European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00220.20X.0526.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die am ***** 2020 verstorbene Erblasserin errichtete am 18. 10. 1994 in der Kanzlei eines Notars ein Testament, das auszugsweise wie folgt lautete:
„I. Ich widerrufe sämtliche früheren letztwilligen Anordnungen ihrem ganzen Inhalt nach.
II. Zu meiner Erbin setze ich [ die Beklagte ] ein mit der Auflage die Hälfte des reinen Nachlaßvermögens zur Finanzierung eines Auslandsstudiums des [ Klägers ] zu verwenden.
III. Sollte [ die Beklagte ] vor mir, gleichzeitig mit mir oder nach mir, jedoch vor Abgabe einer Erbserklärung versterben, oder keine abgeben, so bestimme ich als Ersatzerben meines gesamten Vermögens [ den Kläger ].“
[2] Nach den dem Notar gegenüber geäußerten Wünschen der Erblasserin sollte die Beklagte erbberechtigt sein, der Kläger hingegen – gegen Nachweis – bis zur Höhe von 50 % des Reinnachlasses Auslagen für ein Auslandsstudium ersetzt bekommen. Dies war von der Erblasserin als Auflage gedacht und gewünscht; den Vorschlag des Notars, der ihr bezüglich des Klägers eher zu einer Erbquote oder einem Legat riet, lehnte sie ab und bestand auf der tatsächlich gewählten Formulierung als Auflage.
[3] Die Verlassenschaft wurde der Beklagten als Alleinerbin am 23. 4. 2007 aufgrund des Testaments vom 18. 10. 1994 eingeantwortet. Das im Verlassenschaftsverfahren errichtete Inventar wies einen Reinnachlass von 456.662,47 EUR aus; nach Abzug der Gebühren verblieb ein Betrag von 436.604,05 EUR.
[4] Dem Kläger kamen – teils durch direkte Zahlungen, teils durch Aufrechnung gegen seine Kostenschulden aus Vorprozessen – insgesamt 228.681,69 EUR zu. Er kündigte der Beklagten gegenüber erstmals im März 2007 an, im Ausland studieren zu wollen. Er besucht seit Sommer 2007 – jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz im Juni 2019 – eine als Postgraduate-Programm ohne festgelegten Studienplan konzipierte Meisterklasse für Pianisten in Italien. Die Kosten des Klägers für dieses Studium beliefen sich anfangs auf 1.400 EUR monatlich; dass sich diese Kosten seither wesentlich erhöht hätten, ist nicht feststellbar.
[5] Der Kläger begehrte mit seinem Hauptbegehren die Feststellung (a) der Erbunwürdigkeit der Beklagten und (b) seiner Eigenschaft als nächstberufener Erbe bei Nichterfüllung der Auflage sowie die Abtretung und Herausgabe der Erbschaft. Mit dem ersten Eventualbegehren begehrte er die Feststellung, dass die Beklagte ihr Erbrecht verwirkt habe, und wiederum die Abtretung und Herausgabe der Erbschaft. Mit dem zweiten Eventualbegehren strebte er die Feststellung an, dass es sich bei der „Auflage“ um ein Legat von 50 % des reinen Nachlasses zu Gunsten des Klägers handle, und begehrte die Zahlung von 345.000 EUR sA, hilfsweise die Feststellung, dass ihm der auf 345.000 EUR „noch offene Fehlbetrag nach Vorlage von weiteren Studiennachweisen“ zustehe. Mit dem dritten Eventualbegehren begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte „in ihrer Pflicht zur Auflagenerfüllung […] mit jedenfalls 33.000 EUR in Verzug“ sei.
[6] Die Vorinstanzen wiesen sämtliche Klagebegehren ab.
Rechtliche Beurteilung
[7] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[8] 1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[9] 2. Da die Erblasserin im Jahr 2000 verstorben ist, haben die Vorinstanzen zutreffend die erbrechtlichen Bestimmungen idF vor dem ErbRÄG 2015 angewandt (§ 1503 Abs 7 ABGB).
