OGH 5Ob78/21p

OGH5Ob78/21p12.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. A*, 2. W*, beide *, beide vertreten durch Dr. Kurt Kozak, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Rechtfertigung und Einverleibung des Eigentumsrechts ob der EZ * und * je KG *, über den Revisionsrekurs des Dr. Thomas Hufnagl, Rechtsanwalt in Salzburg, als zu AZ 23 S 61/20w des Landesgerichts Salzburg bestellter Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der B*‑GmbH, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 10. März 2021, AZ 53 R 35/21k, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Oberndorf vom 8. Jänner 2021, TZ 17/2021, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132573

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass es lautet:

Urkunden

Bescheinigung nach dem Sbg GVG vom 17. 7. 2020

Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 27. 8. 2018

Abgewiesen wird

1 in EZ * KG *

auf Anteil B‑LNR 1 c

1 ANTEIL: 1/2

B*‑GmbH FN *

ADR: *

c 995/2020 Eigentumsrecht vorgemerkt für A* geb *

die Anmerkung der Rechtfertigung des vorgemerkten

Eigentumsrechts für A*,

geb. *

 

2 in EZ * KG *

auf Anteil B‑LNR 2 c

2 ANTEIL: 1/2

B*‑GmbH FN *

ADR: *

c 995/2020 Eigentumsrecht vorgemerkt für W* geb *

die Anmerkung der Rechtfertigung des vorgemerkten

Eigentumsrechts für W*,

geb. *

 

3 in EZ * KG *

auf Anteil B‑LNR 9

9 ANTEIL: 1/10

B*‑GmbH FN *

ADR: *

c 995/2020 Eigentumsrecht vorgemerkt für A* geb *

die Anmerkung der Rechtfertigung des vorgemerkten

Eigentumsrechts für A*,

geb. *

 

4 in EZ * KG *

auf Anteil B‑LNR 10 c

10 ANTEIL: 1/10

B*‑GmbH FN *

ADR: *

c 995/2020 Eigentumsrecht vorgemerkt für W* geb *

die Anmerkung der Rechtfertigung des vorgemerkten

Eigentumsrechts für W*,

geb. *

 

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

 

Begründung:

[1] Mit Kaufvertrag vom 10. 11. 2017 erwarben unter anderem die Antragsteller Miteigentum an einer Liegenschaft, die real geteilt werden sollte. In Punkt XX. dieses Kaufvertrags heißt es:

„XX. Aufsandungserklärung

Die B*‑GmbH (idF GmbH) [...] erteilt ihre ausdrückliche Zustimmung, dass aufgrund dieses Vertrags ob der Liegenschaft [...] die Vormerkung der Einverleibung des Eigentumsrechts [...] eingetragen werden kann.“

[2] Nach Durchführung der Liegenschaftsteilung bekräftigte die GmbH (und nunmehrige Gemeinschuldnerin) in der Erklärung vom 5. 5. 2020 ihre ausdrückliche Zustimmung, dass „aufgrund des Kaufvertrags die Vormerkung der Einverleibung des Eigentumsrechts für die Antragsteller (nunmehr auch hinsichtlich der nach Ab‑ und Zuschreibung neu entstandenen Grundbuchskörper) entsprechend den angeführten Miteigentumsanteilen vorgenommen werden kann“.

[3] Zu TZ 995/2020 des Erstgerichts begehrten unter anderem die Antragsteller unter Vorlage des Kaufvertrags vom 10. 11. 2017 (und weiterer Kaufverträge), der Erklärung vom 5. 5. 2020 und des Teilungsplans vom 22. 8. 2018 die Vormerkung ihres Eigentumsrechts an den im Spruch dieser Entscheidung angeführten Miteigentumsanteilen.

[4] Das Erstgericht gab diesem Antrag mit Beschluss vom 25. 5. 2020 statt und bewilligte die Vormerkung des Eigentums für die Antragsteller (und weitere Käufer). Im Spruch seines Bewilligungsbeschlusses findet sich jeweils der Beisatz „mangels UB“.

