OGH 9ObA88/20m

OGH9ObA88/20m27.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Hon.‑Prof. Dr. Dehn, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * H*, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch Dr. Peter Döller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 14.778,08 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Juli 2020, GZ 8 Ra 38/20x‑22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 19. Februar 2020, GZ 22 Cga 39/19v‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132196

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (darin enthalten 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] In der Ausfertigung seiner Entscheidung kann der Oberste Gerichtshof die Wiedergabe des Parteienvorbringens und der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen auf das beschränken, was zum Verständnis seiner Rechtsausführungen erforderlich ist (§ 510 Abs 3 Satz 1 ZPO). Bestätigt der Oberste Gerichtshof das Berufungsurteil und erachtet er dessen Begründung für zutreffend, so reicht es aus, wenn er auf deren Richtigkeit hinweist (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Letzteres gilt sinngemäß auch für einzelne Teilbereiche der Begründung des Berufungsgerichts.

[2] Die Klägerin war bei der Beklagten vom 1. 9. 1985 bis 31. 7. 2016 in Vollzeit als Büroleiterin beschäftigt und war ua für Personalagenden der Mitarbeiter wie die Administration von Krankenständen und Urlauben zuständig. Auf ihr Arbeitsverhältnis fand der Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich Anwendung (im Folgenden kurz KollV). Der jährliche Urlaubsanspruch der Klägerin betrug laut Dienstzettel 30 Werktage (ab 1. 9. 2010 36 Werktage [§ 2 Abs 1 UrlG]). Das Arbeitsverhältnis endete infolge Pensionsantritts der Klägerin. Zum Ende des rund 31 Jahre währenden Arbeitsverhältnisses der Klägerin per 31. 7. 2016 waren, abgesehen von strittigen 54 Arbeitstagen, die die Beklagte als von der Klägerin in den Jahren 1998 bis 2000 konsumiert ansah, und von weiteren 59,5 „Urlaubsstunden“, die von der Beklagten als in den Jahren 2006 und 2008 verjährt qualifiziert worden waren, alle anderen Urlaubsansprüche der Klägerin regulär verbraucht worden. In der Endabrechnung der Beklagten wurde der Urlaubsrest der Klägerin mit Null ausgewiesen.

[3] Die Klägerin begehrt mit der am 28. 3. 2019 eingebrachten Klage von der Beklagten – nach Klageeinschränkung um 4.114,78 EUR – zuletzt den Betrag von 14.778,08 EUR brutto sA als Urlaubsersatzleistung. Im Einzelnen wird diese Urlaubsersatzleistung von der Klägerin für zwei Gruppen von ihr nicht konsumierter Urlaube begehrt: Zum einen habe ihr die Beklagte Urlaub aufgrund einer von der Klägerin während des Arbeitsverhältnisses absolvierten Ausbildung abgezogen. Dabei habe es sich verteilt über drei Jahre (1998 bis 2000) um insgesamt 54 Werktage gehandelt. Diese Tage wären nach den Maßstäben des Unionsrechts aber noch nicht als verjährt anzusehen. Die Beklagte hätte nämlich die Klägerin auffordern müssen, auch diesen Urlaub zu konsumieren. Die nationale Verjährungsvorschrift des § 4 Abs 5 UrlG habe daher unangewendet zu bleiben. Zum anderen seien der Klägerin von der Beklagten in den Jahren 2006 und 2008 weitere 59,5 Stunden Urlaub als verjährt abgezogen worden. Zu dieser Verjährung sei es deshalb gekommen, weil die Beklagte die Klägerin – anders als bei einem früheren Fall im Jahr 2004 – nicht auf die drohende Verjährung hingewiesen habe.

[4] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte kostenpflichtige Klageabweisung. Der Abzug von Urlaub im Zusammenhang mit der von der Klägerin in den Jahren 1998 bis 2000 absolvierten Ausbildung sei aufgrund einer Vereinbarung mit der Klägerin erfolgt. Der Eintritt der Verjährung von Urlaubsansprüchen in den Jahren 2006 und 2008 sei von der Klägerin selbst zu verantworten. Die Klägerin sei als Büroleiterin mit der Frage der Verjährung von Urlaub vertraut gewesen. Unionsrecht sei hier nicht anwendbar. Von der Beklagten werde Verjährung nach § 4 Abs 5 UrlG sowie Verfall nach dem KollV und einer Betriebsvereinbarung eingewendet. Die Klägerin habe überdies im Zusammenhang mit den von ihr behaupteten Urlaubsansprüchen aus lange zurückliegenden Zeiten ihre Aufgriffsobliegenheit verletzt. Hilfsweise werde gegen die Klageforderung auch noch eine Gegenforderung der Beklagten von 4.262,54 EUR brutto wegen Lohnbezugs der Klägerin ohne Arbeitsleistung in der Zeit ihrer Ausbildung aufrechnungsweise eingewendet.

