OGH 3Ob195/21d

OGH3Ob195/21d26.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Mag. Bernhard Kispert, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I*, vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wegen 7.272,96 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2021, GZ 39 R 72/21h‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00195.21D.0126.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens (Teilurteil über den Mietzinsrückstand) ist die Frage der Wirksamkeit einer im Mietvertrag der Streitteile geregelten Überwälzung der Kosten für die Erhaltungspflicht betreffend die mitvermietete Heizungsanlage auf den beklagten Mieter eines Geschäftslokals (samt angeschlossenem Büro und Lager). Das Berufungsgericht gab der – der Höhe nach unbestrittenen – Mietzinsforderung zur Gänze statt; es ging von einer im Teilanwendungsbereich des MRG wirksam vom Geschäftsraummieter übernommenen Erhaltungspflicht (auch) im Bezug auf die Heizanlage im Bestandobjekt aus.

Rechtliche Beurteilung

[2] In seiner außerordentlichen Revision dagegen zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[3] 1. Mit der Wohnrechtsnovelle 2015 (WRN 2015, BGBl I 2014/100), wurde für den Teilanwendungsbereich des § 1 Abs 4 MRG geregelt, dass die Erhaltungspflicht des Vermieters betreffend eine mitvermietete Heiztherme, einen Warmwasserboiler oder ein sonstiges mitvermietetes Wärmebereitungsgerät in der Wohnung nicht durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden kann (Art 4 § 1 WRN 2015). Die Erhaltung von Heizthermen, Warmwasserboilern und sonstigen Wärmebereitungsgeräten in Mietobjekten wurde damit – übereinstimmend mit der gleichzeitigen Neuregelung des § 3 Abs 2 Z 2a MRG für den Vollanwendungsbereich des MRG – auch für den Teilanwendungsbereich zugunsten des Mieters zwingend gestellt. Dies allerdings ausdrücklich nur für Wohnungsmietverträge und nicht für Mietverträge über Geschäftsräumlichkeiten (Art 4 § 1 WRN 2015; ErlRV 351 BlgNR 25. GP  9). Entgegen der Meinung des Revisionswerbers bedarf es aufgrund dieser klaren Anordnung des Gesetzgebers keiner höchstgerichtlichen Entscheidung zum „Anwendungsbereich des Art 4 § 1 der WRN 2015 für Geschäftsraummietverträge“ (RS0042656 [T1]).

[4] 2.1 Die Revision verweist auf die „Klauselentscheidungen“ zur vertraglichen Überwälzung von Instandhaltungspflichten und meint, das Berufungsgericht, das in der (von der Vermieterseite formularmäßig vorgesehenen) vertraglichen Übernahme der Instandhaltungsverpflichtung für den Mietgegenstand und die dafür bestimmten Einrichtungen und Geräte keine gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB erkannte, weiche im vorliegenden Einzelfall von diesen Judikaturgrundsätzen ab. Dies trifft nicht zu:

[5] 2.2 Durch die Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB wurde eine objektive Äquivalenzstörung und „verdünnte Willensfreiheit“ berücksichtigendes bewegliches System geschaffen. Bei der Abweichung einer Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften liegt gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners dann vor, wenn sie unangemessen ist (RS0016914). Unangemessenheit in diesem Sinn liegt vor, wenn sich für die Abweichung vom dispositiven Recht keine sachliche Rechtfertigung ergibt (vgl RS0016914 [T2, T3, T6]). Die Beurteilung der Frage, ob die Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm sachlich gerechtfertigt ist, erfordert eine umfassende, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Interessenabwägung, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (RS0016914 [T64]).

[6] 2.3 Das Berufungsgericht hat die vom Beklagten als gröblich benachteiligend angesehene vertragliche Regelung im Wesentlichen deshalb nicht als Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB und daher als wirksam beurteilt, weil sich die auf den Geschäftsraummieter überwälzte Instandhaltungspflicht ausschließlich auf die für das Bestandobjekt bestimmten Einrichtungen und Geräte („im Inneren“) beziehe und alle Beschädigungen und Funktionsstörungen, die als „ernste Schäden des Hauses“ zu qualifizieren sind, davon ausdrücklich ausgenommen worden seien. Eine generelle Überwälzung sämtlicher Erhaltungsarbeiten, wie in dem der Entscheidung 7 Ob 93/12w zugrunde gelegenen Fall, sei daher hier von den Vertragsparteien gerade nicht vorgesehen worden. Damit hält sich die Entscheidung aber sehr wohl innerhalb vorliegender Judikaturgrundsätze, denn entgegen der Rechtsansicht des Beklagten kann keine Rede davon sein, dass „bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise (...) keinerlei Erhaltungspflicht“ für die Vermieterin mehr bestünde. Daraus, dass die Vermieterin „jahrzehntelang“ den vereinbarten Mietzins erhielt, lässt sich ein die Sittenwidrigkeit begründender „Summierungs- und Verstärkereffekt“ der für den Mieter „nachteiligen Klausel“ nicht ableiten, ist doch für die Beurteilung einer Vertragsbestimmung als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich (vgl RS0016913; RS0017936). Auch der Hinweis auf jüngere Beiträge im Schrifttum zum Thema der Überwälzung der Erhaltungspflicht (Pesek, Ist die Überwälzung von Betriebskosten und Wartungspflichten auf den Mieter außerhalb des MRG‑Vollanwendungsbereichs (un‑)zulässig?, wobl 2021, 253; Vonkilch, (Un‑)Zulässigkeit von Kostenüberwälzungen auf den Mieter, wobl 2021, 268) zeigt keinen Korrekturbedarf auf, finden sich doch darin grundsätzliche Argumente für die Zulässigkeit von Überwälzungsvereinbarungen über Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten auf den Mieter (s etwa Pesek, wobl 2021, 264 ff).

[7] 3. Den vom Beklagten außerdem beanstandeten Zinsenzuspruch bestätigte das Berufungsgericht mit Hinweis auf das in erster Instanz unbestrittene Begehren der Höhe nach. Soweit der Beklagte nun in seiner außerordentlichen Revision behauptet, das klägerische Vorbringen dazu sei „unschlüssig“ gewesen, übergeht er den Umstand, dass er sich selbst mit dem auf „Vereinbarung/Schadenersatz“ gestützten Zahlungsbegehren der Klägerin im gesamten erstinstanzlichen Verfahren der Höhe nach in keiner Weise auseinander setzte (vgl RS0039927 [T1]). Hat aber das Berufungsgericht die Frage, ob § 267 ZPO zutreffend angewendet wurde oder nicht, bereits behandelt, kann sie in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0040078 [T8]; vgl auch RS0040146).

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