[10] 3. Das Hauptbegehren (zur Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit vgl 3 Ob 176/01f) könnte ebenso wie das erste Eventualbegehren nur Erfolg haben, wenn die Beklagte entweder als erbunwürdig anzusehen wäre oder den Nachlass durch Nichterfüllung der Auflage verwirkt hätte. Beide Voraussetzungen haben die Vorinstanzen vertretbar verneint:
[11] 3.1. Die Erbunwürdigkeitsgründe des § 542 ABGB aF sind nicht taxativ aufgezählt; jedenfalls muss aber ein Sachverhalt vorliegen, der den in dieser Bestimmung aufgezählten Gründen gleichkommt (RS0012271; RS0121922). Auch Handlungen nach dem Tod des Erblassers können nach § 542 ABGB aF erbunwürdig machen (RS0012273 [T2]). Sanktioniert ist jede Handlung oder Unterlassung, die in der Absicht geschieht, den Willen des Erblassers zu vereiteln. Stets ist aber vorsätzliches Handeln erforderlich. Wenn eine Absicht zur Gefährdung der gewollten Erbfolgeordnung nicht unterstellt werden kann, liegt daher ein Tatbestand iSd § 542 ABGB aF nicht vor (RS0121922). Ob Erbunwürdigkeit iSd § 542 ABGB aF vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (8 Ob 122/14w).
[12] In der Revision stützt sich der Kläger – soweit nachvollziehbar – zur Begründung des Vorliegens von Erbunwürdigkeit primär darauf, dass die Beklagte die „Urfassung“ des Testaments unterdrückt habe. Dem ist zu erwidern, dass die Erblasserin mit ihrem Testament vom 18. 10. 1994 „sämtliche früheren letztwilligen Anordnungen ihrem ganzen Inhalt nach“ widerrief und Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Testamentserrichtung im Oktober 1994 nicht dem Willen der Erblasserin entsprochen hätte. Hinweise dafür, dass die Beklagte eine „Urfassung“ des Testaments mit einer Erbeinsetzung des Klägers unterdrückt haben soll, gehen aus den Feststellungen nicht hervor. Inwiefern „Machenschaften der Beklagten“ vor dem Erhalt der Zuwendung im Jahr 2008 (gemeint offenbar: Handlungen der Beklagten, die den Kläger seiner Ansicht nach von einem Auslandsstudium abhalten sollten) zur Erbunwürdigkeit der Beklagten iSd § 542 ABGB aF führen sollten, erschließt sich aus dem Sachverhalt nicht. Mit den anderen, in erster Instanz noch relevierten Gründen für das Vorliegen von Erbunwürdigkeit setzt sich die Revision nicht mehr konkret auseinander, sodass sich nähere Ausführungen dazu erübrigen. Insgesamt zeigt der Kläger keine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen im Zusammenhang mit der Verneinung des Vorliegens von Erbunwürdigkeit auf.
[13] 3.2. Die in § 709 ABGB aF vorgesehene Verwirkung des Nachlasses bei Nichterfüllung der Auflage ist nur als Zweifelsregel zu verstehen; ein anderer, allenfalls auch durch Auslegung ermittelter Wille des Erblassers geht vor. Die Verwirkung tritt zudem nur ein, wenn der Belastete die Auflage vorwerfbar (schuldhaft) nicht erfüllt (RS0122290).
