OGH 9Ob68/21x

OGH9Ob68/21x20.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei P***** KG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Maria Lisa Doll‑Aidin, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. T***** GmbH, 2. P***** GmbH, 3. Ing. G***** M*****, 4. M***** GmbH, 5. I***** GmbH, und 6. L***** GmbH, alle *****, alle vertreten durch Dr. Edwin Anton Payr, Rechtsanwalt in Graz, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 30. Juni 2021, GZ 5 R 37/21d‑37, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00068.21X.1020.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen die von der Klägerin erhobene Räumungsklage, gestützt auf titellose Benützung ihrer Liegenschaft durch die Beklagten, ab. Anspruchsgegner der Eigentumsklage (Räumungsklage) sei jeder Inhaber, also auch derjenige, der die faktische Macht über die streitverfangene Sache ausübe. Eine Innehabung des streitgegenständlichen Objekts durch die Beklagten im Sinne des § 309 ABGB habe die Klägerin aber (unter anderem) aufgrund ihres Vorbringens, ihre Liegenschaft sei für unbefugte Dritte frei zugänglich, nicht schlüssig behauptet.

[2] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Dagegen erhob die Klägerin eine ordentliche, in eventu außerordentliche Revision.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten dessen Abs 2 und 3 nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. In diesen Fällen hat ein Bewertungsausspruch zu unterbleiben (G. Kodek in Rechberger 5 § 500 ZPO Rz 8). Ein dennoch vorgenommener Ausspruch des Berufungsgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstands ist unbeachtlich (RS0042294).

[4] Räumungsklagen sind aber dann nicht als Bestandstreitigkeiten im Sinne des § 49 Abs 2 Z 5 ZPO anzusehen, wenn sie auf eine von Anfang an titellose Benützung gestützt werden (RS0046865 [T6]; 6 Ob 163/20v Pkt 1.2.). Davon ging erkennbar das Berufungsgericht hier aus.

[5] Selbst wenn man der Klägerin zustimmt, dass nach den Klagsbehauptungen (vgl RS0043003) die Beklagten die zu räumende Liegenschaft nach Auflösung eines Kaufvertrags titellos benützen und somit der in § 502 Abs 5 Z 2 ZPO angeführte Ausnahmefall einer streitwertunabhängigen Revisionszulässigkeit vorliegt, übersieht sie, dass auch in diesem Fall nur die Erhebung einer außerordentlichen Revision möglich ist, wenn das Berufungsgericht die ordentliche Revision nicht zugelassen hat (§ 505 Abs 4 ZPO). Das Rechtsmittel der Klägerin ist daher – unabhängig von der Bezeichnung „ordentliche Revision in eventu außerordentliche Revision“ – als außerordentliche Revision zu behandeln (vgl 8 Ob 141/17v Pkt 1.).

[6] 2. Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Prüfung der Frage, ob eine außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen werden soll, grundsätzlich auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde (§ 506 Abs 1 Z 5 ZPO) als solche angeführt sind (RS0107501). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Klägerin aber nicht auf.

[7] 2.1. Die Wertung des fehlenden substantiellen Bestreitens als schlüssiges Tatsachengeständnis (§ 267 ZPO) hängt nach der Rechtsprechung immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0040078 [T3]). Da die Beklagten im Verfahren ausdrücklich und mehrmals bestritten haben, die streitgegenständliche Liegenschaft zu benützen und auch behauptet haben, keine Rechte zur Benützung zu haben, können – die im Übrigen nach Auffassung des Berufungsgerichts für eine Innehabung der Liegenschaft unzureichenden Behauptungen der Klägerin – nicht als zugestanden angesehen werden (vgl RS0040091).

[8] 2.2. Die weitere in der außerordentlichen Revision der Klägerin als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, „ob bei titelloser Innehabung/Benützung der in seinen Rechten Beschränkte die faktische Selbsthilfe anstatt des ordentlichen Rechtsweges zu beschreiten habe und der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen sei“, stellt sich mangels der vom Berufungsgericht im Einzelfall beurteilten Unschlüssigkeit der Klage nicht.

[9] Einer weiteren Begründung bedarf die Zurückweisung dieser außerordentlichen Revision nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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