European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133022
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die gerügte Aktenwidrigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[2] 2. Soweit der Einrichtungsleiter den Rechtsmittelgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung geltend macht, übersieht er, dass der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz ist (RS0007236).
[3] 3.1 Die Gesundheits‑ und Krankenpflegeberufe dürfen nur nach Maßgabe des GuKG ausgeübt werden (§ 3 leg cit). Die Pflegeberufe nach dem GuKG dienen vorrangig der Unterstützung der ärztlichen Tätigkeit und damit der Pflege von Personen, die medizinischer Hilfe bedürfen (7 Ob 119/14x; vgl auch RS0115067).
[4] 3.2 Mangels gesetzlicher Grundlage darf ein Mitarbeiter eines von der Krankenanstalt beauftragten Sicherheitsdienstes keine Pflegemaßnahmen wie das Festhalten eines Kranken setzen (RS0129749). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits zu unterschiedlichen Fallkonstellationen Stellung genommen: So gehört das dem Anlegen einer 4‑Punkt‑Fixierung vorangehende Festhalten des Kranken im Rahmen der Unterbringung bereits zur psychiatrischen Gesundheits‑ und Krankenpflege und ist damit vorrangig dem Pflegepersonal nach den Regelungen des GuKG vorbehalten (7 Ob 119/14x; RS0129748). Auch dürfen die Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste keine Pflegemaßnahmen wie das Festhalten des Kranken bei der Blutabnahme setzen (7 Ob 14/21s). Weiters wurde auch bereits eine Freiheitsbeschränkung durch Androhung/ Anordnung des Zurückhaltens durch Sicherheitswachebeamte bejaht. Die Durchführung der ärztlichen Anordnung, das (versuchte) Verlassen der Station durch den Bewohner mittels Festhaltens zu hindern, und ihn vor der drohenden Selbstgefährdung des Verlaufens zu schützen, gehört zur Betreuung und Pflege von Menschen mit psychischen Störungen und neurologischen Erkrankungen und damit zur psychiatrischen Gesundheits‑ und Krankenpflege, sie ist als Pflegehandlung dem Pflegepersonal vorbehalten (7 Ob 139/14p zum HeimAufG).
[5] 3.3 Eine Freiheitsbeschränkung setzt nicht notwendigerweise die Anwendung psychischen Zwangs voraus. Es genügt auch dessen Androhung. Es ist nicht erforderlich, dass dem Bewohner von der anordnungsbefugten Person oder anderen Bediensteten konkret mit freiheitsentziehenden Maßnahmen gedroht wird. Vielmehr reicht es aus, wenn er aus dem Gesamtbild des Geschehens den Eindruck gewinnen muss, dass er den Aufenthaltsort nicht mehr verlassen kann. In solchen Fällen kommt es darauf an, ob der Bewohner ungehindert von äußerem Zwang seinen Aufenthaltsort nach freiem Willen verlassen kann oder mit einem physischen Zugriff rechnen muss (7 Ob 139/14p; 7 Ob 59/21h).
[6] 3.4.1 Der Kranke wurde am 24. 4. 2019 von der Abteilung in ein anderes psychiatrisches Krankenhaus überstellt. Der Mitarbeiter der Abteilung saß neben dem Fahrer. Der Kranke saß – in dem durch eine Wand abgetrennten – hinteren Teil des Transportfahrzeugs, gesichert durch einen 3‑Punkt‑Sicherheitsgut. Nur ein Mitarbeiter eines – von der Abteilung beigezogenen – privaten Sicherheitsdienstes war beim Kranken; er sollte den Überblick behalten und den Kranken vor Schaden (Lösen des Gurtes während der Fahrt, Herumgehen im Fahrzeug) bewahren.
[7] 3.4.2 Das Rekursgericht beurteilte diesen Sachverhalt dahin, dass ausschließlich dem – allein beim Kranken befindlichen Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes – die Betreuung und Überwachung des Kranken während der Überstellung möglich gewesen sei und ihm somit pflegerische Aufgaben übertragen worden seien. Nur ihm sei es überlassen worden, den Kranken durch die körpernahe Tätigkeit des Festhaltens am Lösen des Gurtes bzw am Verlassen des Sitzes zu hindern. Aus dem Gesamtbild des Geschehens habe der Kranke überdies den Eindruck gewinnen müssen, dass er weder den Gurt lösen, noch seinen Platzverlassen könne, ohne mit einem physischen Zugriff, wie dem den Pflegemaßnahmen zuzuordnenden Festhalten durch den Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, rechnen zu müssen. Bereits dies stelle eine unzulässige Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch Androhung/Anordnung des Festhaltens durch Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes dar.
[8] Diese Rechtsansicht, gegen die der Abteilungsleiter keine stichhaltigen Argumente vorbringt, steht mit der dargelegten oberstgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang. Die Frage der Zulässigkeit einer zusätzlichenpräventiven Beiziehung eines privaten Sicherheitsdienstes zum Schutz des Pflegepersonals in Notfallsituationen, sofern die Pflegehandlungen grundsätzlich dem Pflegepersonal vorbehalten bleiben, stellt sich bei dem hier festgestellten Sachverhalt nicht.
[9] 4.1 Das Rekursgericht erachtete weiters die Weitergabe der persönlichen Daten des Kranken an den privaten Sicherheitsdienst für nicht zulässig. Durch die – als unzulässig beurteilte – Beiziehung des privaten Sicherheitsdienstes für Pflegemaßnahmen entfalle nicht nur jegliche Rechtfertigung für diese Datenweitergabe, sie verstoße zudem gegen § 9 DSGVO.
[10] 4.2 Dieser Beurteilung hält der Abteilungsleiter ausschließlich entgegen, dass es sich um eine zulässige, weil systeminterne, Datenweitergabe gehandelt habe. Die Mitarbeiter des beigezogenen privaten Sicherheitsdienstes seien „dem Krankenhausträger zugeordnet“. Damit entfernt er sich vom Boden der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen, weshalb darauf nicht weiter eingegangen werden muss.
[11] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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