OGH 2Ob176/21b

OGH2Ob176/21b25.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Musger und Dr. Nowotny, die Hofrätin Mag. Malesich sowie den Hofrat MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* Z*, vertreten durch die IfS‑Erwachsenenvertretung, Poststraße 2/4, Dornbirn, diese vertreten durch Fischer & Walla Rechtsanwälte OG in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1. M* S*, und 2. U*, beide vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 9.913,04 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 10. August 2021, GZ 2 R 167/21f-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Bezau vom 12. April 2021, GZ 3 C 28/21y-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00176.21B.1125.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 917,02 EUR (darin enthalten 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die damals 16 Jahre alte Klägerin wurde am 10. 10. 2008 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Nach dem gerichtlichen Vergleich vom 5. 7. 2011 haften die beiden Beklagten gegenüber der Klägerin zur ungeteilten Hand für alle zukünftigen Folgen aus diesem Verkehrsunfall zu 80 %.

[2] Als Folge der beim Unfall erlittenen Verletzungen musste für die Klägerin zunächst eine Sachwalterin bestellt werden. Am 18. 1. 2019 wurde die IfS‑Erwachsenenvertretung zur neuen gerichtlichen Erwachsenenvertreterin für die Klägerin bestellt.

[3] Infolge des Unfalls erhielt die Klägerin aus zwei privaten Unfallversicherungen, die ihre Eltern (bei dritten Versicherern) für sie abgeschlossen hatten, Versicherungsleistungen von ca 700.000 bis 800.000 EUR ausbezahlt.

[4] Für den Zeitraum vom 24. 1. 2019 bis 30. 1. 2020 erkannte das Pflegschaftsgericht der genannten Erwachsenenvertreterin gemäß § 276 ABGB eine Entschädigung samt Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 12.391,30 EUR rechtskräftig zu. Das der Bemessung der Entschädigung zugrunde gelegene, 15.000 EUR übersteigende Vermögen der Klägerin stammte im Wesentlichen von den Leistungen aus der Unfallversicherung. Die Erwachsenenvertreterin wurde ermächtigt, den zuerkannten Betrag von einem Sparbuch der Klägerin zu entnehmen.

[5] Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin 80 % dieses Betrags, somit 9.913,04 EUR, von den Beklagten als unfallskausalen Schaden.

[6] Die Beklagten hielten diesem Begehren, soweit in dritter Instanz noch wesentlich, einenvorzunehmenden Vorteilsausgleich, fehlende Adäquanz und das Vorliegen eines bloß mittelbaren Schadens entgegen.

[7] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

[8] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen fehle, ob sich der Geschädigte Leistungen aus privaten Unfallversicherungen und Erträge daraus im Rahmen der Geltendmachung von Kosten eines unfallbedingt notwendigen Erwachsenenvertreters auch dann nicht als Vorteil anrechnen lassen müsse, wenn diese Leistungen und Erträge Einfluss auf das Ausmaß der Tätigkeit der Erwachsenenvertretung und die Höhe der Entschädigungsbemessungsgrundlage haben sowie, ob insoweit ein nicht ersatzfähiger mittelbarer Schaden vorliege.

[9] Die Revision der Beklagten ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht z ulässig:

Rechtliche Beurteilung

[10] 1. Zwar hat der Unfall bei der Klägerin auch einen Vorteil, nämlich Zahlungen aus privaten Unfallversicherungen an sie, ausgelöst. Die Frage eines allfälligen Vorteilsausgleichs, ob also der Schädiger durch diese Leistungen entlastet werden soll oder nicht (vgl dazu etwa RS0028395), stellt sich hier aber nicht. Denn erst der Vorteil führte zu dem weiteren Schaden der Klägerin (bzw zu einer Erhöhung ihres Gesamtschadens), mit dem die Beklagten zusätzlich belastet werden sollen. Denn das Vermögen der Klägerin wurde mit den Versicherungsleistungen angeschafft, ihre Einkünfte sind großteils die Erträgnisse daraus. Beides bildete nach § 276 ABGB die Bemessungsgrundlage für die Entschädigung der Erwachsenenvertreterin, die ohne die Versicherungsleistungen (deutlich) niedriger ausgefallen wäre. Dieser zusätzliche Schaden ist zu ersetzen, wenn er adäquat verursacht worden ist.

[11] 2. Die Adäquanz fehlt, wenn das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden nach allgemeiner Lebenserfahrung gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (RS0098939; vgl auch RS0022906). Für die Adäquanz kommt es nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist (RS0022918).Ob im Einzelfall ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind (RS0110361).

[12] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Umstand, dass einem durch einen Unfall Geschädigten aufgrund einer privaten Unfallversicherung Leistungen zufließen, die das Vermögen des Geschädigten vermehren und demgemäß auch den Aufwand einer unfallbedingt notwendigen Erwachsenenvertretung sowie die Bemessungsgrundlage für die Entschädigung der Erwachsenenvertreterin erhöhen, liege nicht außerhalb der Lebenserfahrung.

[13] Diese Beurteilung im Einzelfall ist nicht korrekturbedürftig und trifft auch beim Zufließen von Leistungen aus zwei Unfallversicherungen zu.

[14] Der Schädiger haftet grundsätzlich für Verbindlichkeiten des Geschädigten, die sich aus einer gerichtlichen Entscheidung ergeben, die im Kausalzusammenhang mit dem haftungsbegründenden Verhalten steht. Adäquanz und Rechtswidrigkeitszusammenhang sind nicht allein deswegen zu verneinen, weil diese Entscheidung allenfalls falsch sein könnte (2 Ob 71/15b = RS0130201 betreffend die Sachwalterentschädigung nach § 276 ABGB).

[15] 3. Aus der Entscheidung 2 Ob 71/15b SZ 2015/55 = EvBl 2016/11 (zust Schneider) = iFamZ 2016/66 (zust Deixler-Hübner) ergibt sich weiters eindeutig, dass es sich bei der unfallbedingt notwendig gewordenen Entschädigung für den Sachwalter (jetzt: gerichtlichen Erwachsenenvertreter) um keinen mittelbaren, nicht ersatzfähigen Schaden handelt. Die Entscheidung 2 Ob 8/86 (RS0022907) hat schon das Berufungsgericht als für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig beurteilt. Die Revisionswerberin unterlässt jede Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Argumenten des Berufungsgerichts.

[16] 4. Zusammengefasst ergibt sich, dass das Berufungsgericht die dargestellten Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst hat.

[17] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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