OGH 4Ob96/19z

OGH4Ob96/19z19.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A*****-Aktiengesellschaft *****, vertreten durch Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Beklagten 1. b***** UG (haftungsbeschränkt) & Co KG, 2. b*****-UG (haftungsbeschränkt), 3. T***** H*****, 4. J***** K*****, vertreten durch Schmidtmayr Sorgo Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert im Provisorialverfahren 86.400 EUR), über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4. April 2019, GZ 5 R 34/19k‑10, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 13. Februar 2019, GZ 30 Cg 57/18m‑6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00096.19Z.1219.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts – unter Beifügung des Zusatzes „… bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils mit Wirkung für Österreich geboten, ...“ – wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat ihre diesbezüglichen Kosten endgültig selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Aktien zur Gänze im Eigentum der Republik Österreich stehen. Ihr Unternehmensgegenstand ist insbesondere die Finanzierung, die Planung, der Bau und die Erhaltung von Bundesstraßen, einschließlich der hiezu notwendigen und zweckdienlichen Infrastruktur, und die Einhebung von zeit- und fahrleistungsabhängigen Mauten von den Nutzern dieser Straßen. Die Klägerin besitzt das Fruchtgenussrecht an allen Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich. Sie hat somit das Recht, dort von sämtlichen Nutzern Maut einzuheben; dem liegt – neben den gesetzlichen Grundlagen – die jeweils gültige Mautordnung und Vignettenpreisverordnung zugrunde. Das Bundesstraßen-Mautgesetz (BStMG) regelt die Entrichtung der zeitabhängigen Maut bzw Streckenmaut für einspurige Kraftfahrzeuge sowie für mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt.

Seit dem Jahr 2018 bietet die Klägerin auf Basis der genannten gesetzlichen Bestimmung auch den Erwerb einer Digitalen Vignette bzw einer Digitalen Streckenmaut an, indem das Kennzeichen in ihrem Mautsystem elektronisch registriert wird. Um diese Registrierung, den Bezug und die Verwaltung der Digitalen Vignette und der Digitalen Streckenmaut zu ermöglichen, betreibt sie einen Webshop.

Die Allgemeinen Nutzungsbedingungen der Klägerin (ANB) regeln ua Folgendes:

„1.6 Der Bezug der Digitalen Vignette bzw. der Digitalen Streckenmaut ist ein gesetzliches Schuldverhältnis. Der Online-Bezug darf ausschließlich über den Webshop [der Klägerin] innerhalb des EWR und der Schweiz erfolgen. Der Bezug erfolgt ausschließlich auf Basis dieser ANB, der per Verweis integralen Dokumente und der gesetzlichen Bestimmungen. [...]

14. Verbot der Weiterveräußerung

14.1 Die gewerbliche Weiterveräußerung von bezogenen Produkten der Digitalen Vignetten und der Digitalen Streckenmaut ohne schriftlicher Zustimmung seitens der [Klägerin] wird untersagt.“

 

Eine Konzerngesellschaft der Klägerin hat (unter anderem) nachfolgend abgebildete Marken im Zusammenhang mit der Digitalen Vignette bzw der Digitalen Streckenmaut registriert; die Klägerin besitzt daran eine Lizenz und ist zur Rechtsdurchsetzung ermächtigt:

(AT 297760) ua für „Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte; Einhebung von Abgaben und Gebühren, insbesondere von Mautgebühren, und Abrechnung derselben (Klasse 36)

(AT 297762) ua für dieselben Dienstleistungen

laut Klasse 36.

Bei Erwerb der Digitalen Vignette bzw Digitalen Streckenmaut durch Verbraucher ist seitens der Klägerin eine Wartefrist von 18 Tagen vorgesehen, um Missbrauch von Kunden im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Rücktrittsrecht der Verbraucher zu verhindern.

Die Erstbeklagte betreibt die Website https://vignette-sofort.at/ . Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten. Die Dritt- und Viertbeklagten sind die alleinigen Geschäftsführer der Zweitbeklagten.

Unter www.vignette-sofort.at bewerben die Beklagten folgendes Angebot auf dem österreichischen Markt:

 

Im Gegensatz zum Webshop der Klägerin werden dabei sämtliche Produkte auch für Verbraucher als „sofort gültig“ beworben und veräußert:

 

(…) Wir bieten Ihnen eine digitale Vignette an, die sofort gültig ist. Und zwar ohne 18-tägige Wartezeit. Wie das funktioniert? Unser Unternehmen hat seinen Sitz nicht in Österreich, sondern in Deutschland. Wir können die digitale Vignette daher nach Maßgabe des Deutschen Verbraucherschutzes ohne Widerrufsrecht anbieten. Unsere digitalen Vignetten sind dabei in Österreich vollständig verkehrsfähig und anerkannt. Kein Risiko!

Hinsichtlich des Widerrufsrechts der Verbraucher informieren die Beklagten unter https://vignette-sofort.at/ in ihren AGB wie folgt:

„[...] Haben Sie verlangt, dass die Dienstleistungen während der Widerrufsfrist beginnen soll, so haben Sie uns einen angemessenen Betrag zu zahlen, der dem Anteil der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie uns von der Ausübung des Widerrufsrechts hinsichtlich dieses Vertrags unterrichten, bereits erbrachten Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen entspricht.

