European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0100OB00025.21F.1116.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.568,10 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 261 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Streitteile sind in aufrechter Ehe verheiratet, ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Gegenstand des Verfahrens ist die Rückforderung von laufendem Ehegattenunterhalt, den der klagende Ehemann der beklagten Ehefrau im Zeitraum von 1. 8. 2017 bis 30. 9. 2019 gezahlt hat.
[2] Im Vorverfahren des Erstgerichts 13 C 42/16w begehrte die Ehefrau als Klägerin und gefährdete Partei vom damals beklagten Ehemann die Zahlung von 151.841,19 EUR an rückständigem Unterhalt, die Zahlung laufenden Unterhalts in Höhe von 2.209,04 EUR monatlich ab 1. 6. 2016, Rechnungslegung sowie – mit einstweiliger Verfügung – die Zahlung vorläufigen Unterhalts von monatlich 2.209,04 EUR.
[3] Infolge eines Teilanerkenntnisses des Ehemannes erging über Antrag der Ehefrau das Teilanerkenntnisurteil vom 24. 11. 2016 (ON 12 im Vorverfahren), mit dem der Ehemann schuldig erkannt wurde, einen rückständigen Unterhalt in Höhe von 900 EUR für Mai 2016 sowie laufenden Unterhalt ab 1. 6. 2016 in Höhe von 900 EUR monatlich zu zahlen. Die Ehefrau zog den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO (aF) zurück.
[4] Mit Schriftsatz vom 11. 2. 2019 brachte der Ehemann im Vorverfahren (dort ON 56) vor, dass die Ehefrau im Sommer 2017 eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung im Ausland mit fremder Eizelle und Samenspende durchführen habe lassen, wozu er seine Zustimmung nicht erteilt habe. Die Ehefrau habe dadurch ihren Unterhaltsanspruch ihm gegenüber verwirkt.
[5] Mit rechtskräftigem (End‑)Urteil vom 31. 5. 2019 verurteilte das Erstgericht im Vorverfahren den Ehemann zur Zahlung rückständigen Unterhalts in Höhe von 7.352 EUR. Das Mehrbegehren auf Zahlung rückständigen und laufenden Unterhalts wies es ab. In der Begründung dieser Entscheidung führte das Erstgericht aus, dass sich ein Anspruch an rückständigem Unterhalt für den Zeitraum von 1. 7. 2016 bis 31. 7. 2017 in der angeführten Höhe ergebe. Ab 1. 8. 2017 habe die Ehefrau durch ihr Verhalten den Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehemann verwirkt, sodass sich für die Zeit ab 1. 8. 2017 kein Unterhaltsanspruch der Ehefrau mehr ergebe.
[6] Der Kläger (Ehemann) fordert von der Ehefrau mit der vorliegenden Klage die Zahlung von 23.400 EUR. In diesem Umfang habe er aufgrund des Teilanerkenntnisurteils Unterhalt an die Ehefrau geleistet (monatlich 900 EUR für den Zeitraum von 1. 8. 2017 bis 30. 9. 2019). Die Ehefrau habe ihre Unterhaltsansprüche verwirkt, sie sei in diesem Umfang bereichert.
[7] Die Beklagte (Ehefrau) wandte dagegen die Rechtskraft des Teilanerkenntnisurteils ein. Diese Entscheidung sei durch die Endentscheidung im Vorverfahren nicht mehr berührt worden, denn die Begründung einer Entscheidung könne nicht in Rechtskraft erwachsen. Insofern liege entschiedene Rechtssache vor. Vor Erlassung des Teilanerkenntnisurteils habe der Ehemann die geleisteten Unterhaltsbeiträge aufgrund des „Ehevertrags“ geschuldet, nunmehr aufgrund des Teilanerkenntnisurteils, das eine Novation darstelle. Es fehle daher an einer Bereicherung der Ehefrau. Diese könne die aufgrund des Teilanerkenntnisurteils geschuldeten Unterhaltsbeträge zumindest bis zur rechtskräftigen Ehescheidung geltend machen.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege ein rechtskräftiges Anerkenntnisurteil vor, sodass es an einer für eine Bereicherung erforderlichen rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung fehle. Die Begründung des Endurteils im Vorverfahren könne nicht in Rechtskraft erwachsen.