[5] Das Erstgericht wies das nach Klageeinschränkung verbliebene Klagebegehren der Klägerin von 14.778,08 EUR brutto sA ab. Nach seinen Feststellungen durfte im Unternehmen der Beklagten Urlaub zwar ins nächste Jahr, nicht aber über zwei Jahre, mitgenommen werden. Es gab deshalb „Urlaubsverfalllisten“, in denen die von einem Urlaubsverfall potenziell betroffenen Mitarbeiter und die demnächst verfallenden Urlaubsstunden angeführt waren. Diese Listen führte eine Mitarbeiterin unter der Leitung der Klägerin, die auch die betroffenen Mitarbeiter zwei bis drei Monate vorher von einem drohenden Urlaubsverfall verständigte. Auch die Klägerin wurde von dieser Mitarbeiterin von drohendem Urlaubsverfall verständigt. Ihre offene Urlaube waren für die Mitarbeiter auf sämtlichen Gehaltszetteln ersichtlich, überdies hatte die Klägerin als Büroleiterin die Möglichkeit, jederzeit im Computer die Abwesenheitskonten, die ua den Urlaubskonsum abbildeten, einzusehen. Die Klägerin wusste also, wenn ihr ein Urlaubsverfall drohte.

[6] In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht die Klageforderung nach dem anzuwendenden KollV als verfallen. Danach wären nämlich Ansprüche aus dem KollV binnen sechs Monaten geltend zu machen gewesen. Dies sei nicht geschehen.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Klägerin die Klageabweisung des Erstgerichts. Die ordentliche Revision wurde mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zugelassen. Das Berufungsgericht verneinte zunächst den von der Beklagten eingewendeten Verfall nach dem KollV und nach der Betriebsvereinbarung. Die kollektivvertragliche Verfallsbestimmung umfasse nicht die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche. Die Verfallsbestimmung der Betriebsvereinbarung finde hier ebenfalls keine Anwendung. Es bleibe aber dennoch bei der erstgerichtlichen Abweisung des Klagebegehrens. Im Zusammenhang mit der Ausbildung der Klägerin sei zwischen den Parteien eine schlüssige Urlaubsvereinbarung zustande gekommen. Die von der Klägerin bezeichneten Werktage aus den Jahren 1998 bis 2000, für die sie nun eine Ersatzleistung begehre, seien von ihr vereinbarungsgemäß verbraucht worden. Ein ausreichendes Vorbringen, aus dem sich ableiten ließe, dass der Klägerin der Urlaubsverbrauch der in den Jahren 2006 und 2008 näher bezeichneten Stunden unmöglich gewesen sei, sei nicht erstattet worden.

[8] Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung im Sinn der Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht begehrt.

[9] Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der außerordentlichen Revision der Klägerin. Hilfsweise wird die Bestätigung der Berufungsentscheidung begehrt.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zur rechtlichen Klarstellung zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO), jedoch nicht berechtigt.

[11] 1. Die Klägerin richtet sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Streitteile bezüglich des Zeitraums 1998–2000 eine Urlaubsvereinbarung über die streitgegenständlichen 54 Ausbildungstage getroffen haben.

[12] 1.1. Der Abschluss einer Urlaubsvereinbarung bedarf einer übereinstimmenden Willenserklärung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Beginn und das Ende des Erholungsurlaubes; diese Erklärung kann ausdrücklich, aber auch schlüssig erfolgen (RS0077447; Reissner in ZellKomm2 § 4 Rz 2 mwN ua).

[13] Im vorliegenden Fall beabsichtigte die Klägerin, den „Leiter‑Lehrgang 1998–2000 12. 5. 1998 bis 17. 6. 2000“ in der Dauer von insgesamt 15 Wochen zu absolvieren, mit dem sie sich für eine Tätigkeit als Führungskraft qualifizieren konnte. Die Beklagte verpflichtete sich, nach Maßgabe der Ausbildungsvereinbarung dessen Kosten zu tragen und der Klägerin von der Gesamtausbildungszeit für 1998 zwei Wochen, 1999 drei Wochen und 2000 zwei Wochen als Dienstzeit anzurechnen. Zwischen den Streitteilen war nicht weiter zweifelhaft, dass die restliche Ausbildungszeit nicht als Dienstzeit angerechnet würde, die Klägerin dafür aber auch nicht ohne Entgeltanspruch karenziert werden sollte, sondern dafür Urlaub nehmen sollte („Urlaub hergeben“). Da sich die Klägerin mit der Absolvierung des Lehrgangs einverstanden zeigte, die Ausbildungsvereinbarung unterzeichnete und in der Folge den Lehrgang unter diesen Bedingungen, insbesondere auch unter Akzeptanz der jeweiligen Urlaubsabzüge, begann, war aus der Sicht der Beklagten nur auf das Einverständnis der Klägerin zu schließen, für die vom zugestandenen Dienstzeitkontingent nicht mehr gedeckten Ausbildungstage Urlaubstage zu verwenden. An einem übereinstimmenden Willen der Streitteile über den strittigen Urlaubsverbrauch mangelte es sohin nicht.