[...] Hinweis zum vorzeitigen Erlöschen des Widerrufsrechts:

Das Widerrufsrecht erlischt bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen auch dann, wenn wir die Dienstleistung vollständig erbracht haben und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen haben, nachdem Sie dazu Ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben und gleichzeitig Ihre Kenntnis davon bestätigt haben, dass Sie Ihr Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch uns verlieren.“

 

Im Bestellvorgang von https://vignette-sofort.at/ wird dementsprechend von Kunden folgende Erklärung abverlangt:

Die Preise auf https://vignette-sofort.at/ sind deutlich höher als im Webshop der Klägerin, wobei von https://vignette-sofort.at/ stets (also auch im Rahmen der Abwicklung) ausschließlich ein Pauschalpreis angegeben ist, sodass für den Erwerber dieser höhere Preis nicht deutlich erkennbar ist:

Die gesetzlich bzw per Verordnung festgelegten Mauttarife im Webshop der Klägerin betragen hingegen:

 

Die Abwicklung des „Erwerbs“ der Digitalen Vignette bzw der Digitalen Streckenmaut über https://vignette‑sofort.at/ erfolgt derart, dass die Beklagten die von den Erwerbern eingegebenen (Kennzeichen-)Daten und Produktwahlauswahl ihrerseits in den Webshop der Klägerin eingeben, dabei aber stets – also unabhängig davon, ob der Erwerber über https://vignette-sofort.at/ tatsächlich die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt – die Option „Ich bin Unternehmer“ wählen:

Die Beklagten stellen Rechnungen auf (angeblich bestehende) Firmen aus, dabei wird ein Pauschalbetrag verrechnet (Mautprodukt und „Dienstleistungsentgelt“). Die Nutzer des Dienstes der Beklagten erklären vor Abschluss des Bestellvorgangs hinsichtlich des Erlöschen des Rücktrittsrechts Folgendes:

„Ich möchte, dass die Vignette sofort registriert wird. Ich verlange deshalb, dass vignette-sofort.at sofort mit der Vertragserfüllung beginnt und die Registrierung meines Kfz-Kennzeichens im Mautsystem der [Klägerin] durchführt und erteile meine ausdrückliche Zustimmung dazu. Mir ist bekannt, dass ich mein gesetzliches Widerrufs- bzw. Rücktrittsrecht mit der vollständigen Vertragserfüllung (d.h. mit Übermittlung der Registrierungsbestätigung) verliere, wenn vignette-sofort.at aufgrund meines Verlangens unmittelbar nach der Auftragserteilung noch vor Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist bzw. Rücktrittsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung (Vornahme der Registrierung) beginnt“

 

Die davor, bis zum 14. 1. 2019 verwendete Fassung des Textes hatte folgenden Wortlaut:

„Ich möchte die Vignette sofort erhalten. Ich erteile deshalb meine ausdrückliche Zustimmung und verlange, dass die Ausführung des Vertrags sofort beginnt. Mir ist bekannt, dass ich durch mein Verlangen, mein Rücktrittsrecht verliere, wenn vignette‑sofort.at noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hatte und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht wurde.“

 

Die Beklagten lehnen das Rücktritts- bzw Widerrufsrecht österreichischer Verbraucher ab. Bei der Klägerin beschwerten sich Verbraucher, die feststellten, dass sie bei www.vignette-sofort.at einen höheren Preis bezahlt hatten oder deren Rücktritt von den Beklagten nicht akzeptiert worden war. Verbraucher hatten den Eindruck, die Website der Beklagten sei jene der Klägerin bzw verwechselten diese mit der offiziellen Website der Klägerin. Die Klägerin erklärte im November 2018 im Community Forum auf ihrer Facebook-Seite, dass ihr das Angebot auf www.vignette‑sofort.at bekannt sei und es nicht verboten sei. Im Blog „Seitenblicke zur digitalen Vignette“ erklärte die Klägerin zum Dienst der Erstbeklagten: „Wir haben uns erkundigt, der Betreiber darf das.“ Die Beklagten wurden mit Schreiben vom 7. 12. 2018 abgemahnt. Im Antwortschreiben behaupteten sie, zur Benutzung der Marken der Klägerin berechtigt zu sein. Die geforderte Unterlassungserklärung gaben die Beklagten nicht ab.

Die Klägerin beantragte zur Sicherung ihrer gleichzeitig mit Klage geltend gemachten, gleichlautenden Unterlassungsansprüche die Erlassung der einstweiligen Verfügung, den Beklagten möge mit Wirkung für Österreich geboten werden (zusammengefasst),

1) es ab sofort zu unterlassen, Digitale Vignetten (DiVi) und/oder Digitale Streckenmaut für Autobahnen in Österreich ohne Zustimmung der Klägerin gewerbsmäßig anzubieten, insbesondere unter der Domain https://vignette‑sofort.at/. Dies insbesondere, wenn die beklagten Parteien

a. die Verbraucher nicht ordnungsgemäß über ihr gesetzliches Widerrufsrecht informieren; und/oder

b. den Verbrauchern ihr gesetzlich zustehendes Widerrufsrecht nicht gewähren; und/oder

c. ihre Dienstleistungen, insbesondere auf https://vignette‑sofort.at, unter unrichtiger Information über die Markt- bzw. Preisbedingungen bewerben, mit dem Ziel, den umworbenen Verbraucher dazu zu bewegen, die Mautprodukte zu höheren Preisen, insbesondere als den Mauttarifen im Webshop der Klägerin, zu erwerben.