[5] Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 21. 9. 2020 zu AZ 23 S 61/20w wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet.

[6] Unter Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom 27. 8. 2018, der Bescheinigung des Bürgermeisters gemäß § 2 Abs 2 lit b Sbg GVG und (neuerlich) des Kaufvertrags vom 10. 11. 2017 beantragten die Antragsteller die Anmerkung der Rechtfertigung und die Einverleibung ihres Eigentumsrechts an den im Spruch genannten Liegenschaftsanteilen.

[7] Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag und damit die Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragsteller.

[8] Dagegen erhob der Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der GmbH Rekurs, dem das Gericht zweiter Instanz nicht Folge gab. Das Rekursgericht bejahte die Rechtsmittellegitimation des Insolvenzverwalters und gelangte rechtlich zum Ergebnis, dass die bei Bewilligung der Vormerkung bereits geprüften Eintragungsvoraussetzungen nicht neuerlich darzulegen seien, weil auch Beschlüsse des Grundbuchsgerichts in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen. Aus Anlass eines Antrags auf Rechtfertigung könne daher nur geprüft werden, ob die Urkunde, deren Fehlen bisher dem unbedingten Eintrag entgegenstand, nunmehr vorliege. Die Antragsteller hätten nämlich eine Rechtsposition erlangt, die nur mehr im Umfang des Fehlens der Unbedenklichkeitsbescheinigung überprüft werden dürfe, weshalb Fragen nach einer gültigen Aufsandungserklärung nicht mehr aufgeworfen werden könnten.

[9] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung fehle, „inwiefern sich die Prüfung bei Anmerkung der Rechtfertigung bei einer Vormerkung des Eigentumsrechts mangels Unbedenklichkeitsbescheinigung tatsächlich nur auf diese Bescheinigung beschränken darf oder inwiefern das Fehlen einer eindeutigen Aufsandungserklärung im Sinn einer Einverleibung des Eigentumsrechts oder das offensichtliche Fehlen der Prüfung grundverkehrsbehördlicher Aspekte anlässlich der Vormerkung nachträglich anlässlich der Anmerkung der Rechtfertigung aufgegriffen werden darf“.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der vom Insolvenzverwalter erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts einer Korrektur bedarf. Er ist auch berechtigt.

[11] 1. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0121703) ist der Insolvenzverwalter berechtigt und legitimiert, gegen eine der Grundbuchsperre des § 13 IO widersprechende grundbücherliche Eintragung vorzugehen, andere Rechtswirkungen und Rechtsfolgen, die spezifisch durch die Insolvenzeröffnung ausgelöst werden, geltend zu machen und solche Einwände zu erheben, die auch dem Schuldner als Buchberechtigten – ohne Insolvenzeröffnung – selbst noch zugestanden wären. § 13 IO ist auch auf die Rechtfertigung einer vor Insolvenzeröffnung eingetragenen Vormerkung sinngemäß anzuwenden (G. Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 25 GBG Rz 17). Das Gericht zweiter Instanz hat den Rekurs des Insolvenzverwalters daher zutreffend als zulässig erachtet und inhaltlich behandelt.

[12] 2.1. Das Grundbuchsgericht hat gemäß § 94 Abs 1 GBG das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn (unter anderem) das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (Z 3) und die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich sind (Z 4).

[13] 2.2. Wenn die beigebrachte Urkunde nicht alle in den in §§ 3134 GBG festgesetzten besonderen Erfordernisse zur Einverleibung, wohl aber die allgemeinen Erfordernisse (§§ 26, 27 GBG) zur grundbücherlichen Eintragung besitzt, kann aufgrund der Urkunde gemäß § 35 GBG die Vormerkung bewilligt werden. Nach § 26 Abs 1 GBG können Einverleibungen und Vormerkungen nur aufgrund von Urkunden bewilligt werden, die in der zu ihrer Gültigkeit vorgeschriebenen Form ausgefertigt sind.

