OGH 23Ds2/20a

OGH23Ds2/20a2.8.2021

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 2. August 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als weiteren Richter sowie den Rechtsanwalt Mag. Dr. Schimik als Anwaltsrichter und die Rechtsanwältin Dr. Klaar als Anwaltsrichterin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 20. Oktober 2020, GZ D 8/16‑24, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0230DS00002.20A.0802.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

 

Gründe:

[1] Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 16. Jänner 2017 (ON 13) wurde ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt und gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße verurteilt.

[2] Danach hat er dadurch, dass der in seiner Filialkanzlei in ***** tätige und seiner Ausbildung unterstehende Rechtsanwaltsanwärter Dr. Sven T***** unter seiner Verantwortung sowie mit seinem Wissen und seiner Zustimmung am 4. September 2014 für seinen Mandanten Thomas W***** ein mit 21. August 2014 datiertes Schreiben mit dem Inhalt, dass die A***** AG aufgefordert wird, ihre Klage unter Anspruchsverzicht zurückzuziehen und die Vertretungskosten der Kanzlei des Beschuldigten zu übernehmen, widrigenfalls „die Medien über jeden Schritt unterrichtet werden“, wobei mehrere Medienvertreter hohes Interesse am Fortgang des Prozesses hätten und sich der Beschuldigte sicher sei, dass das nicht im Interesse der A***** AG sei, an deren Rechtsvertreter gesendet hat, gegen die Bestimmungen des § 9 Abs 1 RAO und des § 2 RL‑BA 1977 verstoßen.

[3] Mit Erkenntnis vom 28. August 2017, AZ 23 Ds 5/17p (ON 18), gab der Oberste Gerichtshof der dagegen erhobenen Berufung des Beschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe nicht Folge.

[4] Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 24) gab der Disziplinarrat der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer dem Antrag des Beschuldigten auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens vom 23. Juli 2020 (ON 22) nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschuldigten geht fehl.

[6] Gemäß § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt kann der rechtskräftig verurteilte Beschuldigte die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens (unter anderem dann) verlangen, wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine – im rechtsanwaltlichen Disziplinarverfahren insoweit ausschließlich relevante (RIS‑Justiz RS0129507) – Freisprechung zu begründen.

[7] Bei der Prüfung der Frage, ob einem neuen Beweismittel die Eignung zukommt, zu einer für den Wiederaufnahmewerber günstigeren Sachverhaltsbeurteilung – hier also seiner Freisprechung – zu gelangen, ist nicht anders vorzugehen als bei der Relevanzprüfung von Beweisanträgen im Erkenntnisverfahren (vgl RIS‑Justiz RS0101243 sowie Lewisch, WK‑StPO § 353 Rz 62).

[8] Fallbezogen hat Mag. André Z*****, dessen eidesstättige Erklärung der Beschwerdeführer als angeblich neue Tatsachen beinhaltendes Beweismittel zur Begründung seines Wiederaufnahmebegehrens vorgelegt hat (ON 22 S 575–577), im Disziplinarverfahren bereits als Zeuge ausgesagt (ON 12 S 427–435). Dabei hat er (zusammengefasst) angegeben, zwar in Abwesenheit des Beschuldigten für die Vorgänge in dessen Filialkanzlei in ***** verantwortlich gewesen zu sein, das gegenständliche Schreiben aber erst nachträglich gesehen zu haben. Dessen Inhalt habe der Rechtsanwaltsanwärter Dr. T***** „definitiv nicht mit [ihm] besprochen“ (ON 12 S 427–429, 433).

[9] Soweit dieser Zeuge nunmehr seine als Leiter der Filialkanzlei in ***** grundsätzlich gegebene Verantwortlichkeit bejaht, ist diese Aussage also nicht neu.

[10] Seine weitere Bekundung, in der gegenständlichen Causa selbst die Klagebeantwortung und einen vorbereitenden Schriftsatz verfasst zu haben und „diesbezüglich selbstverständlich verantwortlich“ zu sein, während der Beschuldigte, um dessen Mandat es sich „wirtschaftlich“ gehandelt habe, in dieser Sache „keine einzige verrechenbare Leistung erbracht“, sondern „erkennbar“ nur die Abrechnung des Akts vorgenommen habe, stellt zwar eine Neuerung dar, ist aber nicht geeignet, die Beweislage in Richtung einer Freisprechung des Beschuldigten zu beeinflussen. Die in diesem Zusammenhang wesentliche Feststellung, wonach der Rechtsanwaltsanwärter Dr. T***** den inkriminierten Schriftsatz unter der Verantwortung sowie mit dem Wissen und der Zustimmung des Beschuldigten gesendet hat, wird durch diese Aussage nämlich nicht tangiert.

[11] Der Beschwerde war daher nicht zu folgen.

[12] Ein Kostenausspruch hatte zu unterbleiben, weil der Disziplinarrat einen solchen – entgegen § 390a Abs 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt – unterlassen hat (RIS‑Justiz RS0129437 [T3]; Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 17).

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