OGH 8Ob56/21z

OGH8Ob56/21z26.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richterin der Rechtssache der klagenden Partei Mag. T* S*, vertreten durch die Mag. Rainer Ebert Mag. Gerhard Holzer Rechtsanwälte GesbR in Hollabrunn, gegen die beklagte Partei R* G*, vertreten durch die Robathin & Partner Rechtsanwalts GmbH in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei Ing. J* G*, vertreten durch Hermann & Kraft & Dallago Rechtsanwälte in Kufstein, wegen 7.500 EUR sA, über die Revisionen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2021, GZ 4 R 148/20v‑51, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 25. August 2020, GZ 57 Cg 51/18b‑46, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E132282

 

Spruch:

 

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und den Nebenintervenienten binnen 14 Tagen die mit je 917,02 EUR (darin je 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger erwarb vom Beklagten am 29. 5. 2015 einen gebrauchten Pkw um 37.500 EUR, den dieser zuvor vom Nebenintervenienten gekauft hatte. Der beim Verkauf angegebene Kilometerstand des Fahrzeugs von 58.640 war – was beide Parteien nicht wussten – manipuliert, tatsächlich betrug er mindestens 96.519 km. Hätte der Kläger den wahren Kilometerstand gekannt, hätte er den Pkw nicht gekauft. Darüber hinaus wies das Fahrzeug dem Beklagten bekannte, aber beim Verkauf nicht deklarierte reparierte Vorschäden auf. Unter Berücksichtigung des wahren Zustands belief sich der Marktzeitwert für das Fahrzeug im Verkaufszeitpunkt auf 30.000 EUR.

[2] Der Kläger legte mit dem Pkw21.000 km zurück. Auf der Bemessungsgrundlage einer linearen Abwertung des Klagsfahrzeugs beläuft sich das angemessene Entgelt für einen Kilometer auf 0,3037 EUR, insgesamt also etwa 6.377 EUR.

[3] Während des erstinstanzlichen Verfahrens verkaufte der Kläger das Fahrzeug um 25.000 EUR an einen Dritten weiter.

[4] Der Kläger begehrte zuletzt, gestützt auf Irrtumsanfechtung und Wandlung, die Zahlung von 7.500 EUR als Differenz zwischen dem bezahlten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert des Fahrzeugs im Verkaufszeitpunkt. Der Beklagte wandte unter anderem – im Revisionsverfahren allein noch relevant – den Anspruch auf Anrechnung eines angemessenen Benützungsentgelts ein.

[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 1.123 EUR samt Anhang unter Abweisung des Mehrbegehrens statt. Die Anfechtung des Vertrags wegen gemeinsamen Irrtums sei berechtigt.Der Weiterverkauf des Fahrzeugs stehe dem Rückabwicklungsbegehren nicht entgegen, jedoch habe sich der Kläger 5.380 EUR als Entgelt für die lukrierte Nutzung des Fahrzeugs auf den Rückforderungsanspruch anrechnen zu lassen.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und gab in Abänderung der angefochtenen Entscheidung dem Klagebegehren zur Gänze statt.

[7] Jener ständigen Rechtsprechung, die im Fall der Wandlung eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug die Verpflichtung zur Berücksichtigung eines Entgelts für die zwischenzeitige Nutzung der Sache, die sich am dadurch ersparten anderweitigen Aufwand des Käufers orientiere, seien Fälle zugrunde gelegen, in denen das Fahrzeug zurückgestellt werden konnte. Würde man die Grundsätze dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall anwenden, in dem das Fahrzeug wegen Weiterverkaufs nicht mehr zur Verfügung stehe, würde der Gebrauchsnutzen des Erwerbers im Ergebnis doppelt berücksichtigt, wofür eine sachliche Rechtfertigung fehle. Bei der Naturalrestitution sei das Fahrzeug nämlich nur in jenem Zustand zurückzustellen, den es im Rückgabezeitpunkt aufweise.

[8] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Frage der Pflicht zur Leistung eines Benützungsentgelts nach Weiterveräußerung eines Fahrzeugs im Rückabwicklungsfall einer höchstgerichtlichen Klärung bedürfe.

[9] Gegen den abändernden Teil dieser Entscheidung richten sich die Revisionen des Beklagten und des auf seiner Seite beigetretenen Nebenintervenienten, die jeweils (im Fall des Beklagten, dessen Revisionsantrag offenbar irrtümlich auf Klagsstattgebung lautet, aus dem Zusammenhang erkennbar) die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils anstreben.

