OGH 28Ds10/20i

OGH28Ds10/20i10.11.2021

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 10. November 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Strauss und Dr. Wippel als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Vizthum in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt aus Anlass der

Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 25. Mai 2020, GZ D 31/19‑17, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Poppenwimmer und des Kammeranwalts Mag. Enzenhofer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0280DS00010.20I.1110.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der zurückgezogenen Berufung wird das angefochtene Erkenntnis – das im Übrigen unberührt bleibt – in der Subsumtion zu 2./ auch dem Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt ersatzlos sowie im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Für die verbleibenden Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt (Schuldspruch 1./) und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt (Schuldspruch 2./) wird unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Juni 2020, AZ D 23/19, und vom 15. Juni 2020, AZ D 24/19, von der Verhängung einer Zusatzgeldbuße abgesehen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt (1./) und der Berufspflichtenverletzung sowie der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

1./ sich trotz wiederholter Aufforderung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 29. März, 29. April, 14. Mai, 18. Juni und 15. Juli 2019 zur Stellungnahme zu einer gemäß § 25 RL‑BA erstatteten Mitteilung des Rechtsanwalts Mag. ***** R***** vom 28. März (richtig:) 2019 nicht geäußert, sowie

2./ eine Verbindlichkeit von 347,77 Euro sA gegenüber der M***** GmbH aus der Übernahme des EDV‑Dienstleistungsvertrags im Zusammenhang mit dem Elektronischen Rechtsverkehr (vgl ES 4) im Zeitraum von Mai bis Oktober 2018 großteils erst am 22. November 2019 bezahlt.

[3] Über den Disziplinarbeschuldigten wurde eine Geldbuße von 1.000 Euro verhängt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung wegen Schuld und Strafe des Disziplinarbeschuldigten, die dieser vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurückzog.

[5] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 77 Abs 3 DSt), dass die Unterstellung der zu 2./ angeführten Tat auch dem Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt rechtlich verfehlt ist (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Denn eine Berufspflichtenverletzung setzt voraus, dass der Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs, nicht aber in eigener Sache gehandelt hat (RIS‑Justiz RS0054900; RS0054951; RS0118449; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 1 DSt Rz 9). In seinen eigenen, wenngleich den Betrieb seiner Kanzlei betreffenden Zahlungspflichten kann er daher eine Berufspflichtenverletzung nicht begehen (RIS‑Justiz RS0054936, 24 Os 6/16m). Demgemäß wird durch die verspätete Zahlung der gegenüber der M***** GmbH aus der Übernahme des EDV‑Dienstleistungsvertrags im Zusammenhang mit dem Elektronischen Rechtsverkehr lediglich das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes, nicht aber jenes der Verletzung von Berufspflichten verwirklicht. Feststellungen, dass er durch dieses Verhalten gegen seine aus § 9 Abs 1a RAO resultierenden Verpflichtungen (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10§ 9 RAO Rz 23; RIS‑Justiz RS0119857 [insbes T2]; § 40 Abs 4 RL‑BA 2015) verstoßen hätte, sind auch in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten. Das Erkenntnis war daher in der letztgenannten rechtlichen Beurteilung ersatzlos zu kassieren.

[6] Im Rahmen der damit erforderlichen Strafneubemessung war zu berücksichtigen, dass mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom heutigen Tag (AZ 28 Ds 9/20t) ein Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Juni 2020, GZ D 24/19‑19, rechtskräftig wurde, das gemäß § 16 Abs 5 DSt iVm § 31 Abs 1 StGB auf ein rechtskräftiges Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Juni 2020, AZ D 23/19, (Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung; Geldbuße 1.000 Euro) Bedacht nimmt und in dem über den Beschuldigten wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes eine Zusatzgeldbuße von 2.000 Euro verhängt wurde.

[7] Mit Blick auf die diesen Schuldsprüchen zu Grund liegenden Tatzeiten war auf die beiden Erkenntnisse gemäß § 16 Abs 5 zweiter Satz DSt iVm §§ 31 StGB Bedacht zu nehmen (vgl Ratz in WK2 § 31 Rz 5 f; Fabrizy, StGB12 § 31 Rz 11), wobei – ohne dass es eines Eingehens auf die Strafzumessungsgründe bedürfte – bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die in den früheren Erkenntnissen verhängte auszusprechen gewesen wäre. Schon deshalb war von einer Zusatzgeldbuße abzusehen (§ 40 zweiter Satz StGB; vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 16 DSt Rz 22 ff).

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