OGH 4Ob153/21k

OGH4Ob153/21k28.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, sowie die Hofrätinnen Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Markenrechtssache der Antragstellerin H* Rechtsanwälte GmbH, *, wegen Eintragung einer Wortmarke und einer Wort‑Bild‑Marke, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. Juli 2021, GZ 33 R 28/21m, 33 R 29/21h‑3, mit dem die Beschlüsse der Rechtsabteilung des Patentamts vom 21. Jänner 2021, AM 12547/2019‑4 und AM 12548/2019‑4, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133138

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie lautet:

„1. Die Wortmarke 'MYFLAT' gemäß dem Antrag 12547/2019 und die Wort‑Bild‑Marke

gemäß dem Antrag 12548/2019 sind in das Markenregister für folgende Klassen einzutragen:

Klasse 9: Software; Software und Softwareapplikationen für mobile Geräte;

Klasse 42: Design von Computer-Software; Vermietung von Computer-Software; Wartung und Reparatur von Software; Hosting von Plattformen im Internet; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von webbasierter Software; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von webbasierten Anwendungen;

Klasse 45: Juristische Dienstleistungen.

 

2. Hingegen wird der Antrag auf Eintragung der Zeichen in das Markenregister hinsichtlich folgender Klassen abgewiesen:

Klasse 35: Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich organisatorische Vorbereitung von Bauvorhaben;

Klasse 36: Immobilienwesen; Immobilien-vermittlung; Dienstleistungen der Immobilienverwaltung; Immobilienverwaltung bei der Abwicklung von Grundstücksgeschäften; Beratung in Immobilien-angelegenheiten; computergestützte Erteilung von Auskünften über Immobilien; Dienstleistungen von Immobilienbüros; Beratung über Immobilien.“

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin beantragte am 4. Dezember 2019 die Eintragung der Wortmarke „MYFLAT“ und der Wort‑Bild‑Marke:

jeweils für die Waren und Dienstleistungen der Klassen

9 (Software; Software und Softwareapplikationen für mobile Geräte);

 

35 (Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich organisatorische Vorbereitung von Bauvorhaben);

 

36 (Immobilienwesen; Immobilienvermittlung; Dienstleistungen der Immobilienverwaltung; Immobilienverwaltung bei der Abwicklung von Grundstücksgeschäften; Beratung in Immobilienangelegenheiten; computergestützte Erteilung von Auskünften über Immobilien; Dienstleistungen von Immobilienbüros; Beratung über Immobilien);

 

42 (Design von Computer-Software; Vermietung von Computer-Software; Wartung und Reparatur von Software; Hosting von Plattformen im Internet; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von webbasierter Software; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von webbasierten Anwendungen);

 

45 (Juristische Dienstleistungen).

 

[2] Die Vorinstanzen wiesen den Antrag mit der wesentlichen Begründung ab, dass den Zeichen die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG fehle. Der Begriff „MYFLAT“ werde von den beteiligten Verkehrskreisen mit „meine Wohnung“ übersetzt. Es sei bei den Waren und Dienstleistungen jener Klassen, für die die Zeichen eingetragen werden sollen, naheliegend, dass sich diese Waren und Dienstleistungen auf Wohnungen beziehen würden. Ein Zeichen sei bereits dann von der Eintragung auszuschließen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichne. Die Zeichen seien weder in ihrer Zusammensetzung eigentümlich noch in der Bedeutung vage. Auch der Bildanteil der Wort‑Bild‑Marke könne die Unterscheidungskraft nicht begründen.

[3] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil die Bedeutung der Entscheidung über den Einzelfall nicht hinausgehe.

[4] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin.

Rechtliche Beurteilung

[5] Das Rechtsmittel ist zulässig, weil die Vorinstanzen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen sind; der Revisionsrekurs ist zum Teil berechtigt.

[6] 1. Von der Registrierung als Marke sind Zeichen ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG).

[7] 1.1 Eine Marke ist unterscheidungskräftig im Sinne des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware oder Dienstleistung somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nur unter dieser Bedingung kann eine Marke ihre Hauptfunktion als betrieblicher Herkunftshinweis erfüllen (RIS‑Justiz RS0118396).