[10] Die Revisionen sind aus den vom Berufungsgericht in seiner Begründung angeführten Erwägungen zulässig, aber nicht berechtigt.

[11] Beide Rechtsmittel stützen sich mit im Wesentlichen übereinstimmenden Argumenten auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, sodass sie im Folgenden gemeinsam behandelt werden können.

Rechtliche Beurteilung

[12] 1. Das Berufungsgericht hat die Rechtslage zu den Rechtsfolgen der Rückabwicklung eines Kaufvertrags nach § 877 ABGB ausführlich und zutreffend dargestellt. Auf diese Ausführungen kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Anspruch ist auf Rückstellung des Geleisteten oder, wenn dies unmöglich oder untunlich ist, auf Wertersatz nach Maßgabe seines Nutzens im Zeitpunkt der Leistung gerichtet. Dabei ist bei späterer Rückstellung auch der Nutzen, der in der Verwendung der Sache selbst liegt, durch ein angemessenes Benützungsentgelt zu vergüten (RIS‑Justiz RS0018527; RS0120321 [T3], ua Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 IV § 877 Rz 17; vgl zur Berechnung 5 Ob 274/09v – angemessener Kaufpreis minus Händlereinkaufspreis). Davon abgesehen erfolgt die Naturalrückstellung nur im Istzustand, ohne Berücksichtigung etwa eines durch Zeitablauf eingetretenen Preisverfalls (vgl RS0018534 [T3]).

[13] Der Umstand, dass der Pkw (hier wegen Weiterverkaufs) nicht mehr zur Rückgabe zur Verfügung steht, schließt die Wandlung als solche nicht aus (RS0018593 [T2]). Infolge Wandlung ist vom Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises der objektive Wert der nicht mehr rückstellbaren mangelhaften Sache im Zeitpunkt der Veräußerung abzuziehen (Reischauer in Rummel, ABGB4 § 932 Rz 340; RS0018593 [T1]; RS0018679 [T7] = 6 Ob 134/08m).

[14] 2. Davon ausgehend ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zutreffend.

[15] Für eine Rückabwicklung der empfangenen Leistung kommen theoretisch im Weiterverkaufsfall zwei Möglichkeiten in Frage,

a) die Anrechnung des erzielten Weiterverkaufspreises (bzw des objektiven Zeitwerts im Zeitpunkt des Weiterverkaufs, wenn dieser abweicht) zuzüglich eines angemessenen Benützungsentgelts,

b) die Anrechnung des objektiven Werts der mangelhaften Sache im Zeitpunkt des rückabzuwickelnden Ankaufs (RS0016360 [T4]).

[16] In der Variante a) entspricht die Herausgabe des Zeitwerts des weiterveräußerten Fahrzeugs in Geld der ursprünglich gebotenen Naturalrückstellung in jenem Zustand, in dem es sich im Zeitpunkt der Wandlung befindet. Hat der Käufer durch Benützung den Kilometerstand erhöht und damit typischerweise den Zeitwert des Fahrzeugs vermindert, ist diese Abwertung dem Verkäufer nicht zuzurechnen, sondern der Vorteil des Käufers – so wie bei Naturalrückgabe – angemessen zu vergüten.

[17] Ihre Grenze nach oben findet diese Anrechnung aber jedenfalls im objektiven Wert der verkauften Sache, weil der Verkäufer aus dem Titel der Rückabwicklung nicht bereichert werden soll, sondern nicht mehr zurückerhalten kann, als er ursprünglich geleistet hat.

[18] In der Variante b), die dem Standpunkt der Revisionswerber und der dargestellten herrschenden Rechtsprechung entspricht, erhält der Verkäufer mit dem objektiven Wert der Sache im Verkaufszeitpunkt bereits das volle Äquivalent seiner erbrachten Leistung zurück. Hier bleibt für die zusätzliche Anrechnung eines Vorteils des Käufers, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, kein Raum.

[19] 3. Im vorliegenden Fall führen auf Grundlage der Feststellungen beide theoretisch möglichen rechtlichen Ansätze jedenfalls für den Beklagten und den Nebenintervenienten zum der Entscheidung des Berufungsgerichts entsprechenden Ergebnis (§ 273 ZPO), sodass sich weiterführende Überlegungen dazu im Rahmen der Behandlung der Rechtsmittel erübrigen. Beiden Revisionen war damit keine Folge zu geben.

[20] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Kosten des Klägers für eine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Beantwortung der Revision des Nebenintervenienten hat ebenfalls der Beklagte zu tragen (RS0036057).

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