[14] Eine Verwirkung des Nachlasses leitet der Kläger im Revisionsverfahren – soweit erkennbar – nur mehr daraus ab, dass ihn die Beklagte vor Rechtskraft der Einantwortung im Jahr 2008 von der Durchführung eines Auslandsstudiums abhalten habe wollen und ihm dabei „Bankvermögen“ verheimlicht habe. Im Kern wiederholt der Kläger damit Argumente, die bereits Gegenstand von Vorprozessen waren. Mit der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass sich der Kläger wegen der Bindungswirkung der damaligen Urteile nicht neuerlich auf diese Gründe zur Annahme einer Verwirkung stützen könne, setzt sich der Revisionswerber nur kursorisch auseinander. Es reicht daher der Hinweis darauf, dass das Ausmaß der Bindungswirkung zwar grundsätzlich durch den Urteilsspruch bestimmt wird (RS0041331; RS0041357), für dessen Auslegung aber erforderlichenfalls die Entscheidungsgründe heranzuziehen sind, was insbesondere dann gilt, wenn der Umfang der Rechtskraftwirkung eines abweisenden Urteils festgestellt werden soll (RS0043259; RS0041357 [T9]). Welche „weiteren Verfehlungen“ der Beklagten nunmehr zu einer Verwirkung geführt haben sollen, legt die Revision nicht konkret dar. Insgesamt zeigt der Kläger damit auch in diesem Punkt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf.
[15] 4. Auch die Verneinung des zweiten Eventualbegehrens bedarf keiner Korrektur:
[16] 4.1. Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung richtet sich nach dem wahren Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Verfügung. Sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ihr kommt daher regelmäßig keine erhebliche Bedeutung zu (2 Ob 190/19h mwN).
[17] 4.2. Dass die Vorinstanzen die Anordnung der Erblasserin auf Basis der oben wiedergegebenen Feststellungen als Auflage (und nicht als Vermächtnis) qualifizierten, lässt keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts erkennen, entsprach diese Gestaltung ihrer letztwilligen Verfügung doch dem ausdrücklichen Wunsch der Erblasserin, an dem sie trotz anderweitiger Ratschläge des Notars festgehalten hat (vgl 2 Ob 190/19h). Daran zeigt sich auch, dass sie dem Kläger (als Begünstigtem) keine Durchsetzungsmöglichkeit einräumen wollte (vgl 2 Ob 2209/96h).
[18] 4.3. Denn während das Vermächtnis dem Vermächtnisnehmer einen schuldrechtlichen Anspruch zunächst gegen den Nachlass und nach der Einantwortung gegen die Erben verschafft, beschwert die einer letztwilligen Verfügung beigefügte Auflage den Zuwendungsempfänger (Erbe oder Legatar), ohne dass ihm ein auf Leistung Berechtigter gegenübersteht. Der Auflagenbegünstigte hat damit keinen durchsetzbaren Anspruch auf die Leistung, zur Durchsetzung wäre nur ein Testamentsvollstrecker oder ein Miterbe legitimiert (2 Ob 123/20g Rz 21 mwN).
[19] 4.4. Auch die konkrete Nennung eines einzigen Begünstigten steht der Qualifikation als Auflage hier nicht entgegen. Zwar wird in der Lehre die Meinung vertreten, dass, wenn die Verfügung eine bestimmte Person vermögensrechtlich begünstigt, im Zweifel ein Vermächtnis und keine Auflage vorliegen soll (so etwa Kralik, Erbrecht³ 205 und 268). Ein solcher Zweifel besteht aufgrund der bindenden Feststellungen über den Willen der Erblasserin im vorliegenden Fall aber nicht.
[20] 5. Das dritte Eventualbegehren ist auf Feststellung gerichtet, dass die Beklagte mit ihrer Pflicht zur Auflagenerfüllung mit jedenfalls 33.000 EUR in Verzug sei. Aus welchen konkreten Gründen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei Verneinung eines klagbaren Leistungsanspruchs auch kein Feststellungsinteresse habe, unrichtig sein sollte, legt der Revisionswerber nicht schlüssig dar. Er führt in der Revision auch nicht aus, aus welchen Erwägungen die Beklagte „mit jedenfalls 33.000 EUR in Verzug“ sein sollte. Insgesamt vermag der Kläger damit auch in diesem Punkt keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[21] 6. Aus diesen Erwägungen kommt der Auslegung der im Testament verwendeten Begriffe „Auslandsstudium“ und „reines Nachlaßvermögen“ letztlich keine entscheidende Bedeutung für den Verfahrensausgang zu.
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