[8] 1.2 Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 35 MSchG sind zwar gesondert zu prüfen. Unterscheidungskraft fehlt bei einer Marke aber jedenfalls dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft; eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG. Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (RS0132934).

[9] 2. Eine Marke ist beschreibend, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und sie daher als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung, nicht jedoch als Herkunftsangabe, verstehen (RS0109431). Dabei müssen die beteiligten Verkehrskreise „sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von den Anmeldungen erfassten Waren und Dienstleistungen“ herstellen können (EuGH C‑326/01  PUniversaltelefonbuch, Rn 33; C‑494/08  PPranahaus, Rn 29). Lässt sich dagegen die Beziehung zwischen Ware/Dienstleistung und Zeichen nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen, dann ist die Registrierung des Zeichens auch ohne Verkehrsgeltung ebenso erlaubt, wie wenn es sich um eine bloße Andeutung irgendwelcher Eigenschaften der Ware/Dienstleistung, der Art ihrer Herstellung oder ihrer Zweckbestimmung handelt (RS0066456; RS0109431 [T3], RS0090799).

[10] 3. Die Beurteilung, ob das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft vorliegt, erfolgt anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f, MyTaxi II; 4 Ob 198/20a, Standard).

[11] 4. Grundsätzlich wird in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei der Prüfung des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab angelegt (4 Ob 96/19z, Digitale Vignette). Bei der Beurteilung ist noch zu beachten, dass bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend ist, weil sich der Geschäftsverkehr zumeist am prägenden Kennwort orientiert (RS0066779). Bei mehreren Wörtern kommt es auf den prägenden Wortbestandteil an (4 Ob 198/20a, Standard). Diese Regeln gelten auch für Worte, die dem Grundwortschatz bekannter Fremdsprachen, namentlich des Englischen angehören (4 Ob 49/14f, MyTaxi II).

5. MyTaxi II‑Entscheidung:

[12] 5.1 In der MyTaxi II-Entscheidung (4 Ob 49/14f) hat der Senat diese Grundsätze angewandt und auch im Sinne von Punkt 3. differenziert entschieden:

 

[13] Der Eintragungsantrag der Wort‑Bild‑Marke

wurde für die Klasse 38 (Telefonvermittlung im Rahmen eines Call Centers, nämlich Übermittlung von Telefonanrufen zur Taxivermittlung) abgewiesen, hingegen für die Klassen 35 (Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten) und 41 (Durchführung von Veranstaltungen zur Unterhaltung) be willigt.

[14] 5.2 Begründend wurde zu den Dienstleistungen der Klasse 38 ausgeführt, dass nach der im Eintragungsverfahren gebotenen Prognose zu erwarten ist, dass die Wort-Bild-Marke vom Publikum in ihrem (im Vordergrund stehenden) Wortteil ohne weitere Überlegungen und gedankliche Zwischenschritte ausschließlich als beschreibender Hinweis auf die damit bezeichnete Dienstleistung (Hilfestellung beim Auffinden eines freien Taxis) verstanden wird. Anderes gilt hingegen für die Dienstleistungen der Klasse 41 (Durchführung von Veranstaltungen zur Unterhaltung) und der Klasse 35 (Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten), weil das angemeldete Zeichen vom Publikum nicht unmittelbar gedanklich mit der Art, Natur oder Beschaffenheit von Unterhaltungsveranstaltungen oder den in Klasse 35 genannten Dienstleistungen in Verbindung gebracht wird und daher keinen beschreibenden Inhalt aufweist.

[15] 6.1 Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die angefochtene Entscheidung insoweit Bestand, als sie die Klasse 35 (Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich organisatorische Vorbereitung von Bauvorhaben) und die Klasse 36 (Immobilienwesen; Immobilienvermittlung; Dienstleistungen der Immobilienverwaltung; Immobilienverwaltung bei der Abwicklung von Grundstücksgeschäften; Beratung in Immobilienangelegenheiten; computergestützte Erteilung von Auskünften über Immobilien; Dienstleistungen von Immobilienbüros; Beratung über Immobilien) betrifft.