2) es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin unter den Zeichen der [dargestellten] Marken der Klägerin AT 297760 und/oder AT 297762 oder unter einem Zeichen, das diesen verwechselbar ähnlich ist, Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Entrichtung von Mautgebühren für Autobahnen in Österreich, wie insbesondere Digitale Vignetten und/oder Digitale Streckenmaut, und/oder ähnliche Leistungen zu bewerben, anzubieten, zu vertreiben und/oder Dritte dazu zu veranlassen, wie insbesondere [laut Darstellung] zu bestellen.

 

Sie brachte im Wesentlichen vor, der Bezug der Digitalen Vignette bzw der Digitalen Streckenmaut sei ein gesetzliches Schuldverhältnis, wobei die gestattende Partei zwingend die Klägerin sei. Mit ihrem Angebot verstießen die Beklagten sowohl gegen diese gesetzlichen Bestimmungen als auch gegen das in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen (ANB) enthaltene Verbot der gewerblichen Weiterveräußerung von bezogenen Produkten der Digitalen Vignette und der Digitalen Streckenmaut ohne schriftliche Zustimmung der Klägerin. Da die Beklagten den unrichtigen Eindruck erweckten, zum Verkauf dieser digitalen Produkte berechtigt zu sein, liege eine unlautere Geschäftspraktik im Sinn des UWG Anh Z 9 vor. Aufgrund der intransparenten und überhöhten Preise verstießen die Beklagten überdies gegen UWG Anh Z 18. Es handle sich um eine unrichtige Information über die Marktbedingungen. Überdies gewährten die Beklagten Verbrauchern nicht ihr gesetzliches Widerrufsrecht. Ihr Vorgehen verstoße gegen §§ 11 ff FAGG. Sie verwiesen zu Unrecht auf den Verlust des Widerrufsrechts bei Aufforderung des Verbrauchers und vollständiger Erfüllung ihrer Leistung. Der Vertrag über die Straßennutzung werde nicht innerhalb der Widerrufsfrist vollständig erfüllt. Überdies werde der unrichtige Anschein einer wirtschaftlichen Verbindung zur Klägerin erweckt und ihr Ruf unlauter ausgenutzt. Die kennzeichenmäßige Benützung der für die Klägerin registrierten Marken bedürfe überdies ihrer Zustimmung; eine solche habe sie nicht erteilt.

Die Beklagten wendeten ein, die Entrichtung der zeitabhängigen Maut bei der Digitalen Vignette und der Digitalen Streckenmaut erfolge durch Registrierung des Kennzeichens des Fahrzeugs im Mautsystem der Klägerin. Die Digitale Vignette sei daher lediglich ein Eintrag in einer Datenbank. Dies sei jedoch kein Vertrag über die Benützung der österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis. Über den von der Erstbeklagten betriebenen Onlinedienst könnten Dritte diese lediglich damit beauftragen, die Registrierung eines bestimmten Kfz-Kennzeichens im Mautsystem vorzunehmen. Die Erstbeklagte erbringe daher eine Dienstleistung im Zusammenhang mit der Registrierung im Mautsystem der Klägerin. Sie biete weder die Digitale Vignette noch die Digitale Streckenmaut zum Erwerb an oder vertreibe oder veräußere diese weiter. Eine gesetzliche oder vertragliche Bestimmung in den ANB, die dies untersage, existiere nicht. Den ANB komme weder Gesetzes- noch Verordnungscharakter zu. Überdies habe die Klägerin in ihrem Community Forum auf ihrer Facebook-Seite selbst die Ansicht vertreten, das Vorgehen der Beklagten sei rechtmäßig, sodass zumindest eine vertretbare Rechtsansicht vorliege.

Das in den ANB enthaltene Verbot der Weiterveräußerung – sollte es überhaupt anwendbar sein – verstoße in Anbetracht der Monopolstellung der Klägerin gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot und sei mangels sachlicher Rechtfertigung nichtig. Auch wenn man von der Gültigkeit der Klausel ausginge, liege kein Vertragsbruch vor, weil es sich bei der Registrierung nicht um eine Weiterveräußerung handle. Auch ein Verstoß gegen die gesetzlichen Widerrufs- und Rücktrittsrechte des FAGG liege nicht vor. Der Nutzer des Dienstes erkläre vor Abschluss des Dienstleistungsvertrags über die Registrierung ausdrücklich, er wolle, dass die Erstbeklagte sofort (also noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist) mit der Ausführung der angebotenen Dienstleistung beginne, und er habe Kenntnis davon, dass ein Rücktrittsrecht mit der Vertragserfüllung erlösche. Die Vornahme der Registrierung sei regelmäßig in 10 Minuten abgeschlossen, sodass das Recht des Nutzers auf Rücktritt vom Vertrag nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG erlösche. Die Belehrungen über das Rücktrittsrecht seien daher rechtsrichtig. Ein akzessorischer Vertrag über die Benutzung der Autobahnen und Schnellstraßen liege nicht vor. Es handle sich dabei um ein gesetzliches Schuldverhältnis. Jedenfalls sei auch die Rechtsansicht der Beklagten in Zusammenhang mit den Widerrufsrechten vertretbar.

Es werde kein Eindruck einer wirtschaftlichen Verbindung zur Klägerin erweckt. Die Webseiten der Parteien seien gänzlich unterschiedlich. Der von der Erstbeklagten angebotene Dienst bewirke überdies nicht nur keine spürbare, sondern überhaupt keine Nachfrageverlagerung zu Lasten der Klägerin, weil die Registrierung infolge des gesetzlich abgesicherten Monopols nur bei der Klägerin vorgenommen werden könne. Ein Eingriff in ihre wirtschaftliche Position liege daher nicht vor. Ein Aufwand der Klägerin im Zusammenhang mit Beschwerdebearbeitung bestehe nicht, falls doch, sei er überschaubar.

Der Vorwurf einer irreführenden Geschäftspraktik im Sinn des § 2 Abs 4 UWG durch Vorenthalten wesentlicher Informationen sei unbegründet. Die Erstbeklagte weise darauf hin, dass sich der Preis inklusive aller Gebühren verstehe. Ein Verstoß gegen die per se‑Verbote gemäß UWG Anh Z 9 und Z 18 liege nicht vor.

Die von der Klägerin registrierten Marken seien nicht unterscheidungskräftig und daher nicht eintragungsfähig. Die Begriffe „Digitale Vignette“ und „Digitale Streckenmaut“ seien Rechtsbegriffe. Die geometrische Form eines Trapezes repräsentiere offenbar die Silhouette einer klassischen Vignette. Die Verkehrskreise verstünden die Bildbestandteile lediglich als Hervorhebung oder Bestätigung der Bedeutung der nach § 1 Abs 1 MSchG per se nicht schutzfähigen verbalen Elemente der Zeichen. Jedenfalls mangle es an der konkreten Unterscheidungskraft gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG. Die Zeichen seien nicht mehr als eine symbolische bzw stilisierte Darstellung der in den Klassen 36, 38 und 39 schutzbeanspruchten Dienstleistungen und stellten eine direkte Verbindung zu den charakteristischen Merkmalen und Eigenschaften her, sodass es an der erforderlichen Unterscheidungskraft mangle. Auch benutze die Erstbeklagte die Zeichen gemäß § 10 Abs 3 MSchG ausschließlich dazu, um auf die Bestimmung der von ihr erbrachten Dienstleistung hinzuweisen. Die Verwendung sei objektiv erforderlich, um für ihre Nutzer klar darzustellen, dass sich die Dienstleistung auf die Vornahme der Registrierung von Kfz-Kennzeichen im Mautsystem der Klägerin beziehe. Eine Haftung des Dritt- und Viertbeklagten als Geschäftsführer der alleinigen geschäftsführenden und vertretungsbefugten Gesellschafterin der Erstbeklagten komme nicht in Betracht. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Das Erstgericht erließ folgende einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Unterlassung weiterer Verletzungen ihrer Kennzeichenrechte bzw Verletzung des Lauterkeitsrechts, worauf die gleichzeitig erhobene Klage gerichtet ist, wird es den Beklagten ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils geboten,

1. es ab sofort zu unterlassen, Digitale Vignetten (DiVi) und/oder Digitale Streckenmaut für Autobahnen in Österreich ohne Zustimmung der klagenden Partei ASFINAG gewerbsmäßig anzubieten, insbesondere – aber nicht einschränkend – unter der Domain https://vignette-sofort.at/ . Dies insbesondere, wenn die beklagten Parteien

a. die Verbraucher nicht ordnungsgemäß über ihr gesetzliches Widerrufsrecht informieren; und/oder

b. den Verbrauchern ihr gesetzlich zustehendes Widerrufsrecht nicht gewähren; und/oder

c. ihre Dienstleistungen, insbesondere auf https://vignette‑sofort.at, unter unrichtiger Information über die Markt- bzw Preisbedingungen bewerben, mit dem Ziel, den umworbenen Verbraucher dazu zu bewegen, die Mautprodukte zu höheren Preisen, insbesondere als den Mauttarifen im ASFINAG Webshop, zu erwerben.

2. es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der klagenden Partei unter den Zeichen der Marken der klagenden Partei [Abbildung der beiden Marken] oder unter einem Zeichen, das diesen verwechselbar ähnlich ist, Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Entrichtung von Mautgebühren für Autobahnen in Österreich, wie insbesondere Digitale Vignetten (DiVi) und/oder Digitale Streckenmaut, und/oder ähnliche Leistungen zu bewerben, anzubieten, zu vertreiben und/oder Dritte dazu zu veranlassen, wie insbesondere [Abbildung des Angebots].

 

Ein geringfügiges Mehrbegehren wies das Erstgericht (unbekämpft) ab.

Es bestehe zwar kein gesetzliches Verbot der Weiterveräußerung, die Klägerin untersage jedoch im Rahmen ihrer ANB eine solche. Überdies kämen die Beklagten ihren Informationspflichten nach dem FAGG nicht nach. Die Preisgestaltung verstoße gegen das per se‑Verbot des UWG Anh Z 18. Das Angebot der Beklagten enthalte wesentliche Informationen vor. Die Verwendung der Marken der Klägerin verstoße gegen § 51 MSchG. Die Haftung aller Beklagten ergebe sich aus deren gesellschaftsrechtlichen Verbindungen. Wiederholungsgefahr liege mangels Abgabe einer Unterlassungserklärung vor.

