European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00124.21B.0727.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Minderjährigen entstammen der mittlerweile aufgelösten Lebensgemeinschaft ihrer Eltern, die Obsorge für den mj F***** kommt beiden Eltern gemeinsam, fürdie mj C***** hingegen nur der Mutter allein zu.
[2] Seit Auflösung der Lebensgemeinschaft kam es zu heftigen Streitigkeiten der Eltern. Ihr Konflikt, der nicht nur die Obsorge für beide Kinder, sondern auch vermögensrechtliche Themen und den Umstand betrifft, dass die Mutter eine Lebensgemeinschaft mit ihrem Arbeitgeber, dem ehemaligen Rechtsfreund beider Eltern aufgenommen hat, ist mittlerweile hoch eskaliert.
[3] Ob der im Hälfteeigentum der Eltern stehenden Liegenschaft mit dem Haus, in dem sie mit den Minderjährigen wohnten, war auf den Miteigentumsanteilen der Eltern jeweils ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot für beide Minderjährige einverleibt. Die Mutter wurde im Herbst 2020 von einer Gläubigerin beim Landesgericht St. Pölten darauf geklagt, zur Hereinbringung eines Betrags von 16.000 EUR die Exekution in ihren ideellen Hälfteanteil zu dulden und in die Einverleibung der Löschung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots einzuwilligen. Die Mutter beteiligte sich an diesem Verfahren nicht, sodass ein Versäumungsurteil gegen sie erging. Aufgrund eines Löschungsantrags der Gläubigerin wurde das zugunsten der Minderjährigen einverleibte Belastungs‑ und Veräußerungsverbot gelöscht, die Mutter unternahm dagegen nichts. Der Vater erhob Rekurs. Anstatt ihre Zahlungspflicht zu erfüllen veräußerte die Mutter noch während des Verfahrens über die Löschung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots einen Teil ihres Miteigentumsanteils an ihren Lebensgefährten, der sich am Tag nach der Löschung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots als Miteigentümer im Grundbuch einverleiben ließ.
[4] Das Erstgericht entzog der Mutter aufgrund dieses Sachverhalts die Obsorge für die beiden Minderjährigen im Teilbereich Vermögensverwaltung einschließlich der diesbezüglichen gesetzlichen Vertretung und sprach aus, dass diese hinsichtlich des mj F***** künftig dem Vater alleine zukomme, hinsichtlich der mj C***** hingegen ihm übertragen werde.
[5] Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung in diesem Umfang und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[7] 1. Gemäß § 181 Abs 1 ABGB hat dann, wenn die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes gefährden, das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohls des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Insbesondere darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise entziehen. Gemäß § 182 ABGB darf durch eine Verfügung nach § 181 ABGB das Gericht die Obsorge nur so weit beschränken, als dies zur Sicherung des Wohls des Kindes nötig ist. Ob die Voraussetzungen für eine (auch nur teilweise) Obsorgeübertragung erfüllt sind und eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf, wenn dabei ausreichend auf das Kindeswohl Bedacht genommen wurde (1 Ob 99/17s; RIS‑Justiz RS0007101; RS0115719 [T7]).
[8] Die Vorinstanzen haben die Entziehung der Obsorge der Mutter im Teilbereich Vermögensverwaltung ausführlich begründet. Ihre Auffassung, dies sei wegen einer Kindeswohlgefährdung in diesem Bereich geboten gewesen und entspreche dem Wohl des Kindes, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.
[9] 2. Grundsätzlich haben die Eltern das Vermögen eines minderjährigen Kindes nach § 164 Abs 1 ABGB mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten. Sofern das Kindeswohl nichts anderes erfordert, haben sie es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren (vgl Fischer/Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 164 Rz 1). Dass das Belastungs- und Veräußerungsverbot selbst zwar kein Vermögensobjekt ist (vgl RS0010805), die daraus erlangte Rechtsposition der Minderjährigen als Verbotsberechtigte in Bezug auf die Hälfteanteile ihrer Eltern an der Liegenschaft mit dem Haus, in dem sie wohnen, aber sehr wohl grundsätzlich (geldwerte) Rechte vermittelt und damit als „Vermögen“ des Kindes gewertet werden kann (vgl Fischer/Czermak aaO), zu dessen Erhalt (beide) Eltern nach dieser Bestimmung verpflichtet sind, ist nicht zu bezweifeln.
[10] 3. Die Mutter meint, hier sei deshalb eine andere Beurteilung geboten, weil das Belastungs‑ und Veräußerungsverbot nur zu dem Zweck einverleibt worden sei, das Vermögen des Vaters vorbeugend dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Abgesehen davon, dass schon das Rekursgericht zutreffend darauf hinwies, dass dieses Argument nicht schlüssig ist, weil sich das Belastungs‑ und Veräußerungsverbot nicht nur auf die Liegenschaftshälfte des Vaters, sondern auch auf die der Mutter bezog (wobei nur die Verfügung darüber nun Gegenstand des Obsorgeentziehungsverfahrens ist), stellte das Erstgericht – disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung – fest, die Einverleibung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots habe den Zweck gehabt, sicherzustellen, dass der Familienwohnsitz auch für den Fall der Trennung der Eltern weiterhin im Familienbesitz bleibt und den Kindern zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses dienen kann. Das Rekursgericht hat dies durch den Hinweis ergänzt, aus der in der Urkundensammlung des Grundbuchs ersichtlichen Vereinbarung ergebe sich als – zulässiger (6 Ob 304/05g) – Vertragszweck die Sicherung der Familienerbfolge. Für die im Revisionsrekurs behauptete absolute Nichtigkeit des von der Mutter eingeräumten Belastungs‑ und Veräußerungsverbots wegen Gläubigerbenachteiligung gibt es nach dieser im Einzelfall nicht korrekturbedürftigen (vgl RS0118891) Auslegung der Urteilsfeststellungen daher keinen Anlass, weiterer Feststellungen zum Zweck des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots bedurfte es nicht.
[11] 4. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Mutter ja nicht nur nichts gegen die von einer Gläubigerin initiierte Löschung des zu Gunsten der Minderjährigen einverleibten Belastungs‑ und Veräußerungsverbots unternahm, sondern unmittelbar nach Einverleibung der Löschung einen Anteil ihres Hälfteanteils an ihren Lebensgefährten verschenkte, der sich unverzüglich als Miteigentümer einverleiben ließ. Die Beurteilung der Vorinstanzen, damit wäre das gesetzliche Erbrecht der Kinder in Bezug auf diese Liegenschaft (zumindest teilweise) beeinträchtigt, ist ebenso unbedenklich wie die Auffassung des Rekursgerichts, die Löschung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots sei auch geeignet, ein Hindernis für die Bewilligung der Exekution nach § 352 EO zur Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft zu beseitigen, auch daraus ergebe sich die Nachteiligkeit der Vorgangsweise der Mutter in Bezug auf die wirtschaftlichen Interessen der Kinder.
[12] 5. Selbst wenn mittlerweile der ursprüngliche Grundbuchsstand wiederhergestellt und das Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zu Gunsten der Minderjährigen wieder intabuliert sein sollte, würde das nichts daran ändern, dass das Verhalten der Mutter zeigt, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht bereit und/oder imstande war, mit der von ihr zu fordernden Sorgfalt ordentlicher Eltern im Bereich der Vermögensverwaltung vorzugehen. Der teilweise Obsorgeentzug im Bereich Vermögensverwaltung ist somit nicht korrekturbedürftig.
[13] 6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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