[14] 1.2.  Die Klägerin bringt gegen die Annahme einer Urlaubsvereinbarung vor, dass die Ausbildung nicht ihrer Erholung gedient habe.

[15] Wie in der Entscheidung 9 ObA 69/20t ausgeführt, muss es, wenn es um den regulären gesetzlichen Urlaubsanspruch geht, dem Arbeitnehmer frei stehen, den Urlaub nach Belieben zu verbringen. Urlaub soll dem Arbeitnehmer durch den vorübergehenden Entfall der arbeitsrechtlichen Pflichtbindungen nämlich in erster Linie einen Freiraum zur Selbstbestimmung geben, damit er sich erholen kann (vgl RS0077253; RS0077260 [T1]; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 UrlG § 2 Rz 6; Drs, Urlaubsrecht11 § 1 Rz 8; Mayr/Erler,UrlG3 § 1 Rz 1). Wenn auch der Erholungszweck zu den Charakteristika des Urlaubsanspruchs gehört, bleibt es einem Arbeitnehmer grundsätzlich unbenommen, in seiner Freizeit auch Tätigkeiten nachzugehen, die nicht primär erholsam sind. Denn der Erholungszweck wird schon dadurch erreicht, dass vorübergehend die arbeitsrechtlichen Pflichtbindungen – unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts – entfallen (Reissner aaO UrlG § 2 Rz 6).

[16] Die Frage, ob aufgrund der für die Ausbildung erfolgten Zweckbindung jener Urlaubstage von der Unwirksamkeit der Urlaubsvereinbarung auszugehen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Auseinandersetzung, weil die Urlaubsansprüche jedenfalls verjährt sind (s sogleich).

[17] Für einen entgeltlichen Verzicht der Klägerin auf Urlaubsansprüche im Sinn einer verbotenen Urlaubsablöse (§ 7 UrlG) bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

[18] 2.1. Nach § 4 Abs 5 UrlG verjährt der Urlaubsanspruch nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist.

[19] Dass ihre strittigen Urlaubsansprüche daher nach innerstaatlichem Recht verjährt sind, bestreitet die Klägerin nicht. Sie erachtet die genannte Bestimmung aber vor allem unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH C‑619/16 Kreuziger für nicht anwendbar. Darin ist ihr nicht zu folgen.

[20] 2.2. Der Rechtssache Kreuziger lag ein Fall zugrunde, in dem der eine Urlaubsabgeltung begehrende Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hatte. Der EuGH verwies darin (mwN) auf seine Rechtsprechung, dass Art 7 Abs 2 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen dem Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub gezahlt wird, wenn es ihm nicht möglich war, den gesamten bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, der ihm vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zustand, weil er sich zB während des gesamten Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon im Krankheitsurlaub befand. Art 7 Abs 1 der Richtlinie 2003/88/EG steht grundsätzlich einer nationalen Regelung, die für die Wahrnehmung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums umfassen, nicht entgegen, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch wahrzunehmen (Kreuziger Rnr 42 mwN). Damit soll eine Situation vermieden werden, in der die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert würde, während der Arbeitgeber damit die Möglichkeit erhielte, (dort:) sich unter Berufung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Arbeitnehmers seiner eigenen Pflichten zu entziehen (Rnr 50). Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, einen solchen Anspruch wahrzunehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun und ihm gegebenenfalls den sonstigen Verfall mitteilt (Rnr 51 f mwN; idS auch EuGH 6. 11. 2018, C‑684/16 Max‑Planck‑Gesellschaft).