[9] Das Berufungsgericht gab der Klage infolge Berufung des Ehemannes statt. Jede – auch gerichtliche – Unterhaltsregelung unterliege grundsätzlich der Umstandsklausel, nach der eine erhebliche Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse eine Änderung der Unterhaltsregelung rechtfertige. Dies gelte auch für ein Anerkenntnis, das in einem solchen Fall objektiv nicht als vorbehaltlose Erklärung verstanden werden könne. Inwieweit das Anerkenntnis des Ehemannes im Vorverfahren novierende Wirkung haben solle, bleibe völlig offen. Im Vorverfahren hätten sich die Umstände erst nach dem prozessualen Teilanerkenntnis maßgebend verändert. Diese Umstände habe der Ehemann noch im Rahmen des Vorverfahrens geltend gemacht und damit eine Anpassung des Teilanerkenntnisurteils an die geänderten Verhältnisse gefordert. Die Rechtskraft des Teilanerkenntnisurteils stehe einer neuerlichen, die geänderten Verhältnisse berücksichtigenden Entscheidung nicht entgegen. Dem Endurteil des Erstgerichts im Vorverfahren habe das Erstgericht eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs zugrunde gelegt, was die Ehefrau gar nicht in Abrede stelle. Das Endurteil im Vorverfahren sei daher dahin zu verstehen, dass das Klagebegehren zur Gänze – und nicht bloß im Umfang des 900 EUR monatlich übersteigenden Unterhaltsbetrags – abgewiesen worden sei. Die Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich mit der Begründung zu, dass die Rechtsfragen, ob ein Anerkenntnisurteil, mit dem in Zukunft fällig werdende Leistungen zugesprochen werden, grundsätzlich der Umstandsklausel unterliege und ob einem im selben Verfahren zeitlich nachgelagerten, erfolgreichen Einwand der Unterhaltsverwirkung die materielle Rechtskraft dieses Anerkenntnisurteils entgegenstehe, von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO seien.
[10] Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Ehemann beantwortete Revision der Ehefrau, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig.
[12] 1. Die Ehefrau argumentiert in der Revision mit der Rechtskraft des im Vorverfahren ergangenen Teilanerkenntnisurteils. Dagegen sei nur eine „Klage nach §§ 35–37 EO“ oder eine Feststellungsklage zulässig, nicht aber eine „normale (Gegen‑)Klage“. Auf das Teilanerkenntnisurteil sei die Umstandsklausel nicht anzuwenden.
[13] Dem kommt keine Berechtigung zu:
[14] 2.1 Durch gerichtliche Entscheidung oder Vergleich festgesetzte Unterhaltsansprüche unterliegen der Umstandsklausel. Der Anspruch kann im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu bemessen werden (RIS‑Justiz RS0018984; RS0057146). Wenn wegen Änderung der Verhältnisse die seinerzeitige Unterhaltsbemessung wegen der ihr innewohnenden Umstandsklausel nicht mehr bindend bleibt, darf eine Änderung der Unterhaltsbemessung auch für die Vergangenheit erfolgen (RS0053297).
[15] 2.2 Im vorliegenden Fall bewirkt die Rechtskraftwirkung des Teilanerkenntnisurteils aus dem Vorverfahren eine beide Parteien bindende Festlegung der Höhe der der Ehefrau zu zahlenden Unterhaltsbeträge im Ausmaß von 900 EUR monatlich. Diese Rechtskraftwirkung erstreckt sich auch über den hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 1. 8. 2017 bis 30. 9. 2019. Der Kläger hat entsprechend dem Teilanerkenntnisurteil vom 24. 11. 2016 in diesem Zeitraum monatliche Unterhaltsbeiträge von 900 EUR geleistet.
[16] 2.3 Ein Unterhaltstitel, der laufenden Unterhalt für die Zukunft zuspricht, kann bei wesentlicher Änderung anspruchsbegründender Tatsachen im Klageweg (Änderungsklage) den tatsächlichen Verhältnissen angepasst werden (4 Ob 204/02g). Dies ist kein Fall einer Wiederaufnahmeklage (vgl RS0044825 [T1]; 4 Ob 51/11w mwN).
[17] 2.4 Der Ehemann erhob bereits im Vorverfahren (im Februar 2019) den Einwand der Unterhaltsverwirkung und zwar nach Rechtskraft des Teilanerkenntnisurteils. Erstmals mit der nunmehr eingebrachten Klage fordert er die für den Zeitraum 1. 8. 2017 bis 30. 9. 2019 aus dem Titel der Bereicherung geleisteten Unterhaltsbeträge zurück. Die vorliegende Klage zielt also im Ergebnis auf eine rückwirkende Änderung des mit dem Teilanerkenntnisurteil im Vorverfahren geschaffenen Unterhaltstitels wegen einer wesentlichen Änderung der damals anspruchsbegründenden Tatsachen. Die Rechtskraft des Teilanerkenntnisurteils steht dieser Klage – entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin – im Hinblick auf die wesentliche Änderung anspruchsbegründender Tatsachen nicht entgegen. Daher bedarf es auch keiner weiteren Auseinandersetzung mit der auch in der Revision aufrecht erhaltenen Behauptung, es liege eine „Novation“ vor, weil der Ehemann nunmehr Unterhalt aufgrund des Anerkenntnisses und nicht mehr aufgrund der Ehe schulde: Auch die Rechtskraft des Anerkenntnisurteils hält einer wesentlichen Änderung der maßgebenden Tatsachen nicht stand.
