European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00168.21K.0125.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin führte bei einem Vertragsarzt der beklagten Österreichischen Gesundheitskasse, einem Facharzt für Innere Medizin in Niederösterreich am 3. 2. 2020 ein 24‑Stunden‑Blutdruckmonitoring durch, das unstrittig medizinisch zweckmäßig und notwendig war. Sie zahlte dem Facharzt dafür ein Honorar von 50 EUR.
[2] Das 24‑Stunden‑Blutdruckmonitoring war in die Honorarordnung des Ärzte‑Gesamtvertrags für Niederösterreich nicht aufgenommen worden. In der Honorarordnung des Gesamtvertrags für Oberösterreich ist in Position 258 das 24‑Stunden‑Blutdruckmonitoring mit 85,3 Punkten bewertet. Die Satzung der (damaligen) Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse sieht für diese Leistung bei Inanspruchnahme von Wahlärzten ab 1. 1. 2020 die Erstattung von Kosten in Höhe von 0,2315 EUR pro Punkt, gesamt hier daher 19,74 EUR vor.
[3] Mit Bescheid vom 29. 5. 2020 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Erstattung eines höheren Kostenbetrags als 19,74 EUR für das am 3. 2. 2020 durchgeführte 24‑Stunden‑Blutdruckmonitoring unter Berufung auf § 131b ASVG ab.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sei eine ärztliche Leistung im maßgeblichen Gesamtvertrag nicht erfasst, so sei § 131b ASVG analog anzuwenden. Diese Bestimmung sehe vor, dass bei Fehlen einer gesamtvertraglichen Regelung in der Satzung Kostenzuschüsse festzusetzen seien. Ein vollständiger Ersatz der dem Versicherten entstandenen Kosten sei dabei nicht geboten. In der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe kein Anspruch auf Kostenersatz nach „Marktpreisen“. Bei der Festlegung der Höhe von Kostenzuschüssen habe sich der Krankenversicherungsträger an vergleichbaren Tarifansätzen im selben Gesamtvertrag, wenn es solche nicht gebe, an vergleichbaren Tarifen in anderen Gesamtverträgen zu orientieren. Die Erstattung von Kosten in Höhe des in der Honorarordnung des Gesamtvertrags für Oberösterreich für das 24‑Stunden‑Blutdruckmonitoring vorgesehenen Kostenzuschusses begegne daher keinen Bedenken.
[5] In ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
[6] 1.1 Kostenerstattungen für Leistungen, hinsichtlich derer ein Tarif im Gesamtvertrag nicht vorgesehen ist, haben sich an den für vergleichbare Pflichtleistungen festgelegten Tarifen zu orientieren (zu einer 24‑Stunden‑Blutdruckmessung siehe die bereits vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 10 ObS 72/05v SSV‑NF 19/54). Welche tariflich erfasste Pflichtleistung mit der im konkreten Fall erfolgten Behandlung oder Untersuchung vergleichbar ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt in erster Linie eine Tatfrage dar. Dabei kann es einerseits auf die Art der Leistungen an sich, also auf ihre Methode und ihren Zweck, andererseits aber auch auf den im Einzelfall erforderlichen Sach‑ und Personalaufwand ankommen (RIS‑Justiz RS0113972).
[7] 1.2 Der Revisionswerber hält der diese Rechtsprechung beachtenden Entscheidung des Berufungsgerichts in der Revision unter Berufung auf die Entscheidung 10 ObS 166/94 SSV‑NF 9/100 das Argument entgegen, dass eine Kostenerstattung nach § 133 ASVG zu erfolgen habe und § 131b ASVG keine lex specialis zu dieser Bestimmung darstelle.
[8] 1.3 § 133 Abs 2 ASVG normiert jedoch entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers gerade keinen Kostenersatzanspruch. Nach dieser Bestimmung werden die Leistungen der Krankenbehandlung vielmehr grundsätzlich als Sachleistung erbracht. An die Stelle von Sachleistungen tretende Geldleistungen des Krankenversicherungsträgers („Kostenerstattung“) sollen im Bereich der Krankenbehandlung die Ausnahme bilden (10 ObS 361/01p SSV‑NF 15/142; RS0115953). Aus der vom Revisionswerber für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Entscheidung 10 ObS 166/94 SSV‑NF 9/100 ergibt sich nichts anderes: Der gesetzlich verankerte Krankenbehandlungsanspruch des Versicherten darf durch die Unvollständigkeit ärztlicher Gesamtverträge weder eingeschränkt noch beseitigt werden. Ein Vertragsarzt darf zwar auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers nur Leistungen erbringen, auf die der Versicherte Anspruch gegenüber der Österreichischen Gesundheitskasse besitzt. Ein Versicherter darf einen Vertragsarzt jedoch auch privat in Anspruch nehmen und hat Anspruch auf spätere Kostenerstattung, wenn es sich – wie hier – um notwendige Leistungen handelt (§ 133 Abs 2 ASVG; Tomandl, Sozialrecht7 Rz 172 mit Hinweis auf 10 ObS 166/94). Weitere Argumente gegen die Berechnung und Höhe der Kostenerstattung im konkreten Fall führt der Revisionswerber nicht ins Treffen.
[9] 2. Die Klägerin unterlässt Angaben, welche (weiteren) Feststellungen getroffen hätten werden sollen. Der bloße Verweis auf die Berufungsausführungen ist unbeachtlich (RS0043579).
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