[16] 6.2 Betreffend diese Dienstleistungen sind die Marken der Anmelderin nicht kennzeichnungskräftig, weil nach der im Eintragungsverfahren gebotenen Prognose zu erwarten ist, dass sie vom Publikum – das insoweit über ausreichende Englischkenntnisse verfügt – in ihrem (im Vordergrund stehenden) Wortteil ohne weitere Überlegungen und gedankliche Zwischenschritte ausschließlich als beschreibender Hinweis auf die damit bezeichnete Dienstleistung im Zusammenhang mit der Errichtung, der Verwaltung oder der Vermittlung von Immobilien verstanden wird. Die Klassen 35 und 36 betreffen nämlich den Kernbereich der Bau- und Immobilienbranche.

[17] 6.3 An diesem zu erwartenden Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ändert bei der Wort‑Bild‑Marke auch ihr grafischer Anteil nichts. Dieser bestimmt nämlich den Gesamteindruck der Marke nicht entscheidend mit, weil er sich in der Verwendung gängiger Buchstabentypen erschöpft und damit gegenüber dem Wortbestandteil der Marke völlig in den Hintergrund tritt. Auf diese Weise vermag die Grafik keine eigenständige Unterscheidungskraft zu bewirken.

[18] 6.4 Die Antragstellerin weist darauf hin, dass das Wort „flat“ vielfältig übersetzbar sei (zB auch Ebene, Festgebühr etc) und das Rekursgericht in einer anderen Entscheidung dem Zeichen „FLATPROVIDER“ die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen habe. Daraus ist für die hier vorliegende Konstellation aber nichts abzuleiten, weil im Anlassfall das Wort „flat“ nicht isoliert, sondern vielmehr (nur) in Kombination mit dem leicht übersetzbaren Possessivpronomen „my“ eingetragen werden soll, was aber einen entscheidenden Einfluss auf den damit ausgelösten Bezug zwischen dem leicht zu übersetzenden Zeichen („meine Wohnung“) und den von den Anmeldungen erfassten Waren und Dienstleistungen hat.

[19] 6.5 Die Entscheidung war damit insoweit zu bestätigen, als die Zeichen für die Klassen 35 und 36 nicht einzutragen sind.

[20] 7. Anderes gilt hingegen für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9 (Software; Software und Softwareapplikationen für mobile Geräte); Klasse 42 (Design von Computer-Software; Vermietung von Computer-Software; Wartung und Reparatur von Software; Hosting von Plattformen im Internet; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von webbasierter Software; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von webbasierten Anwendungen) und Klasse 45 (Juristische Dienstleistungen).

[21] 7.1 Die angemeldeten Zeichen werden vom Publikum nicht unmittelbar gedanklich mit der Art, Natur oder Beschaffenheit der in diesen Klassen genannten Waren und Dienstleistungen in Verbindung gebracht und weisen insoweit daher keinen beschreibenden Inhalt auf.

[22] 7.2 Wenngleich Computer-Software oder juristische Dienstleistungen auch im Zusammenhang mit der Errichtung, der Verwaltung oder der Vermittlung von Immobilien angeboten werden können, ist ein (übersetzt lautendes) Zeichen „meine Wohnung“ hier dennoch nicht glatt beschreibend. Wegen der vielschichtigen Möglichkeiten bei juristischen Dienstleistungen und im IT-Bereich lässt sich die Beziehung zwischen Dienstleistung und Zeichen nämlich erst im Weg besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen.

[23] 7.3 In diesem Sinn wurde vom Senat auch in den beiden Entscheidungen 4 Ob 102/12x, myTaxi und 4 Ob 49/14f, MyTaxi II differenziert. Das Zeichen „MyTaxi“ wurde demnach für Dienstleistungen der Klasse 38 (Telefonvermittlung im Rahmen eines Call Centers, nämlich Übermittlung von Telefonanrufen zur Taxivermittlung) als beschreibend qualifiziert, nicht hingegen hinsichtlich eines auf Mobiltelefonen zu verwendenden Computerprogramms (App).

[24] 7.4 Damit ist das Eintragungsbegehren bezüglich der Klassen 9, 42 und 45 berechtigt, sodass dem Rechtsmittel in diesem Umfang Folge zu geben war.

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