OGH 8ObA90/21z

OGH8ObA90/21z29.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H* K*, vertreten durch Burkowski Gallistl Rechtsanwälte GesbR in Linz, gegen die beklagte Partei V* GmbH, *, vertreten durch Hawel Eypeltauer Gigleitner Huber & Partner Rechtsanwälte in Linz, wegen Entlassungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Oktober 2021, GZ 12 Ra 91/21w‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00090.21Z.1129.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wegen nicht vollständiger Erledigung der Beweisrüge liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat seine rechtliche Beurteilung ohnedies nicht auf den Irrtum des Klägers über seine Dienstfreistellung gestützt.

[2] 2. Die Beurteilung, ob ein Fehlverhalten eines Arbeitnehmers zur Entlassung berechtigt, ist immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS‑Justiz RS0106298; RS0103201 ua). Eine Einzelfallentscheidung ist im Revisionsverfahren nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste. Bewegt sich das Berufungsgericht im Rahmen der Grundsätze einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und trifft es seine Entscheidung ohne krasse Fehlbeurteilung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls, dann liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0044088 [T8, T9]).

[3] Die Rechtsprechung, dass eine pflichtwidrige Unterlassung der Dienstleistung während ihrer gesamten Dauer jederzeit als Entlassungsgrund geltend gemacht werden kann (RS0029396), lässt den Grundsatz unberührt, dass ein Entlassungsgrund immer die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den Arbeitgeber voraussetzt (RS0029009; RS0029020).

[4] Es kann dem Grundsatz von Treu und Glauben und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers widersprechen, wenn er zunächst längere Zeit hindurch ein tatbestandsmäßiges Verhalten des Arbeitnehmers widerspruchslos hinnimmt, sodass der Arbeitnehmer ein Einverständnis oder doch eine Gleichgültigkeit des Arbeitgebers annehmen kann, dieser aber dann dennoch eine Entlassung ausspricht. In einem solchen Fall muss er den Arbeitnehmer vorher zu einem pflichtgemäßen Verhalten auffordern (RS0028859 [T1]).

[5] Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich auf Grundlage des Sachverhalts, insbesondere unter Berücksichtigung der Besonderheiten der hier vorliegenden Fragen der Freistellung wegen der Covid‑Pandemie und des während der Abwesenheit des Klägers an diesen gerichteten Vergleichsangebots, noch im Rahmen der dargestellten Grundsätze der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

[6] 3. Ob der nicht hinreichend begründeten Entlassung zusätzlich ein verpöntes Motiv zugrundelag, ist für das rechtliche Ergebnis ohne Relevanz.

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