Das Rekursgericht wies den noch streitanhängigen Sicherungsantrag ab. Betreffend die geltend gemachten Verstöße gegen das Lauterkeitsrecht verneinte das Rekursgericht die Aktivlegitimation der Klägerin, weil es am Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitteilen mangle. Die Beklagten könnten die von ihr angebotenen Leistungen nämlich nur durch die Registrierung der Kennzeichen im Mautsystem der Klägerin vornehmen, sodass eine konkrete oder auch nur abstrakte Absatzbehinderung ausscheide. Einen Markenrechtsverstoß verneinte das Rekursgericht, weil die Marken der Klägerin bloß beschreibend seien. Den Wert des Entscheidungsgegenstands bemaß das Rekursgericht mit jeweils 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nur zur Frage der Aktivlegitimation nach dem UWG zu.

Gegen diese Entscheidung richten sich das als „Revisionsrekurs und außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Beklagten beantragen in ihrer – allein zum Lauterkeitsverstoß erstatteten – Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Vorauszuschicken ist, dass mehrere mit einer Klage geltend gemachte Ansprüche dann einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand im Rechtsmittelverfahren bilden, wenn sie nach § 55 Abs 1 ZPO zusammenzurechnen sind (RIS‑Justiz RS0037838 [T38]). Die Zulassung des Rechtsmittels nur hinsichtlich eines Teils des Begehrens (wie vom Rekursgericht vorgenommen) wäre daher nur dann rechtmäßig, wenn die Klage mehrere in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehende Ansprüche umfasst (vgl 10 Ob 27/18w mwN). Zum tatsächlichen Zusammenhang ist dabei nicht darauf abzustellen, welche Behauptungen unabdingbar sind, damit das Vorbringen noch schlüssig ist, sondern es kommt darauf an, ob die Begehren aus einem Sachverhalt abgeleitet werden, der als Einheit aufgefasst wird und dessen Kenntnis daher notwendig ist, um den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilen zu können (vgl RS0037838 [T50]).

Hier sind die gesonderten Aussprüche über den Wert der Entscheidungsgegenstände und der geteilte Zulassungsausspruch durch das Rekursgericht nicht von § 500 ZPO gedeckt. Geltend gemacht werden zwar zwei auf unterschiedliche Gesetze (UWG und Markenrecht) gegründete Ansprüche, doch handelt es sich um einen einheitlichen Sachverhalt, nämlich das Geschäftsmodell der Beklagten in seiner konkreten Ausprägung, das als Einheit aufzufassen ist, mögen daraus auch verschiedene Ansprüche unterschiedlicher Rechtsnatur ableitbar sein. Der Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts war daher richtigerweise auf den gesamten Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz zu beziehen; einer Freistellung der Rechtsmittelbeantwortung hinsichtlich der markenrechtlichen Ansprüche bedurfte es deshalb nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Zum Verstoß gegen Lauterkeitsrecht

1.1. Aktivlegitimation

1.1.1. Die Frage der Aktivlegitimation oder Passivlegitimation ist in der Regel nur auf Einwendung und nicht von Amts wegen zu prüfen. Es müssen jedoch nur die Tatsachen vorgebracht werden, aus denen sich in rechtlicher Beurteilung der Mangel der Sachlegitimation ergibt (RS0065553).

1.1.2. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten die Aktivlegitimation der Klägerin zwar nicht ausdrücklich bestritten, sie haben aber ein entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet, nämlich dass sie ihre Leistungen nur dann erbringen könnten, wenn die Kennzeichen im Mautsystem der Klägerin registriert würden; damit liege lediglich eine Weiterveräußerung der Produkte der Klägerin vor. Dieses Vorbringen ist geeignet, die Sachlegitimation der Klägerin in Frage zu stellen. Das Rekursgericht war daher befugt, diese Frage aufzugreifen.

1.1.3. Ein Wettbewerbsverhältnis ist immer dann anzunehmen, wenn sich die beteiligten Unternehmer an einen im Wesentlichen gleichartigen Abnehmerkreis wenden, also um denselben Kundenkreis bemühen (RS0077719). Gewerbetreibende verschiedener Branchen können auch durch eine Wettbewerbshandlung in eine wettbewerbliche Beziehung zueinander treten; in einem solchen Fall wird zugleich mit der Wettbewerbshandlung ein konkretes Wettbewerbsverhältnis begründet (Ad-hoc-Wettbewerbsverhältnis; RS0077712 [T2], RS0077715). Dafür genügt es, dass sich der Verletzer etwa durch die Übernahme eines fremden Zeichens (vgl 4 Ob 113/05d) oder eine sonstige Behinderung im Absatz (4 Ob 20/02y) in Wettbewerb zum Betroffenen stellt.

