OGH 8Ob106/21b

OGH8Ob106/21b29.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* Z*, vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. A* GmbH, *, vertreten durch die Pepelnik & Karl Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 2. T* GmbH, *, vertreten durch die Anwaltskanzlei Thiele GmbH in Linz, und die Nebenintervenientinnen 1. (auf Seiten der erstbeklagten Partei) M* GmbH, *, vertreten durch Mag. Doris Riedler, Rechtsanwältin in Wels, und 2. (auf Seiten der zweitbeklagten Partei) I* GmbH & Co KG in Liquidation, *, vertreten durch Mag. Gerlach Bachinger, Rechtsanwalt in Traun, wegen 33.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Juli 2021, GZ 2 R 91/21x‑51, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00106.21B.1129.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Erstbeklagte beauftragte die Arbeitgeberin des Klägers, ein im Bereich Montage und Industrieanlagenbau tätiges Unternehmen (Erstnebenintervenientin), mit der Errichtung eines kleinen Schutzdaches für eine bestimmte Armatur an der Außenhülle eines Gebäudes ihrer Fabrik. Zu dieser Zeit waren im Fabriksgelände verschiedene Umbauarbeiten im Gange, aufgrund derer die Erstbeklagte die Zweitbeklagte mit der Koordinierung nach dem BauKG beauftragt hatte.

[2] Um das Schutzdach montieren zu können errichtete der Kläger ein Behelfsgerüst. Es entsprach in mehrerlei Hinsicht nicht den Sicherheitsvorschriften und war nicht absturzsicher. Nachdem der Kläger gemeinsam mit seinen Mitarbeitern bei der Erstnebenintervenientin das Schutzdach montiert hatte und bereits wieder am Boden war und seinen Sicherheitsgurt ohne Fallstopp abgelegt hatte, bemerkte er, dass er etwas vergessen hatte, weshalb er wieder hinauf wollte. Anlässlich dessen stürzte der Kläger aus ca 2,5 bis 3 Meter Höhe und erlitt schwerste Verletzungen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Durch die Vorschriften des BauKG soll den Gefahren begegnet werden, die aufgrund der gleichzeitigen oder aufeinanderfolgenden Tätigkeit von Arbeitnehmern verschiedener Unternehmen entstehen (RIS‑Justiz RS0119449 [T1]; 7 Ob 218/19p [Pkt 1.1.]). Der Koordinator haftet nur bei Verwirklichung eines Risikos, das sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Unternehmer auf einer Baustelle ergibt (2 Ob 35/19i [Pkt 3.]). Es muss ein Koordinierungsfehler bei der Ausführung von Bauarbeiten durch mehrere Arbeitgeber vorliegen und der Schaden darauf zurückzuführen sein (8 ObA 54/14w [Pkt 3.2.]). Weil sich im vorliegenden Fall kein solches Risiko verwirklicht hat (dass die Gefahr, die sich durch seinen Absturz schließlich verwirklicht hat, durch Arbeitnehmer anderer Unternehmen beeinflusst war, konnte der Kläger nicht darlegen), hält sich die Abweisung der Klage in Hinsicht auf die Zweitbeklagte jedenfalls im Rahmen der Rechtsprechung.

[4] Den Werkbesteller trifft eine Informationspflicht, den Werkunternehmer auf Gefahrenmomente hinzuweisen, die für diesen nicht unschwer zu erkennen sind (RS0021799). Über leicht zu erkennende Gefahren muss demnach nicht informiert werden, ebensowenig ein Fachunternehmen über die in dessen Tätigkeitsbereich typisch auftretenden Gefahren (RS0021808 [T5]). Dass Montagearbeiten wie die hier vom Kläger durchgeführten eine Absturzgefahr mit sich bringen, ist ein offenkundiges Gefahrenmoment, auf das die Erstbeklagte die fachkundige Erstnebenintervenientin nicht hinzuweisen brauchte. Mangels Informations- bzw Schutzpflichtverletzung geht daher der Hinweis des Klägers ins Leere, der Vertrag zwischen der Nebenintervenientin und der Erstbeklagten entfalte zu seinen Gunsten Schutzwirkung.

[5] Der Vorwurf, der Angestellte der Erstbeklagten Dipl.‑Ing. E* habe dahin „eine falsche Arbeitsanweisung“ erteilt, dass die Montage des Daches mithilfe einer Leiter erfolgen solle, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt. Festgestellt wurde nur, dass zwischen Dipl.‑Ing. E* und dem Vorarbeiter der Erstnebenintervenientin besprochen wurde, „dass das Anbringen dieses Flugdaches/Schutzdaches mit einer Leiter erfolgen kann, dass kein Gerüst benötigt wird“. Eine verbindliche Anordnung oder die Erteilung eines für die Umsetzung des Werkes maßgeblichen Arbeitsauftrags durch den der Erstbeklagten zuzurechnenden Dipl.‑Ing. E* ist dieser Feststellung nicht zu entnehmen.

[6] Die Gefahr, die sich beim Sturz des Klägers verwirklicht hat, bestand – wie von Erst- und Berufungsgericht zutreffend ausgeführt – nicht schon in der exponierten Lage, in der hier gearbeitet wurde, sondern in der Verwendung einer völlig unzureichenden – vom Kläger selbst hergestellten – Aufstiegshilfe, die nicht der Sphäre der Erstbeklagten angehört. Auch in Hinsicht auf die Erstbeklagte erweist sich die Klageabweisung als nicht korrekturbedürftig.

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