[14] 2.3. Die Aufsandungserklärung ist kein allgemeines Erfordernis, sondern besonderes Erfordernis nach § 32 Abs 1 lit b GBG. Fehlt es an einem solchen besonderen Erfordernis, kommt die Einverleibung des Eigentumsrechts nicht in Betracht, wohl aber ist – im Regelfall als Minus (vgl § 96 GBG) gegenüber einer begehrten Einverleibung – die Vormerkung zu bewilligen (5 Ob 76/07y mwN; vgl auch RS0060665).

[15] 3.1. Beschlüsse des Grundbuchsgerichts erwachsen in formelle und materielle Rechtskraft (RS0041483 [T1]; G. Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 95 GBG Rz 44). Daraus ergibt sich, dass die bei Bewilligung der Vormerkung bereits geprüften Eintragungsvoraussetzungen nicht neuerlich darzulegen sind. Das Grundbuchsgericht ist insoweit an seine frühere Entscheidung gebunden (5 Ob 256/04i mwN). Bei der Beurteilung eines Antrags auf Rechtfertigung ist daher grundsätzlich nur noch zu prüfen, ob die Voraussetzungen, deren Fehlen bisher dem unbedingten Eintrag entgegenstand, nunmehr erfüllt sind (vgl RS0060736 [T4]).

[16] 3.2. Die Vormerkung hat einen bedingten Rechtserwerb oder Rechtsverlust zur Folge. Der Antragsteller wird unter der Bedingung eingetragen, dass später die Rechtfertigung der Vormerkung erfolgt. Rechtfertigung bedeutet, dass die für die Einverleibung noch fehlenden Nachweise nachgereicht werden (Höller in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 8 Rz 11). Dabei ist die neuerliche Vorlage bereits mit dem Vormerkungsgesuch vorgelegter und vom Gericht bereits geprüfter Urkunden entbehrlich, um den Rechtfertigungsvorgang zu vereinfachen. Das setzt aber voraus, dass dem Grundbuchsakt, in dem die Vormerkung bewilligt wurde, im Einzelnen die der Einverleibung des Rechts entgegenstehenden Mängel zu entnehmen sind und Anhaltspunkte für andere der Rechtfertigung bedürfende Mängel nicht vorhanden waren (RS0060736).

[17] 3.3. Das Begehren auf Einverleibung begreift jenes um Vormerkung stillschweigend in sich, wenn der Antragsteller dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat (§ 85 Abs 3 GBG). Wird daher das Begehren auf Einverleibung abgewiesen und als Minus die Vormerkung bewilligt, sind alle Gründe anzugeben, die der Bewilligung (der Einverleibung) entgegenstehen (vgl § 95 Abs 3 GBG; RS0029353). Welche Mängel durch die Rechtfertigung zu beseitigen sind, ergibt sich damit aus den Gründen der Vormerkung (anstelle der beantragten Einverleibung). Die Rechtfertigung erfolgt dann aufgrund jener Urkunden, die bei der ursprünglichen Antragstellung fehlten bzw jener Urkunden in der erforderlichen Form, an der es ursprünglich mangelte (Verweijen in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 41 GBG Rz 1).

[18] 4. Die Antragsteller haben zu TZ 995/2020 ausdrücklich nur die Vormerkung ihres (anteiligen) Eigentumsrechts, nicht aber dessen Einverleibung begehrt. Das Erstgericht hat diesem Antrag stattgegeben, nicht aber die Vormerkung etwa als Minus bewilligt und seinen Beschluss auch nicht ausdrücklich begründet (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise bei Bewilligungsbeschlüssen siehe G. Kodek aaO § 95 GBG Rz 26). Da das Grundbuchsgericht nicht mehr oder etwas anderes bewilligen darf als die Partei angesucht hat, selbst wenn nach den beigebrachten Urkunden ein ausgedehnteres oder anderes Begehren berechtigt wäre (§ 96 Abs 1 GBG; RS0060665), war der Prüfungsgegenstand aufgrund des ausdrücklich auf Bewilligung der Vormerkung gerichteten Antrags auf die für diese Eintragung notwendigen Erfordernisse beschränkt. Ungeachtet des Verweises im Spruch seiner Entscheidung „mangels UB“ konnte das Erstgericht daher nur über die allgemeinen Erfordernisse (§§ 26, 27 GBG) zur grundbücherlichen Eintragung, nicht aber über die besonderen Erfordernisse eines unbedingten Rechtserwerbs absprechen. Von der Rechtskraft der Entscheidung des Erstgerichts zu TZ 995/2020 sind daher nur jene Voraussetzungen erfasst, die das Gesetz für die Vormerkung (Pränotation) verlangt. Eine das Grundbuchsgericht bindende Entscheidung über die darüber hinaus für die Einverleibung erforderlichen Voraussetzungen liegt entgegen der Ansicht des Rekursgerichts demgegenüber nicht vor.

[19] 5. Daraus folgt zu den vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen:

[20] 5.1. Nach der Rechtsprechung des Fachsenats ist die Vormerkung ausgeschlossen, wenn weder ein rechtskräftiger grundverkehrsbehördlicher Genehmigungsbescheid oder ein rechtskräftiger Feststellungsbescheid, wonach ein Rechtserwerb genehmigungsfrei zulässig ist, vorliegt (RS0060427; RS0060311). Die Antragsteller haben die erforderlichen Bescheinigungen nach dem Sbg GVG erst mit ihrem Antrag auf Rechtfertigung vorgelegt, sodass die Vormerkung des Eigentumsrechts für die Antragsteller an sich nicht bewilligt hätte werden dürfen. Dass das Erstgericht dem darauf gerichteten Begehren dennoch stattgegeben hat, kann infolge der Rechtskraft seiner Entscheidung auf Vormerkung aus Anlass des Gesuchs auf Rechtfertigung entgegen dem Standpunkt des Insolvenzverwalters aber nicht mehr aufgegriffen werden.

[21] 5.2. Da Gegenstand der ursprünglichen Beschlussfassung nur ein Antrag auf Vormerkung war, ist das für den unbedingten Rechtserwerb erforderliche besondere Erfordernis der Aufsandungserklärung im Verfahren auf Rechtfertigung zu prüfen. Fehlt es in den ursprünglich vorgelegten Urkunden an diesem besonderen Erfordernis nach § 32 Abs 1 lit b GBG, erfolgt die Rechtfertigung aufgrund einer zur Einverleibung geeigneten Erklärung dessen, gegen den die Vormerkung bewilligt worden ist (§ 41 lit a GBG).

[22] 5.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats führen durch den Urkundeninhalt erweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel daran, ob eine ausdrückliche Aufsandungserklärung vorhanden ist, zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs (RS0060642). Für die Einverleibung aufgrund von Privaturkunden ist die genau auf diese Eintragungsart bezogene Aufsandungserklärung erforderlich (5 Ob 131/17a mwN). Die Antragsteller haben im Gesuch auf Rechtfertigung neuerlich den Kaufvertrag vom 10. 11. 2017 angeschlossen. Nach der darin enthaltenen Erklärung gab die Liegenschaftseigentümerin (und nunmehrige Gemeinschuldnerin) ihre Zustimmung, dass „aufgrund dieses Vertrags ob der Liegenschaft [...] die Vormerkung der Einverleibung des Eigentumsrechts [...] eingetragen werden kann“. Unklar bleibt, auf welche Eintragungsart (Vormerkung oder Einverleibung) sich diese Erklärung bezieht, sodass keine taugliche Rechtfertigung iSd § 41 GBG vorliegt.

[23] 6. Dem Rekurs des Insolvenzverwalters ist daher Folge zu geben. Das Gesuch der Antragsteller auf Rechtfertigung der Vormerkung ist abzuweisen.

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