1.1.4. Im Anlassfall liegen beide Voraussetzungen vor: Die Streitteile richten ihr Angebot an den gleichen Abnehmerkreis. Darüber hinaus verursachen die Beklagten durch die Art ihres Vertriebs Kundenanfragen und -beschwerden bei der Klägerin und beeinträchtigen derart den Wettbewerb der Klägerin. Überdies nutzen die Beklagten durch Verwendung der Marken der Klägerin deren Ruf für den Absatz ihrer eigenen Dienstleistungen. Damit ist ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitteilen jedenfalls zu bejahen. Die Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung unlauterer Geschäftspraktiken der Beklagten ist daher gegeben.

1.2. Verstoß gegen das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) als Rechtsbruch nach § 1 UWG

1.2.1. Das FAGG gilt laut § 1 Abs 1 leg cit für Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Abs 2 dieser Bestimmung nennt Verträge, für die das Gesetz nicht gilt. Die Anknüpfung der gesetzlichen Tatbestände bloß an Fernabsatz- und Auswärtsgeschäfte oder an „Verträge“ spricht dafür, dass sich die Geltung des FAGG – vorbehaltlich der in Abs 2 genannten Ausnahmen – auf alle Arten von Verträgen erstreckt (vgl Dehn in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1 FAGG Rz 33).

1.2.2. Das FAGG ist daher auch auf den von den Beklagten praktizierten Vertrieb der Digitalen Vignette und der Digitalen Streckenmaut anzuwenden, zumal derartige Verträge nicht in der Ausschlussliste des § 1 Abs 2 FAGG genannt sind.

1.2.3. Dem Argument der Beklagten, dass aufgrund des Gemeingebrauchs an Bundesstraßen (§ 28 BStG) gar kein Vertrieb einer Dienstleistung oder eines anders gearteten „Produkts“ vorliege und somit das FAGG nicht zur Anwendung gelange, ist nicht beizutreten. Aus § 28 BStG ergibt sich (im Zusammenhang mit § 1 BStMG) lediglich, dass niemand von der Benützung der Straße ausgeschlossen werden darf, der gewillt ist, die Maut zu entrichten. Der Vertrieb der digitalen Mautprodukte ist daher als Vertrag im Sinne von § 1 Abs 1 FAGG zu qualifizieren (zum vertraglichen Schuldverhältnis vgl auch RS0114743).

1.2.4. Somit hat die Beklagte die Informationspflichten gemäß § 4 iVm §§ 7 ff FAGG zu erfüllen und das Rücktritts- bzw Widerrufsrecht gemäß §§ 11 ff FAGG zu gewähren, dessen Verlust nur nach Maßgabe des § 18 FGG möglich wäre.

1.2.5. Nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG verliert der Verbraucher sein Rücktrittsrecht, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Erstens muss es sich um einen Vertrag über Dienstleistungen handeln, zweitens muss der Vertrag vollständig erfüllt worden sein, und drittens muss der Verbraucher vor Leistungsbeginn das Begehren nach § 10 FAGG stellen und dem Unternehmer bestätigen, zu wissen, dass er nach vollständiger Erfüllung sein Rücktrittsrecht verliert (vgl Schwarzenegger in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 18 FAGG Rz 4). Da die Klägerin eine Dauerleistung (nämlich die Bereitstellung der vom Erwerber benützbaren Straßen) schuldet, ist ihre Dienstleistung erst nach Ablauf der Laufzeit der Vignette vollständig erbracht. Eine Ausnahme vom Rücktrittsrecht nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG kommt daher nur bei der 10‑Tages-Vignette in Betracht.

1.2.6. Die Ausnahmebestimmung nach § 18 Abs 1 Z 11 FAGG, die sich auf die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalten bezieht und die das Rücktrittsrecht schon dann erlöschen lässt, wenn mit der Leistung begonnen wurde und keine vollständige Leistung verlangt, ist im konkreten Fall nicht anwendbar, weil es sich bei den Leistungen der Klägerin (Bereitstellung der vom Erwerber benützbaren Straßen) und der Beklagten (Vermittlung der Leistungen der Klägerin an ihre Kunden) nicht um unkörperliche Leistungen digitaler Inhalte handelt.

1.2.7. Entgegen dieser klaren Rechtslage gewähren die Beklagten ihren Kunden – nach ihrem eigenen Vorbringen noch in der Revisionsrekursbeantwortung – kein Rücktrittsrecht nach Abschluss der Registrierung des Kfz‑Kennzeichens bei der Klägerin. Damit verletzen sie § 1 Abs 1 Z 2 UWG, der die Anwendung von unlauterer Geschäftspraktik verpönt, die den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht und in Bezug auf das jeweilige Produkt geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet, wesentlich zu beeinflussen. Dass im konkreten Fall die Nichtgewährung des Widerrufsrechts unter Verschleierung der wahren Rechtslage nicht der beruflichen Sorgfalt entspricht, ist evident, und die Eignung der wesentlichen Beeinflussung des Durchschnittsverbrauchers ist schon dadurch bescheinigt, dass die Beklagten mit ihrem Geschäftsmodell „Digitale Vignette sofort“ (laut eigenen Angaben) einen durchschnittlichen Monatsgewinn von 33.000 EUR erzielen.

1.2.8. Die Auffassung der Beklagten, sie hätten ihre Leistung gegenüber ihren Kunden schon mit der Registrierung der jeweiligen Kfz-Kennzeichen bei der Klägerin erbracht, ist angesichts der klaren Gesetzeslage und der Aufmachung ihrer Online-Angebote, wonach sie eine einheitliche Gesamtdienstleistung anbieten, unvertretbar, da auch ihre Leistung erst mit Ablauf der Laufzeit der Vignette vollständig erbracht ist. Aus einer in einem Facebook-Eintrag geäußerten Rechtsmeinung der Klägerin ist für die Frage der Vertretbarkeit des Standpunkts der Beklagten nichts zu gewinnen. Der Sicherungsanspruch der Klägerin zu Spruchpunkt 1)b. ist somit bescheinigt.

1.3. Unrichtige Informationen über die Marktbedingungen im Sinn des UWG Anh Z 18

1.3.1. UWG Anh Z 18 verpönt als Geschäftspraktik, die unter allen Umständen als unlauter gilt, unrichtige Informationen über die Marktbedingungen oder die Möglichkeit, das Produkt zu finden, mit dem Ziel, den Umworbenen dazu zu bewegen, das Produkt zu weniger günstigen als den normalen Marktbedingungen zu kaufen.

1.3.2. § 4 Abs 1 FAGG verpflichtet den Unternehmer zur Aufklärung des Verbrauchers unter anderem über die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung in dem für das Kommunikationsmittel und die Ware oder Dienstleistung angemessenen Umfang, über den Gesamtpreis und über das Rücktrittsrecht.

1.3.3. Die Beklagten nennen ihren Kunden gegenüber Pauschalpreise für die Vignette als vermittelte Fremdleistung und ihre eigenen Dienstleistungen. Dies hat zur Folge, dass die Kunden der Beklagten die höheren Preise für die digitalen Mautprodukte gegenüber einem Bezug im Webshop der Beklagten nicht unmittelbar und deutlich erkennen können.

Zudem erläutern die Beklagten das bei einem Fernabsatzvertrag zu gewährende Rücktrittsrecht nicht im Sinn des österreichischen FAGG, sondern berufen sich stattdessen pauschal und irreführend auf die – zumindest für inländische Verbraucher nicht anwendbare – deutsche Rechtslage, wonach allen Kunden der Erwerb einer digitalen Vignette ohne Wartezeit möglich sei.

Weiters gehen die Beklagten unzutreffend von der Zulässigkeit einer Ausnahme vom Rücktrittsrecht bei allen Arten von Vignetten aus. Diese Information entspricht nicht dem Inhalt des § 18 FAGG (Ausnahmen vom Rücktrittsrecht), sondern erweckt den – unrichtigen – Eindruck, die Beklagten seien allein aufgrund ihres Sitzes in Deutschland in der Lage, den Verbrauchern (anders als die Klägerin) sofort gültige digitale Vignetten anzubieten. Diese Information ist – wie dargelegt – unrichtig und verfolgt das offensichtliche Ziel, inländische Verbraucher dazu zu bewegen, das Produkt zu weniger günstigen als den normalen Marktbedingungen (nämlich teurer) zu kaufen.

Überdies verschweigen die Beklagten ihren Kunden, dass sie diese in allen Fällen ungeprüft der Klägerin gegenüber als Unternehmer deklarieren, um die von der Klägerin vorgesehene Wartezeit zu vermeiden.

1.3.4. Dieses Verhalten erfüllt den Tatbestand des UWG Anh Z 18. Dieser Tatbestand erfasst Sachverhalte, bei denen ein Unternehmer durch unrichtige Informationen ein falsches Bild über die Marktverhältnisse oder die Verfügbarkeit eines Produkts zeichnet, um es schließlich zu für den Kunden nachteiligen Konditionen zu verkaufen (Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG² § 2 Anh Rn 188). Unter den Begriff „Produkt“ fallen nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen (§ 1 Abs 4 Z 1 UWG). „Marktbedingungen“ meint alles, was für das betreffende Produkt charakteristisch oder für den Kunden relevant ist (so auch Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG² § 2 Anh Rn 193), hier also die unrichtigen und unvollständigen Informationen über den Inhalt und Geltungsbereich des gesetzlichen Rücktrittsrechts sowie den Umstand, dass die Beklagten die digitalen Produkte der Klägerin um einen Aufpreis verkaufen und die sofortige „Freischaltung“ damit bewirken, dass sie ihre Kunden der Klägerin gegenüber pauschal als Unternehmer ausgeben. Auch der Sicherungsanspruch der Klägerin zu Spruchpunkt 1)a. und 1)c. ist somit bescheinigt.

1.4. Die Sicherungsverfügung des Erstgerichts zu Spruchpunkt 1) ist daher wiederherzustellen, allerdings – dies gilt auch für Spruchpunkt 2) – mit der im Sicherungsantrag enthaltenen Einschränkung „mit Wirkung für Österreich“.

2. Zum Verstoß gegen Markenrecht

Die Klägerin macht geltend, dass ihre beiden Marken unterscheidungskräftig seien. Die gegenständlichen Dienstleistungen hätten kein physisches Aussehen, sodass die Bildelemente der beiden Marken schon aus diesem Grund nicht beschreibend sein könnten.

2.1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

Nach ständiger Rechtsprechung besitzt eine Marke Unterscheidungskraft, wenn sie in der Lage ist, ihre Hauptfunktion zu erfüllen, nämlich dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden und somit die Erfahrung zu wiederholen, falls sie positiv war, oder zu vermeiden, falls sie negativ war (4 Ob 46/18w mwN). Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (4 Ob 11/14t).

Ob eine Marke unterscheidungskräftig ist, ist gemäß § 1 Abs 2 MSchG unter Berücksichtigung aller Tatumstände nach Maßgabe der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen. Entscheidend ist daher nicht so sehr, ob die Marke an sich Unterscheidungskraft besitzt, sondern vor allem, ob sie im Geschäftsverkehr als Zeichen der Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aufgefasst werden kann (RS0079038) und geeignet ist, diese Ware oder Dienstleistung von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nur unter dieser Bedingung kann eine Marke ihre Hauptfunktion als betrieblicher Herkunftshinweis erfüllen (4 Ob 46/18w mwN; vgl auch RS0118396).

2.2. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 35 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b–d MarkenRL) sind zwar nach der Rechtsprechung des EuGH gesondert zu prüfen (EuGH C‑304/06 , Eurohypo). Unterscheidungskraft fehlt bei einer Marke aber jedenfalls dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft; eine beschreibende Marke im Sinn von § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig im Sinn vom § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL. Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (4 Ob 11/14t).

2.3. Eine Marke ist beschreibend, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und sie daher als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung, nicht jedoch als Herkunftsangabe, verstehen (RS0109431). Dabei müssen die beteiligten Verkehrskreise „sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von den Anmeldungen erfassten Waren und Dienstleistungen“ herstellen können (EuGH C-494/08P , Pranahaus). Enthält das Zeichen demgegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung geschützt (RS0109431 [T3], RS0090799, RS0066456).

2.4. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird bei Prüfung des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab angelegt: Jede noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (4 Ob 46/18w, Stimmung hoch zwei mwN).

2.5. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779).

Anderes gilt dann, wenn der Wortbestandteil weder unterscheidungskräftig/prägend, noch im Vergleich zum Bildbestandteil auffälliger ist (RS0066779 [T17]). Ist der charakteristische und allein kennzeichenkräftige Bestandteil einer Wortbildmarke die besondere grafische Gestaltung der Buchstaben und der Umrahmung, kommt es auf die Schutzfähigkeit des Wortbestandteils nicht an (RS0066779 [T16]).

2.6. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann den beiden Wortbildmarken der Klägerin Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Ihre Wortelemente „Digitale Vignette“ und „Digitale Streckenmaut“ treten als beschreibend in den Hintergrund, sodass die jeweiligen Bildelemente als prägend anzusehen sind. Diese gehen bei beiden Marken über die bloße Verwendung einfacher geometrischer Formen hinaus: Das rote Trapez ist im unteren Bereich des linken Schenkels schachbrettartig gemustert, das grüne Rechteck wird durch zwei unterschiedlich breite spitzdachförmige Linien in seinem Inneren ergänzt. Entgegen der Auffassung der Beklagten in ihrer Äußerung zum Sicherungsantrag gibt es auch keine „klassische“ Vignettenform, wie bereits der Vergleich mit äußerst unterschiedlich gestalteten Mautvignetten aus anderen europäischen Ländern zeigt. Bei beiden Marken der Klägerin sind die grafischen Elemente daher ausreichend phantasievoll gestaltet, um es den maßgeblichen Verkehrskreisen zu ermöglichen, die Marken als Herkunftszeichen zu erkennen.

2.7. Wenn daher die Beklagten die unterscheidungskräftigen Marken der Klägerin zur Bewerbung ihrer eigenen Dienstleistung verwenden, liegt darin eine Verletzungshandlung im Sinne von § 10 Abs 1 Z 1 MSchG.

2.8. Der Hinweis der Beklagten auf die Duldungspflicht des Markeninhabers gemäß § 10 Abs 3 MSchG (der Art 6 MarkenRL umsetzt) geht hier schon deshalb ins Leere, weil dort nur solche Benutzungshandlungen Dritter für zulässig erklärt werden, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entsprechen. Im Anlassfall verstoßen die Beklagten mit ihrem Geschäftsmodell – wie aufgezeigt – gegen das UWG, weshalb schon aus diesem Grund die beanstandete Markenverwendung nicht durch den genannten Ausnahmetatbestand freigestellt ist.

2.9. Somit ist auch die Sicherungsverfügung des Erstgerichts zu Spruchpunkt 2) wiederherzustellen. Von der Auferlegung einer Sicherheitsleistung ist Abstand zu nehmen, da die gebotene Interessenabwägung (vgl 4 Ob 28/15v mwN) keine maßgeblichen Bedenken tiefgreifender Eingriffe der einstweiligen Verfügung in die Interessen der Beklagten ergibt.

3. Zur Passivlegitimation

Die Haftung der Zweitbeklagten ergibt sich aus deren Stellung als persönlich haftender Gesellschafterin der Erstbeklagten. Dritt- und Viertbeklager (als die alleinigen Geschäftsführer der Zweitbeklagten) haben nach ihren selbst vorgelegten eidesstättigen Erklärungen (Beil ./9 und ./10) jene Geschäftsidee entwickelt, die die Erstbeklagte sodann auf dem Markt umgesetzt hat. An ihrer (Mit-)Haftung für das unlautere und markenrechtsverletzende Verhalten der Erstbeklagten besteht unter diesen Umständen kein Zweifel.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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