OGH 8ObA46/21d

OGH8ObA46/21d3.8.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. DI (FH) E*****, nunmehr vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei S*****, wegen Leistung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. Mai 2019, GZ 11 Ra 32/19h‑25, mit dem der Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. April 2019, GZ 10 Cga 24/19k‑9, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00046.21D.0803.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen vom 9. 4. 2019 und 13. 5. 2019 werden ersatzlos aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

 

Begründung:

[1] Am 28. 2. 2019 brachte der Kläger beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht eine Klage gegen die Beklagte ein.

[2] Mit Beschluss vom 9. 4. 2019 wies das Erstgericht die Klage zurück. Trotz Verbesserungsaufträgen habe der Kläger seine Klage nicht ziffernmäßig bestimmt.

[3] Dagegen erhob der damals unvertretene Kläger rechtzeitig Rekurs. Dem Auftrag des Erstgerichts, den Rekurs durch Unterfertigung einer qualifizierten Person iSd § 40 Abs 1 ASGG zu verbessern, kam der Kläger nicht nach.

[4] Mit dem nun angefochtenen Beschluss vom 13. 5. 2019 wies das Rekursgericht den Rekurs des Klägers als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[5] Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger fristgerecht einen – zunächst von einem Rechtsanwalt nicht unterfertigten – Revisionsrekurs.

[6] Das Erstgericht verständigte sodann am 26. 6. 2019 gemäß § 6a ZPO das Pflegschaftsgericht (Bezirksgericht Linz) über den von ihm gewonnenen Eindruck der mangelnden Geschäfts‑ bzw Prozessfähigkeit des Klägers.

[7] Mit (mittlerweile rechtskräftigem [5 Ob 209/20a]) Beschluss vom 22. 5. 2020 (38 P 208/19y‑114 des Bezirksgerichts Linz) bestellte das Pflegschaftsgericht Rechtsanwalt Mag. Dr. H***** gemäß § 120 AußStrG zum einstweiligen Erwachsenenvertreter des Klägers, unter anderem zur Vertretung in allen anhängigen und anstehenden gerichtlichen Verfahren.

[8] Mit Beschluss vom 2. 12. 2020 (ON 41) trug das Erstgericht dem Erwachsenenvertreter auf, binnen eines Monats bekanntzugeben, ob ein den Bestimmungen der ZPO und der Geo entsprechender Revisionsrekurs erhoben wird und diesen dann gegebenenfalls bis 5. 3. 2021 zu verbessern.

[9] In der Folge teilte der Erwachsenenvertreter dem Erstgericht fristgerecht mit, dass er einen verbesserten Revisionsrekurs einbringen werde (ON 42). Innerhalb der vom Erstgericht eingeräumten Frist brachte der einstweilige Erwachsenenvertreter des Klägers am 5. 3. 2021 einen verbesserten Revisionsrekurs ein. Unter Geltendmachung der Revisionsrekursgründe der Nichtigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beantragt er darin, die angefochtenen Beschlüsse des Rekursgerichts vom 13. 5. 2019 und des Erstgerichts vom 9. 4. 2019 aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, den ergangenen Verbesserungsauftrag hinsichtlich der eingebrachten Klage dem einstweiligen Erwachsenenvertreter zur weiteren Veranlassung zuzustellen. Dabei stützt er sich darauf, dass der Kläger nach den im Erwachsenenschutzverfahren eingeholten Sachverständigengutachten bereits bei Klagseinbringung (28. 2. 2019) nicht mehr prozessfähig gewesen sei.

[10] Der (verbesserte) Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[11] 1. Stellt sich die Frage des allfälligen Mangels der Prozessfähigkeit erst im Rechtsmittelverfahren, so hat das Rechtsmittelgericht von Amts wegen eine entsprechende Prüfung und allfällige Sanierung selbst vorzunehmen (RS0035456). Nach dem vom Bezirksgericht Linz im Erwachsenenschutzverfahren zu 38 P 208/19y eingeholten Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prim. Dr. Christoph Röper, LL.M., vom 14. 7. 2020 leidet der Kläger bereits seit Juni/Juli 2018 an einer anhaltend wahnhaften Störung bzw einer kombinierten Persönlichkeitsstörung. Wegen seiner krankheitsbedingten psychischen Einschränkungen war er seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, sich adäquat um seine finanziellen Angelegenheiten zu kümmern und sich unter anderem gegenüber Gerichten (insbesondere in den anhängigen Gerichtsverfahren) zu vertreten (vgl auch 9 ObA 44/21t).

[12] 2. Der Senat geht daher davon aus, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Klagseinbringung (28. 2. 2019) nicht mehr prozessfähig war. Aus den im verbesserten Revisionsrekurs vom einstweiligen Erwachsenenvertreter gestellten Anträgen ergibt sich (vgl RS0042223), dass der Erwachsenenvertreter die nach Klagseinbringung erfolgte Prozessführung des damals unvertretenen Klägers nicht genehmigte (§ 6 Abs 2, § 477 Abs 2 ZPO; vgl auch 9 ObA 44/21t). Damit ist das von den Vorinstanzen nach Klagseinbringung durchgeführte Verfahren nichtig (§ 477 Abs 1 Z 5 ZPO).

[13] 3. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben, und es waren die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanzen antragsgemäß aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht dem einstweiligen Erwachsenenvertreter die Möglichkeit zu eröffnen haben, die Klage (auch durch Einholung der erforderlichen pflegschaftsbehördlichen Genehmigung) zu verbessern.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte