European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00064.21M.0623.000
Spruch:
1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
2. Die Antragstellerin wird mit ihrem Antrag vom 9. April 2021, dem Beschluss des Erstgerichts vorläufige Vollstreckbarkeit zuzuerkennen, auf diese Entscheidung verwiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1 Der Oberste Gerichtshof hat in der eingehend begründeten Entscheidung 6 Ob 166/19h die Grundsätze im Zusammenhang mit dem Bucheinsichtsrecht eines GmbH-Gesellschafters zusammengefasst. Danach sind für die Verweigerung des Bucheinsichtsrechts wegen zu erwartenden Missbrauchs konkrete Behauptungen sowohl zur Gefährdung als auch zur Relevanz der strittigen Geschäftsunterlagen erforderlich.
[2] Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Die Frage, ob die begehrte Informationserteilung rechtsmissbräuchlich verlangt wird, kann regelmäßig nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beantwortet werden; darin liegt daher im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG (6 Ob 191/20m).
[3] 1.2 Im vorliegenden Fall ist die antragstellende Gesellschafterin eine Privatstiftung. Ihr Stifter war auch vormaliger Geschäftsführer der Antragsgegnerin. Das Rekursgericht war der Auffassung, die Antragstellerin sei ein von ihrem Stifter, dem weder Organfunktion noch Kontrollrechte zukämen, unabhängiges Rechtssubjekt. Mangels konkreter Behauptungen zu einem die Antragsgegnerin schädigenden Fehlverhalten des Stifters als vormaliger Geschäftsführer der Antragsgegnerin und zu einem kollusiven Zusammenwirken der Mitglieder des Stiftungsvorstands mit dem Stifter, lasse das Vorbringen der Antragsgegnerin die konkrete Gefahr eines Missbrauchs nicht erkennen. Auch ein Verlust entsprechender „Beweise“ drohe nicht, weil das Einsichtsrecht nicht mit einem Recht auf Herausgabe von Originalunterlagen verbunden sei.
[4] Darin ist keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.
[5] 1.3 Die Behauptung der Antragsgegnerin im Revisionsrekurs, wonach die Antragstellerin mit dem gestellten Begehren einzig und allein den Zweck verfolge, „die gewonnen Informationen in schädigender Art und Weise an einen Dritten, deren Stifter, weiterzugeben“, ein anderer Zweck der Einsicht wäre „nicht denkmöglich“, findet weder Deckung im festgestellten Sachverhalt noch zeigt der Revisionsrekurs damit ein Abweichen des Rekursgerichts von den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen zum Erfordernis der konkreten Darlegung eines zu erwartenden Rechtsmissbrauchs auf.
[6] 2. Nach § 66 Abs 2 AußStrG können im Revisionsrekurs neue Tatsachen und Beweismittel nur zur Unterstützung oder Bekämpfung der Revisionsrekursgründe vorgebracht werden. Somit herrscht im Revisionsrekursverfahren – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – Neuerungsverbot (6 Ob 226/09t [Firmenbuchverfahren]; RS0119918; RS0079200). Auf das im Revisionsrekurs behauptete Ausscheiden der Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin (erst) nach Fällung der Rekursentscheidung ist im Revisionsrekursverfahren daher nicht Bedacht zu nehmen.
[7] 3. Mangels Vorliegens einer zu beurteilenden erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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