[21] 2.3. Im streitgegenständlichen Verfahren liegt kein Fall vor, in dem sich der Arbeitgeber dieser Pflichten entzogen hätte:

[22] Der Urlaubskonsum für den Zeitraum 1998–2000 war hier nicht von einer formellen Initiative der Klägerin (Antrag) oder sonst von besonderen Voraussetzungen abhängig. Es lag auch keine Konstellation vor, in der es ihr etwa infolge von Krankheit (vgl EuGH 20. 1. 2009 verb Rs C‑350/06 und C‑520/06 Schultz‑Hoff ua) unmöglich gewesen wäre, Urlaub zu konsumieren oder sie gezwungen gewesen wäre, bei fehlender Übertragbarkeit des Urlaubsanspruchs zunächst unbezahlten Urlaub zu nehmen, um in der Folge vor einem Gericht auf bezahlten Urlaub zu klagen (vgl EuGH 29. 11. 2017, C‑214/16 King). Der Urlaubsverbrauch der Klägerin erforderte vielmehr den Abschluss einer Urlaubsvereinbarung, die nach dem Verständnis der Streitteile im Zusammenhang mit der Ausbildungsvereinbarung, wie dargelegt, auch tatsächlich abgeschlossen wurde. Zwischen ihnen wurde ausdrücklich auf den Verbrauch von Urlaub Bezug genommen. Auch inhaltlich enthielt die Abrede die wesentlichen Elemente einer Urlaubsvereinbarung, nämlich die Freistellung der Klägerin von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung ihres Entgeltanspruchs bei bestimmbarer zeitlicher Lagerung und Dauer. Anders als in den Rechtssachen Kreuziger und Max‑Planck‑Gesellschaft bedurfte die Klägerin damit auch keines weiteren förmlichen Hinweises auf offene Urlaubsansprüche, weil auch sie davon in Kenntnis und zu deren Verbrauch zu Ausbildungszwecken bereit war. Selbst bei Annahme der Unwirksamkeit der vereinbarten Zweckbindung des Urlaubs lag insgesamt ein anderer Sachverhalt als in den vom EuGH entschiedenen Fällen vor. Der erkennende Senat sieht hier daher auch nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH kein Verhalten der Beklagten, mit dem sie sich der dargelegten „Urlaubssorgepflicht“ entzogen hätte. Es bleibt bei der Anwendung des § 4 Abs 5 UrlG.

[23] 3. Dem steht hier auch nicht die Grundregel entgegen, dass im neuen Urlaubsjahr angetretener Urlaub zunächst auf den aus dem vergangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub anzurechnen ist (RS0077513), weil sich hier aus den – unter der Leitung der Klägerin geführten – Urlaubsverfalllisten die konkreten Anrechnungen ergeben. Einer Auseinandersetzung mit der Frage der Verletzung einer allfälligen Aufgriffsobliegenheit der Klägerin bedarf es danach nicht.

[24] 4.  Zu den in den Jahren 2006 und 2008 verjährten Urlaubsansprüchen der Klägerin (30 + 29,5 Arbeitsstunden) hielt das Berufungsgericht unter Verweis auf ON 5 S 2, ON 9 S 3, ON 12 S 4 fest, dass ein Vorbringen, aus dem sich ableiten ließe, das die Beklagte zu verantworten hat, dass der Klägerin ein Urlaubskonsum bis 1. 9. 2006 bzw 1. 9. 2008 nicht möglich gewesen sei, nicht erstattet wurde. Das wird in der Revision nicht in Frage gestellt. Nach den Feststellungen wusste die Klägerin als diejenige, unter deren Leitung die Urlaubsverfalllisten standen, ohnehin vom ihr jeweils drohenden Urlaubsverfall, sodass auch in diesem Zusammenhang keine Notwendigkeit bestand, sie auf ihre offenen Urlaubsansprüche aufmerksam zu machen. Soweit sie die Beklagte zur Vorbeugung des Urlaubsverfalls darauf aufmerksam gemacht und um Verlängerung des Zeitraums für den Urlaubskonsum ersucht hatte, hatte die Beklagte dem entsprochen. In zwei Fällen konnten die von der Klägerin konkret beantragten Urlaube zwar nicht genehmigt werden. Das erlaubt in der besonderen Fallkonstellation aber noch nicht die Annahme, dass die Beklagte einen Verbrauch jenes Urlaubs überhaupt nicht ermöglichen wollte.

[25] 5. Zusammenfassend geht die Klägerin im vorliegenden Fall zu Unrecht davon aus, dass sie im Zeitpunkt der Beendigung ihres Dienstverhältnisses noch nicht verjährte Urlaubsansprüche aus den Jahren 1998–2000 sowie 2006 und 2008 gehabt hätte. Da ihre Revision danach nicht berechtigt ist, hat es bei der Klageabweisung der Vorinstanzen zu bleiben. Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

[26] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte