeichen im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen steht, hat doch die Anmelderin in erster Instanz nicht dargetan, dass die mit der fraglichen Marke gekennzeichneten Produkte aus den USA stammen. Vielmehr lässt der Sitz der Anmelderin im UK darauf schließen, dass dies nicht der Fall ist.
[11] 1.5. Dem Einwand im Revisionsrekurs, wonach die Täuschungseignung auf die spezifischen Waren und nicht auf den Unternehmenssitz der Markeninhaberin zu beziehen sei, ist entgegenzuhalten, dass das Rekursgericht den Unternehmenssitz der Antragstellerin als Indiz für die Herkunft der Waren erachtete (bei einer Destillerie wird allgemein vermutet, dass sie im Land ihres Sitzes produziert) und damit letztlich auf diese abstellte.
[12] 1.6. Wenn es auch richtig ist, dass Waren weltweit produziert werden und Unternehmen auf länderübergreifender Basis operieren, so ändert dies nichts daran, dass eine auf die USA hinweisende Marke für nicht aus diesem geographischen Raum stammende Produkte geeignet ist, das Publikum über die geographische Herkunft dieser Produkte zu täuschen. Das Vorbringen, dass die mit der fraglichen Marke gekennzeichneten Spirituosen in den USA hergestellt und aufbereitet würden, hat die Antragstellerin erst im Revisionsrekurs – und damit verspätet – vorgebracht.
[13] 2. Das Rekursgericht hat die nachträgliche Umformulierung des Schutzantrags als Verstoß gegen das Neuerungsverbot qualifiziert. Auch in diesem Zusammenhang wirft das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[14] 2.1. Gemäß § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG gelten für das Rekursverfahren die Bestimmungen des AußStrG. Dabei ist aber die Anwendung des § 49 AußStrG über die Zulässigkeit von Neuerungen ausdrücklich ausgeschlossen. Als Neuerungen sind nach dem enger gefassten (und an § 482 Abs 2 ZPO angelehnten) Wortlaut des § 139 Z 3 PatG nur neue Tatsachen oder Beweismittel „zur Stützung oder zur Widerlegung der in der ersten Instanz rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen und Beweise“ zulässig.
[15] 2.2. Schon nach § 49 AußStrG sind jedenfalls neue Anträge im Rekursverfahren nicht zulässig, weil nach dessen Abs 1 nur neue Tatsachen und Beweismittel zulässig sein können (RS0006796 [T7]; RS0006831 [T1]). Unzulässig sind insbesondere erstmals im Rekurs gestellte Eventualanträge, die nicht als bloßes Minus zu qualifizieren sind (RS0006796 [T9]; 3 Ob 70/08b; 6 Ob 194/14v). Wenn das Rekursgericht diese von der ständigen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auch im außerstreitigen Markenschutzverfahren anwendet, bedarf das schon deshalb keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung, weil die Zulässigkeit von Neuerungen nach § 49 AußStrG wesentlich weiter gefasst ist als im Bereich des § 139 Z 3 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG.
[16] 2.3. Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass die Antragstellerin im Rekursantrag mit ihrem Eventualantrag ihr ursprüngliches Begehren umformuliert hat, sodass ein (wegen des Neuerungsverbots unzulässiger) neuer Sachantrag vorliegt.
[17] 2.3.1. Dem hält das Rechtsmittel entgegen, dass kein neuer Sachantrag (Aliud) sondern eine zulässige Einschränkung (Minus) vorliegt.
[18] 2.3.2. Ob ein Aliud oder ein Minus anzunehmen ist, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen beiden Begehren (vgl RS0041023). Der Frage, wie eine bestimmte Prozesshandlung auszulegen ist, kommt aber grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042828). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass durch die Einschränkung des Warenverzeichnisses kein bloßes Minus, sondern ein neuer Sachantrag vorliegt, ist jedenfalls vertretbar, zumal damit dem hilfsweise gestellten Eintragungsantrag andere Tatsachen zugrundeliegen.
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