[18] 2.5 Gegenstand des Vorverfahrens war nach Fällung des Teilanerkenntnisurteils – neben anderen Begehren – die Klage der Ehefrau auf Zahlung von weiteren 1.309,04 EUR monatlich an laufendem Unterhalt ab 1. 6. 2016 (2.209,04 EUR abzüglich anerkannter 900 EUR monatlich). Hingegen begehrt der Ehemann im vorliegenden Verfahren die auf Bereicherung gestützte Rückforderung der aufgrund des Teilanerkenntnisurteils geleisteten Unterhaltsbeträge von 900 EUR monatlich für den Zeitraum von 1. 8. 2017 bis 30. 9. 2019 (zur bereicherungsrechtlichen Rückforderbarkeit siehe etwa RS0016737 [T2]). Das nunmehrige Begehren des Ehemannes ist mit jenem der Ehefrau im Vorverfahren daher weder ident noch dessen kontradiktorisches Gegenteil, sodass entgegen den Revisionsbehauptungen keine Identität des Streitgegenstands vorliegt (RS0039347 [T8]).
[19] 3.1 Die Ehefrau führt in der Revision weiters aus, dass sich das Endurteil im Vorverfahren nur mehr auf den nicht durch das Teilanerkenntnisurteil erledigten Anspruchsteil beziehen könne. Eine Bindungswirkung an die im Vorverfahren ausgesprochene Verwirkung des Unterhaltsanspruchs bestehe nicht. Das im Vorverfahren ergangene Urteil entfalte infolge der Rechtskraft des Teilanerkenntnisurteils nur bezüglich der eingeklagten Unterhaltszahlungen, die über einen Betrag von 900 EUR monatlich hinausgehen, Rechtskraftwirkung. Auch eine Außerstreitstellung liege diesbezüglich nicht vor. Die Ehefrau regt die Entscheidung durch einen verstärkten Senat an.
[20] 3.2 Richtig ist, dass dem österreichischen Zivilverfahrensrecht ein „Begehren auf Anpassung eines Teilanerkenntnisurteils“ fremd ist. Der Ehemann hat jedoch, wie die Revisionswerberin selbst ausführt, ohnedies kein solches Begehren erhoben, sondern, gestützt auf die Umstandsklausel, die vorliegende bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsklage eingebracht.
[21] 3.3 Der Ehemann hat sich bereits in der Klage auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs durch die Ehefrau berufen, sodass der in diesem Zusammenhang gerügte Mangel des Berufungsverfahrens nicht vorliegt (§ 510 Abs 3 ZPO).
[22] 3.4 Die Ehefrau hat das Klagebegehren dem Grund und der Höhe nach lediglich unsubtantiiert mit der Begründung bestritten, dass ihm die Rechtskraft des im Vorverfahren ergangenen Teilanerkenntnisurteils entgegenstehe. Dies trifft aus den bereits dargelegten Gründen nicht zu.
[23] 3.5 Die Ehefrau hat die behauptete Verwirkung des Unterhaltsanspruchs im vorliegenden Verfahren nicht bestritten, sondern im Gegenteil „außer Streit“ gestellt, dass aus der Begründung des Urteils im Vorverfahren abgeleitet werden könne, dass sie durch ihr Verhalten dem Ehemann gegenüber ihren Unterhaltsanspruch seit 1. 8. 2017 verwirkt habe. Weder hat die Ehefrau geltend gemacht, dass nur der Teil des Unterhaltsanspruchs verwirkt wäre, der Gegenstand der Entscheidung im Vorverfahren war, noch hat sie Billigkeitsgründe geltend gemacht, die (bloß) zu einer allfälligen Minderung des von ihr geltend gemachten Unterhaltsanspruchs führen könnten (vgl RS0121740; 9 Ob 50/18w mwH). Die Ehefrau führt auch in der Revision dazu nichts aus, sondern behauptet lediglich, die Vorentscheidung (nämlich das Endurteil) entfalte keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren. Sie zeigt aber nicht auf, aus welchen Gründen dieser Umstand eine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Folge hätte, dass ihr Unterhaltsanspruch für den strittigen Zeitraum im konkreten Fall verwirkt war und der Ehemann zur Rückforderung des von ihm geleisteten Unterhalts von 900 EUR monatlich berechtigt ist.
[24] 4. Mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.
[25] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Ehemann hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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